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Rassisten im Weißen Haus

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Debatte über amerikanische Geschichte Ist Donald Trump der erste Rassist im Weißen Haus?

Präsidentschaftskandidat Joe Biden nennt Donald Trump den "ersten Rassisten", der zum Präsidenten gewählt wurde. Das ist nicht ganz richtig: Die Reihe der Rassisten im Weißen Haus ist lang - von Roosevelt bis Wilson.

Als Theodore "Teddy" Roosevelt 1909 nach zwei Amtszeiten das Oval Office räumen musste, war er längst noch nicht bereit, sich aufs Altenteil zu begeben. Mit Reden und Artikeln, die um seine großen Themen kreisten und der politischen Diskussion weiter Futter liefern sollten, hielt er sich im öffentlichen Bewusstsein: Um die Bewahrung der Umwelt ging es da, um die sozialen Probleme der USA - und ebenso darum, wie man das "Neger-Problem" nachhaltig lösen könnte.  

Mit dem Vermächtnis von Roosevelt, der 1901 zum 26. Präsidenten der USA wurde, hadern Amerikas Parteien bis heute. Viel zu "liberal" für einen Republikaner vertrat er in Sachen Ökologie und Sozialreformen Positionen, die man heute als "demokratisch" verbuchen würde.

Als "Democrat" im heutigen Verständnis taugt Roosevelt aber auch nicht. Und das gilt umso mehr, seit Black Lives Matter zur Bewegung anwuchs: Der US-Präsident vertrat offen rassistische Ansichten, nahm auf Integration zielende Reformen zurück und sorgte dafür, dass im Laufe seiner Regierungszeit einflussreiche Posten wieder verstärkt mit weißen Kandidaten besetzt wurden (womit er unter den US-Präsidenten nicht allein war, siehe Fotostrecke). Vor allem aber war er ein ausgesprochener Fan der Eugenik - auch und gerade in Bezug auf "rassische" Fragen.

Natürlich muss man das im Kontext der Zeit verstehen, aber das macht es nicht besser. Roosevelt entstammte für amerikanische Verhältnisse uraltem Geldadel und war Mitglied einer Elite, die sich als "lilienweiß" verstand. In seinen Reden und Schriften entdeckt man einen tief verinnerlichten, deshalb oft geradezu beiläufig-selbstverständlich geäußerten Glauben an die ethnisch begründete Überlegenheit der sogenannten weißen Rasse. Obwohl ein vehementer Gegner der Sklaverei, lag ihm nichts ferner als Gleichstellung der "Rassen". Den schwarzen Bevölkerungsanteil der USA hielt Roosevelt vor allem für ein zu lösendes Problem.

Die Lösung: eugenisch einweißen?

Wie das gelingen könnte, lernte der Ex-Präsident 1913 bei einer naturkundlichen Expedition durch Brasilien. Sein Artikel "Brazil and the Negro"  erschien im Februar des Folgejahres im einflussreichen Magazin "Outlook": Roosevelt erklärte der amerikanischen Öffentlichkeit, wie Brasilien plane, durch "racial whitening" das "Neger-Problem" verschwinden zu lassen, indem man ganz einfach die "Rasse der Neger verschwinden lässt" - und zwar in der weißen.

Das geschehe in Brasilien auf ganz natürliche Art durch Vermischung der Rassen und Klassen. Nach wenigen Generationen, erklärte Roosevelt, würden die schwarzen Erbanteile im Erbgut verwässert, bis sie nur noch einen zwar bemerkbaren, aber nicht weiter schädlichen kleinen Anteil ausmachten. "Neger" gebe es in Brasilien deshalb schon bald nicht mehr, und ihre negativsten Eigenschaften würden durch das dominante weiße Erbgut überdeckt: "Es ist der Neger, der absorbiert wird, und nicht der weiße Mann."

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Rassisten im Weißen Haus

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Klar sei es bedauernswert, wenn diese "mulattisierte", nicht mehr ganz weiße Bevölkerung auf diese Weise ein wenig "geschwächt" würde, erklärte Roosevelt weiter. Aber zur Vermischung komme es lediglich im untersten Drittel der Gesellschaft. Zudem sei das dem Zustand einer in Rassen geteilten Bevölkerung mit allen damit einhergehenden Gefahren vorzuziehen.

Zumal die Eliten des Landes ja peinlich darauf achteten, dass die "führenden Schichten" rein weiß blieben: "Mit einem gelegentlichen Spritzer indianischen Blutes", schrieb Roosevelt, was aber nicht schlimm sei, sondern durchaus vorteilhaft. Und das alles sei keineswegs Zufall, sondern ein gewollter, gesellschaftlich gesteuerter Prozess mit klarer Zielvorgabe, wie ihm ein Parlamentarier erklärt habe: "Natürlich ist die Existenz des Negers das wahre Problem."

Viel rassistischer geht es kaum. Mit diesem Denken war Roosevelt jedoch keineswegs ein zynischer Exot, sondern stand in einer langen Tradition. Die meisten seiner Vorgänger waren nicht frei von rassistischem Denken - und für einige Nachfolger gilt das ebenfalls.

