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Bauen vs. abreißen Gebaggert wird immer

Was der eine aufbaut, reißt der andere ab. Das begeistert beide. Tilman Auer ist Bauingenieur, Markus Kickert Abbruchtechniker. Im Jobdoppel erzählen sie, warum Baggerfahren gute Laune macht und Architekten manchmal auf der Baustelle Blockflöte spielen.
Von Jennifer Hertlein und Felix Scheidl

Irgendwann stehen beide vor einer Baugrube. Tilman Auer am Anfang seiner Arbeit, Markus Kickert am Ende. Auer baut Häuser, Kickert reißt sie ab. Und beide haben ziemlich viel Spaß dabei. Das erzählen sie hier:

  • Bauingenieur Tilman Auer, 40: "Zur Hauseinweihung habe ich Cello gespielt"

Tilman Auer ist mitverantwortlich für das Hotel in der Elbphilharmonie

Tilman Auer ist mitverantwortlich für das Hotel in der Elbphilharmonie

Foto: KONZEPT:VISION B & P

"Eine Werkstatt, eine Turnhalle und ein Ponystall in einem Haus, das kaum Energie verbraucht. Das waren die Anforderungen an mein erstes eigenes Projekt als Bauingenieur: Ich sollte nördlich von Berlin ein Multifunktionsgebäude für ein Behindertenwerk bauen.

Zusammen mit dem Architekten habe ich an den Entwürfen gearbeitet, die Baumaterialien ausgewählt und Verträge mit Malern, Fliesenlegern, Elektrikern und Heizungsbauern geschlossen. Als Bauleiter bin ich dafür verantwortlich, dass Kosten und Terminplan eingehalten werden und der Bau keine Mängel hat. Die Bewohner des Behindertenheims haben mich morgens auf der Baustelle schon bald mit Handschlag begrüßt, und das Projekt ist mir sehr ans Herz gewachsen.

Bei der Einweihung des Hauses, kurz vor Weihnachten, saßen wir alle zusammen, die Bewohner, der Geschäftsführer der Einrichtung, der Architekt und ich. Gemeinsam haben wir 'Lasst uns froh und munter sein' gesungen, ich habe Cello gespielt, der Bauherr Gitarre und der Architekt Blockflöte. Es ist ein tolles Gefühl, eine neue Bleibe für Menschen geschaffen zu haben.

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Hamburger Bauingenieur: Zwischen Ponystall und Luxussuite

Foto: bost group berlin

Richtige Großprojekte funktionieren ganz anders. Zurzeit bin ich für den Innenausbau des Hotels in der Hamburger Elbphilharmonie mitverantwortlich und verbringe mehr Zeit im Büro als auf der Baustelle. Täglich stehen Absprachen mit Bauleitern, Architekten oder den Hotelpächtern an. Um ihnen zu zeigen, wie es später aussehen wird, haben wir in einer separaten Halle ein Hotelzimmer exakt nachgebaut. An das Fenster haben wir ein Panoramabild der Hamburger Hafencity geklebt, sogar Bademäntel hingehängt. Den Hotelpächtern hat der Entwurf gefallen. Jetzt bauen wir diese Zimmer in die Stockwerke 9 bis 20 der Elbphilharmonie.

Zu meiner Festanstellung bei Hochtief bin ich über ein Praktikum gekommen. Ich war damals Assistent der Bauleitung am Berliner Sony Center. Gemeinsam etwas zu erschaffen, das hat mich besonders fasziniert.

Schon in der Schule habe ich mich für Mathe und Chemie interessiert. Ein Projekt anpacken, umsetzen und damit etwas verändern - das hat mir schon immer Spaß gemacht. In der Umwelt AG habe ich zum Beispiel Plastik sortiert und zum Recyclinghof gebracht.

Über das Thema Umwelt bin ich auch zu meinem Studium an der Uni Hamburg-Harburg gekommen: Bauingenieurwesen und Umwelttechnik, das passt gut zusammen. Schon heute können wir Gebäude mit Dämmstoffen, Solarzellen und speziellen Wärmetauschsystemen so bauen, dass sie fast ganz ohne Energie von außen auskommen.

Als Student habe ich mich vor allem mit Statik und Mechanik beschäftigt, später auf Massiv- und Stahlbau spezialisiert. Bevor man als Bauingenieur in die Konstruktion einsteigt, stehen allerdings noch Mathe, Chemie, Physik und Baustoffkunde auf dem Stundenplan. Das ist wichtig, um später Statiken berechnen zu können und die Materialien für den Bau abzustimmen."

  • Abbruchtechniker Markus Kickert, 39: "Ein Haus abreißen ist wie ein Haus bauen"

Wenn die Statik unklar ist, übernimmt Markus Kickert selbst den Bagger

Wenn die Statik unklar ist, übernimmt Markus Kickert selbst den Bagger

Foto: Hagedorn

"Baggerfahren war immer ein Kindheitstraum von mir. Mit meinem heutigen Chef bin ich groß geworden. Unsere Väter waren Kollegen beim Bau, am Wochenende durften wir ihre Maschinen ausprobieren und in Sandgruben rumbaggern. So bin ich in den Beruf reingewachsen. Allerdings habe ich nach der Schule erst mal eine Ausbildung zum Schlosser gemacht. Ich wusste nicht genau, wo ich beruflich hin will, und eine Ausbildung zum Abbruchtechniker gab es vor 25 Jahren auch noch gar nicht.

