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Kolik, Entzündung, Tumor Wann eine Gallenstein-OP sinnvoll ist

Viele bemerken ihre Gallensteine nicht einmal, bei manchen aber führen die Klumpen zu starken Schmerzen und werden gefährlich. Wann sollte die Gallenblase entfernt werden?
Entfernte Gallensteine: Die Klumpen können zu Koliken führen

Entfernte Gallensteine: Die Klumpen können zu Koliken führen

Foto: Corbis

Steinreich klingt nach Diamantenringen, nach einer Yacht im Hafen und Millionen auf dem Konto. Medizinisch gesehen aber steht der Begriff für etwas deutlich weniger Erfreuliches: eine Vielzahl an Gallensteinen, ockerfarbenen, grünen oder weißen Klumpen, die zumeist aus Cholesterin, aber auch aus dem Gallenfarbstoff Bilirubin bestehen, und die Gallenblase bevölkern.

Schätzungen zufolge trägt jeder zehnte Bundesbürger Gallensteine in seinem Körper, nach dem 60. Lebensjahr soll sogar mehr als jeder Zweite betroffen sein. Nicht bei allen führen die Gallensteine zu Beschwerden, die meisten Betroffenen bemerken sie nicht einmal. Bei manchen aber kann es neben Symptomen wie Übelkeit, Brechreiz und Völlegefühl zu schweren Koliken kommen - dem Hauptgrund, Gallensteine zu behandeln.

Gallensteine - eine Zivilisationskrankheit

Eine wichtige Voraussetzung für die Bildung von Gallensteinen ist eine Übersättigung der Gallenflüssigkeit mit Cholesterin. Sinkt das Verhältnis von Gallensäuren zu Cholesterin auf 13:1 ab, fällt das Cholesterin aus wie Zucker in einem überzuckerten Kaffee. Das Risiko dafür steigt durch:- zunehmendes Alter, Übergewicht und Bewegungsmangel.- eine cholesterinreiche Ernährung ebenso wie durch eine ballaststoffarme Nahrung. Diese verzögert die Passage von Speisen im Darm und erhöht dadurch die Cholesterinaufnahme.- Radikaldiäten und Fasten. Beides führt dazu, dass sich die Gallenblase zu selten entleert und die Gallenflüssigkeit eindickt.- den Einfluss von Schwangerschaft und Geburt auf den Umsatz von Geschlechtshormonen wie Östrogene. Diese Hormone kurbeln die Cholesterin-Produktion an.- genetische Stoffwechselstörungen, die die Produktion einer bestimmten Gallensäure vermindern oder die Abgabe von Cholesterin in die Gallenflüssigkeit steigern.- Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Leberzirrhose, Schilddrüsenunterfunktion und Überfunktion der Nebenschilddrüse.

Die krampfartigen Beschwerden entstehen, wenn die Klumpen die Gallenblase daran hindern, sich zusammenzuziehen und ihre Flüssigkeit für die Fettverdauung in den Darm abzugeben. Es kommt zu starken Schmerzen im Oberbauch, die mehrere Stunden anhalten und in die rechte Schulter und den Rücken ausstrahlen können. Gleichzeitig steigt das Risiko, dass die Gallensteine zu Komplikationen wie einer entzündeten Gallenblase führen.

Gallenblasen in Deutschland zu häufig entfernt

Wer eine Kolik hatte, dem wird dazu geraten, die Gallenblase entfernen zu lassen. "Prinzipiell können reine Cholesterinsteine mit einem Durchmesser von maximal fünf Millimetern auch medikamentös mit der Gallensäure Ursodesoxycholsäure aufgelöst werden. Wir empfehlen dieses Verfahren wegen der hohen Rückfallrate, das heißt einer erneuten Steinbildung, nicht mehr", sagt Gerd Sauter, Oberarzt an der Medizinischen Klinik II des Klinikums der LMU, München.

Hinzu kommt, dass die Behandlung zwei Jahre und länger dauert und nicht immer hilft. Nur auf besonderen Wunsch des Patienten und nach Aufklärung, dass sich langfristig in der Regel eine Operation nicht wird vermeiden lassen, wird die medikamentöse Steinauflösung laut Sauter überhaupt noch vorgenommen. Nach der operativen Entfernung der Gallenblase besteht hingegen kein Risiko einer erneuten Steinbildung.

Allerdings sollte der Eingriff nur erfolgen, wenn klar definierte Beschwerden bestehen. Eine Studie aus den USA  erweckt den Eindruck, dass Mediziner häufiger als notwendig zum Operieren tendieren. Die Untersuchung ergab, dass zumindest in Texas gesunden älteren Gallensteinträgern mit geringem Risiko für eine Kolik häufiger die Gallenblase samt Gallensteinen entfernt wird, nachdem sie erste Beschwerden hatten, als gesunden älteren Patienten mit hohem Risiko.

