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Jobprotokoll einer Rettungsschwimmerin "Viele Gäste stehen nur da und gucken"

Für 22 Euro pro Tag rettet sie Ertrinkende und kassiert dazu noch blöde Sprüche. Hier erzählt eine Rettungsschwimmerin von ihrem Ehrenamt - und von der Untätigkeit anderer Badegäste, wenn jemand in Not ist.
DLRG-Rettungsschwimmer bei einer Übung an der Ostsee: "Die arbeiten wohl nie!"

DLRG-Rettungsschwimmer bei einer Übung an der Ostsee: "Die arbeiten wohl nie!"

Foto: Markus Scholz/ dpa

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Jobprotokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwalt oder Betreuerin im Jobcenter.

"Es wird immer schwieriger, für Sicherheit am Strand zu sorgen. Die Freiwilligen sterben aus und wir können an manchen Strandabschnitten nicht mehr für die Sicherheit garantieren.

Die Menschen verlassen sich auch zu sehr auf uns. Wenn ich nach Dienstschluss am Strand entlanggehe, sehe ich immer wieder Menschen, die kopfschüttelnd vor dem DLRG-Häuschen stehen. 'Warum sind die denn schon wieder nicht da?', fragen sie sich dann, 'die arbeiten wohl nie!'

Auch Eltern lassen ihre kleinen Kinder unbeaufsichtigt am Wasser spielen. Das ist sehr gefährlich! Ich rate allen Eltern, das erst zu tun, wenn das Kind das silberne Schwimmabzeichen hat. Erst dann kann man davon ausgehen, dass es einigermaßen sicher schwimmen und auch mit den Wellen umgehen kann, die es bei uns gibt. Von den Eltern wünsche ich mir mehr Verständnis. Ich bin schon mehrfach beschimpft worden, weil ich Kinder bat, nicht allein im Wasser zu spielen. Das geht einfach nicht. Denn wenn etwas passiert, geben genau diese Eltern mir die Schuld.

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Das anonyme Jobprotokoll: So sieht der Alltag wirklich aus

Was viele offenbar vergessen: Die Arbeit bei der DLRG ist ehrenamtlich. Eigentlich bin ich ausgebildete Fachkrankenschwester für Intensiv- und Anästhesiepflege und arbeite im Schichtdienst. Jedes zweite Wochenende habe ich frei und bin dann oft am Strand, um für die DLRG Leben zu retten, wenn es drauf ankommt.

Einmal ging ich am Strand entlang und sah eine ältere Frau in größerer Entfernung wild mit den Armen rudern. Offenbar war sie in Schwierigkeiten, das Wasser schlug immer wieder über ihren Kopf. Sofort rannte ich los und half ihr aus dem Wasser. Sie hatte die Wassertiefe falsch eingeschätzt.

Was mich besonders erschreckte, war die Reaktion der anderen Gäste. Viele standen da und guckten, einige gingen achtlos vorbei. Ich wünsche mir, dass die Menschen mehr aufeinander achten und sich gegenseitig helfen. Dann müsste sich nicht alle Welt auf uns verlassen.

In meiner Ausbildung zur Krankenschwester habe ich gelernt, Leben zu retten. Ich kann Menschen intubieren und Infusionen verabreichen. Aber bei der DLRG darf ich das alles nicht machen. Sobald ich das rote T-Shirt mit dem gelben Schriftzug trage, bin ich nicht mehr als Krankenschwester im Einsatz, sondern darf nur noch Aufgaben eines Sanitäters übernehmen: Pflaster kleben und Wunden desinfizieren. Auch Medikamente verabreichen darf ich nicht.

Für meinen Einsatz an den Stränden für die DLRG bekomme ich 22 Euro Aufwandsentschädigung pro Tag. Ich passe dann von 9 bis 18 Uhr auf die Badegäste auf. Von dem Geld muss ich mich auch noch selbst verpflegen. Auch meine Arbeitskleidung zahle ich selbst.

Das ist im Sommer auch kein Problem. Im Winter allerdings gehören nicht nur Badekleidung, T-Shirt und Hose zu unserem Outfit, sondern zum Beispiel auch Sicherheitsstiefel und spezielle Winterjacken. Da kommen schnell mehrere hundert Euro zusammen. Die meisten Jugendlichen können sich das nicht leisten, daher haben wir für die Jugendlichen, die bei uns helfen wollen, einen Kleiderfundus eingerichtet.

Ich bin seit 1996 als Rettungsschwimmerin bei der DLRG, bin Ausbilderin im Bereich Schwimmen und leite seit vielen Jahren unsere Gliederung als erste Vorsitzende. Eine Freundin nahm mich damals mit und ich bin geblieben. Mir macht die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen viel Spaß und der Zusammenhalt ist großartig.

Ein Kollege kommt schon seit 30 Jahren aus München an die See. Auch aus anderen Bundesländern kommen Freiwillige. Ohne sie würden wir die Arbeit nicht schaffen."