Ich habe dann als Bauarbeiter und Maschinist gearbeitet. Als ein Bürogebäude abgerissen werden sollte, bin ich zum ersten Mal einen Longfront-Bagger gefahren. Diese Maschinen sind riesig und haben eine enorme Kraft. Mit meinem Bagger konnte ich ein 48 Meter hohes Gebäude einreißen. Das hat unheimlich Spaß gemacht!

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Abbruchtechniker in Aktion: Ein Mann, ein Haus, ein Bagger

Foto: Hagedorn

Beim Abreißen geht es aber nicht darum, ein Gebäude einfach kaputt zu schlagen. So hat man das vielleicht vor 40 Jahren gemacht. Ein Haus abreißen ist wie ein Haus bauen, nur in umgekehrter Reihenfolge: Als erstes kommt die Entkernung. Die Arbeiter entfernen Einbauten, Teppichböden, Laminat, Holztüren oder Schadstoffe. Dann wird das Dach eingerissen, und Zimmer für Zimmer, Stockwerk für Stockwerk, geht es nach unten. Ein Haus Stein um Stein auseinanderzunehmen, ohne dass es unkontrolliert umfällt, das fasziniert mich.

Seit drei Jahren bin ich bei Hagedorn Spezialist für Abbruchtechnik. Im Bagger sitze ich nur noch in Ausnahmefällen, etwa, wenn die Bauarbeiter sich nicht trauen, mit einem bestimmten Gerät weiterzumachen, weil irgendetwas wackelt und die Statik unklar ist.

Hauptsächlich bin ich für die Planung verantwortlich: Welches Gerät brauchen wir? Wo sind tragende Wände? An welchen Stellen könnte es gefährlich werden? In einem Einfamilienhaus gibt es vielleicht Asbest, bei einem Industrieabbruch sogar giftige Chemikalien, die nicht freigesetzt werden dürfen. Dafür gibt es spezielle Baumaschinen mit Unterdruckkabine und Filter.

Im Büro sitze ich fast nie, ich bin ständig von einer Baustelle zur nächsten unterwegs. Knifflige Abrissprojekte mag ich am liebsten, zum Beispiel, wenn in der Innenstadt ein Haus zwischen zwei anderen herausgebrochen werden soll. Dann kommen mitten in der Stadt riesige Longfront-Bagger zum Einsatz. Mit denen muss man sehr feinfühlig sein, schließlich sollen die anderen Häuser nicht mit umfallen. Und zu laut soll es auch nicht werden, auch wenn so eine Baustelle natürlich immer laut ist."

Bauingenieur und Abbruchtechniker - die Jobs im Überblick

Bauingenieur Abbruchtechniker
Darum geht es:

Häuser bauen. Kosten, Qualität und Terminplan kontrollieren
Darum geht es:

Häuser abbreißen
Arbeitsplatz:

Baucontainer, Bürogebäude oder Baustelle
Arbeitsplatz:

Baustelle
Typische Aufgaben:

mit Architekten, Kunden, Handwerkern verhandeln
Typische Aufgaben:

Rückbaukonzepte erstellen
Ist nichts für Leute, die ...

... wenig belastbar sind, Verantwortung scheuen, Probleme mit mehreren gleichzeitig laufenden Projekten haben und entscheidungsschwach sind.
Ist nichts für Leute, die ...

... alle Probleme nur theoretisch lösen wollen und keine Praktiker sind
Das Schöne am Beruf:

Das Ergebnis der Arbeit ist sichtbar und kann in 30 Jahren noch den Enkeln gezeigt werden.
Das Schöne am Beruf:

Es wird nie langweilig, kein Abriss ist wie der andere.
Schattenseiten

häufige Wohnortwechsel
Schattenseiten

hohe Unfallgefahr
So wird man es:

Studium des Bauingenieurwesens oder der Architektur
So wird man es:

Ausbildung zum Bauwerksmechaniker für Abbruchtechnik
Das müssen Bewerber mitbringen:

Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Flexibilität, Bereitschaft zur Verantwortung, Lösungsorientierung
Das müssen Bewerber mitbringen:

mehrjährige Berufserfahrung im Umgang mit Maschinen und auf dem Bau
Durchschnittliches Monatsgehalt (brutto):

circa 34.000 Euro brutto als Einstiegsjahresgehalt
Durchschnittliches Monatsgehalt (brutto):

Das Einstiegsgehalt orientiert sich an den Vorgaben des deutschen Abbruchverbands und schwankt zwischen 10,64 Euro und 14,80 Euro pro Stunde, abhängig von der Vorbildung.