Amerikas frühe Präsidenten: ein Dutzend Sklavenhalter

Die Geschichte der USA begann in einer Zeit, in der Rassismus als normal galt. George Washington besaß rund 50 Sklaven, seine Ehefrau brachte 80 weitere als Mitgift in die Ehe ein. Sklaven zu halten, hielten zehn der zwölf ersten US-Präsidenten für eine gute Idee; Ausnahmen waren allein John Adams (zweiter Präsident) und dessen Sohn John Quincy (Nummer sechs). Insgesamt waren zwölf der 16 ersten US-Präsidenten Sklavenhalter, bis Sklaverei nach Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges am 18. Dezember 1865 verboten wurde.

Zunächst änderte sich einiges: Afroamerikaner bekamen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, bis hin zu öffentlichen Ämtern. Das sollte allerdings nicht lang vorhalten. Mit Rutherford B. Hayes, 19. US-Präsident ab 1877, wurden Ausnahmen "rassisch" begründeter Privilegien zum informellen Gesetz: Alle Präsidenten bis zum Zweiten Weltkrieg akzeptierten die sogenannten Jim-Crow-Regeln, die in den Südstaaten die Rechte schwarzer Amerikaner immer weiter einengten.

Wie das funktionierte, zeigte William Howard Taft, ab 1909 Präsident der USA, schon in seiner Rede zum Amtsantritt : Formell bestätigte er darin die verfassungsmäßigen Rechte "der Neger". Außer wenn deren Wahrnehmung zu öffentlichem Unmut führe - dann hätten Schwarze auf ihre Rechte zu verzichten. In blümeranter Verpackung erklärte er zudem, warum es zum Schutz der "Neger" sei, sie von öffentlichen Ämtern fernzuhalten: Auch darüber könne sich ja jemand empören. Prompt folgten weiße Proteste, die binnen kürzester Zeit die Rechte von Schwarzen im Süden der USA kappten.

Was Taft nicht umsetzen konnte, schaffte sein Nachfolger Woodrow Wilson ab 1913. Wilson ermöglichte eine Art Apartheid im öffentlichen Dienst - mit nach Hautfarbe getrennten Büros und Toiletten. Bekannt war Wilson auch für seine abfälligen Schwarzen-Witze in aufgesetztem Pidginenglisch wie für seine Ansicht, "Rassenschranken" übergreifende Beziehungen gefährdeten das "weiße Blut" - bis hin zur Verabschiedung eines Gesetzes in Washington, D.C., das jede schwarz-weiße Heirat zur Straftat erklärte.

Apartheid wie in Südafrikas schlimmsten Zeiten

Wilson gilt vielen Experten als Oberrassist im Weißen Haus. Kaum ein US-Präsident mühte sich konsequenter und erfolgreicher, Bürgerrechte von Afroamerikanern zu verhindern oder zu beschneiden - so wie er es schon als Präsident der Universität Princeton getan hatte.

Princeton sollte auch, dank Wilson, als letzte wichtige Hochschule in den nördlichen Bundesstaaten am Einschreibungsverbot für Schwarze festhalten. Erst vor einem Monat, am 28. Juni, benannte die Universität ihr bis dahin nach Wilson benanntes Politikwissenschaftliches Institut um. Per Pressemitteilung  begründete Uni-Präsident Christopher L. Eisgruber das so: "Wilsons Rassismus war erheblich und folgenreich, selbst gemessen an den Maßstäben seiner Zeit. Sein rassistisches Denken und seine rassistische Politik machen ihn als Namensgeber für eine Schule ungeeignet."

Im Weißen Haus regierte er indes volle zwei Amtszeiten. Erst mit Franklin D. Roosevelt (ab 1933) und seinem Nachfolger Harry S. Truman (ab 1945) sollte sich einiges ändern. Die Kriegspräsidenten brauchten die Unterstützung der schwarzen Bevölkerung, und Pearl Harbor sorgte für ein gemeinsames Bedrohungsgefühl von außen. Vor allem Truman begann, sich vehement für Gleichberechtigung und Bürgerrechte einzusetzen.

Es war eine Weichenstellung auch für seine Partei: Die Demokraten, traditionell gerade auch im Süden stark verwurzelt, hatten bis zum Weltkrieg oft genug rassistische Positionen vertreten. Nun entwickelte sich eine neue Polarität: Die Demokraten nahmen fortan die liberal-bürgerrechtsnahe Position ein, die Republikaner zunehmend die konservativ-"weiße" Position.

Förderer und Bremser in Sachen Gleichberechtigung ließen sich seitdem weitgehend am Parteibuch festmachen. Donald Trump mit seiner deutlichen Präferenz für eher blasse Bevölkerungsteile steht da in langer Tradition. Ob man ihn in Rückschau als Rassisten im Weißen Haus verbuchen wird, wird die Geschichte zeigen. Der erste Rassist im Oval Office war er sicher nicht.