Auch in Deutschland wird wahrscheinlich zu viel operiert. Eingriffe an dem Organ zählen zu den häufigsten Operationen überhaupt, ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Während Chirurgen in den Achtzigerjahren in Deutschland etwa 80.000 Gallenblasen pro Jahr entfernten, sind es laut Aqua-Institut  heute etwa 175.000 pro Jahr.

"Gallenblase auf keinen Fall vorbeugend entfernen"

Markus Büchler, Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, macht für diese Entwicklung mehrere Faktoren verantwortlich - unter anderen, dass Gallensteine mit modernen und inzwischen weit verbreiteten Ultraschallgeräten viel besser darstellbar sind.

"Wenn der Arzt bei der Untersuchung die Gallensteine entdeckt und dem Patienten das Gefühl vermittelt, dass Gallensteine etwas Schlimmes sind, dann möchte der sie natürlich keinen Tag länger mit sich herumtragen", sagt Büchler. Wie jede Operation birgt der Eingriff jedoch Risiken. "Man muss klar sagen, dass es falsch wäre, eine Gallenblasen-OP nach einem zufälligen Steinbefund oder Beschwerden wie Völlegefühl und Blähungen vorbeugend durchzuführen", so Büchler.

Daneben könne die Gallenblase seit etwa Mitte der Neunzigerjahre minimal-invasiv entfernt werden, das heißt durch drei bis vier kleine Schnitte statt eines Bauchschnitts. "Damit wurde die OP einfacher. Zudem treten weniger Komplikationen auf, was sowohl auf Ärzte- als auch auf Patientenseite die Hemmschwelle für einen Eingriff herabsetzt", sagt Büchler. Auch das könne mitunter dazu führen, dass Gallenblasen unnötig operiert werden.

Koliken, Entzündungen, Tumoren: Gründe für eine OP

Wirklich entfernt werden sollten Gallensteine laut dem Experten nur, wenn sie nach dem Essen zu krampfartigen Oberbauchbeschwerden führen. "Der Patient muss eine eindeutige Kolik schildern können. Und wer mal eine derartige Kolik hatte, vergisst sie nicht", so Büchler. Ein weiterer Grund für eine Operation ist eine Entzündung der Gallenblase. Dann solle das Organ möglichst innerhalb von 24 Stunden herausgenommen werden, rät Büchler.

Sofort Operierte haben laut einer Studie des Mediziners  weniger Komplikationen, sind früher wieder fit und können das Krankenhaus schneller verlassen als später Operierte. "Auch wenn jemand eine Porzellangallenblase hat, das heißt die Gallenblasenwand infolge wiederholter Entzündungen stark verkalkt ist, muss die Gallenblase wegen des erhöhten Krebsrisikos entfernt werden", sagt Büchler. Außerdem ist eine Operation notwendig, wenn sich in der Gallenblase Polypen oder Tumoren befinden.

Der Mensch kann laut Büchler gut ohne Gallenblase leben. Die Gallenflüssigkeit gelangt dann von der Leber ohne Zwischenspeicherung direkt in den Zwölffingerdarm. "Nach dem Essen entfällt die mahlzeitgebundene Dusche mit Gallenflüssigkeit", so Büchler. Viele vertragen ihre gewohnte Ernährung nach der Operation trotzdem so gut wie zuvor.

Sonderfall Gallengangsteine

Immer wieder kommt es vor, dass die Gallenflüssigkeit kleinere Steine in den Gallengang spült. "Der Gallengang ist ein enges Röhrchen, durch das eigentlich keine Gallensteine passen. Deshalb können auch in diesem Fall krampfartige Beschwerden auftreten", sagt Büchler. Im Blut steigen dann die Werte für bestimmte Stoffe wie den Gallenfarbstoff Bilirubin an.

Ausgewanderte Gallensteine müssen zumeist endoskopisch entfernt werden, weil das Risiko einer lebensgefährlichen Bauchspeicheldrüsenentzündung besteht. Das sollte laut Büchler möglichst rasch passieren. Eine ausgewogene und vollwertige Ernährung und der allmähliche Abbau von Übergewicht können einer erneuten Gallensteinbildung vorbeugen beziehungsweise deren Bildung verlangsamen.

Mehr Informationen zu Gallensteinen und möglichen Behandlungen finden Sie unter diesem Link auf gesundheitsinformation.de .

Zur Autorin

Gerlinde Gukelberger-Felix ist Diplom-Physikerin und studierte eine Zeit lang Medizin, bis sie sich ganz dem Journalismus verschrieb. Besonders interessant findet sie alle Überschneidungen zwischen Medizin, Physik, Biologie und Psychologie. Sie arbeitet als freie Medizin- und Wissenschaftsjournalistin.