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Erfolgreich Bluffen "Dann haben wir Bonnie und Clyde gespielt"

Erfundene Mitbewerber, gefälschte Produkte: Wer Verträge für seine Firma aushandelt, muss bluffen, ohne rot zu werden. Hier verrät ein Spezialist für Preisverhandlungen die raffiniertesten Tricks.
Preisverhandlungen in Unternehmen: "Handeln ist ein bisschen wie Poker"

Preisverhandlungen in Unternehmen: "Handeln ist ein bisschen wie Poker"

Foto: Franz-Peter Tschauner/ picture alliance / dpa
Zur Person
Foto: Corbis

Mister X (Jahrgang 1976) arbeitet in einem großen deutschen Beratungsunternehmen. Als Spezialist für Preisverhandlungen ist er bekannt für unkonventionelle Tricks, wenn seine Kunden mit Lieferanten oder Industrieriesen um die besten Bedingungen ringen. Er möchte seinen Namen nicht nennen, weil es in der Branche als tödlich gilt, wenn jemand ausplaudert, wie es hinter den Kulissen zugeht.

KarriereSPIEGEL: Wo sitzen im Berufsleben die größten Bluffer?

Mister X: Im Handel, speziell in der Automobil-, Lebensmittel- und Baubranche, natürlich auch in der Politik und im Knast. Also überall dort, wo Sie mit guten Nerven viel gewinnen und mit schlechten viel verlieren können.

KarriereSPIEGEL: Bleiben wir beim Handel: Wann müssen Mitarbeiter aus Einkauf und Vertrieb bluffen?

X: Handeln ist ein bisschen wie Poker. Auch ein schlechtes Blatt kann gewinnen, wenn man keinen hineinschauen lässt. Den besten Preis erzielt, wer sich auf sein Blatt konzentriert und keine Miene verzieht. Plaudertaschen sind schnell tot.

KarriereSPIEGEL: Sie pokern auch in Ihrer Freizeit gern. Macht Sie das zu einem guten Bluffer?

X: Im Beruf werde ich eher dafür bezahlt, dass ich Bluffer enttarne. Ganz unspektakulär prüfen wir zunächst die Bücher unserer Kunden: Wer liefert was zu welchen Preisen? Erscheint ein Produkt zu teuer, beginnt das Spiel...

KarriereSPIEGEL: Sie wechseln den Anbieter?

X: Wir decken erst einmal nur den Bluff auf, machen den Verkäufern klar, dass sie überzogen haben und ertappt sind. Und weisen darauf hin, dass man nach dieser Erfahrung natürlich an andere Anbieter denkt.

KarriereSPIEGEL: Also Erpressung?

X: Nein, nein. Das läuft alles sehr freundlich ab - man beginnt mit Small Talk, bietet einen Kaffee an, macht einen Witz. Erst dann kommt das Thema auf den Tisch. Oft einigt man sich auf einen Kompromiss, man will ja eine verlässliche Geschäftsbeziehung nicht einfach canceln.

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Das neue SPIEGEL JOB: Ein Rundflug durchs Magazin

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KarriereSPIEGEL: Wann ist Zeit fürs Bluffen?

X: Wenn sich die Fronten verhärten, wie neulich bei einem großen Mittelständler. Nach einer Ausschreibung reichten vier Lieferanten vier Angebote mit nur leicht unterschiedlichen Preisen ein. Klar, die hatten sich abgesprochen. Einer sollte gewinnen, auf hohem Niveau, beim nächsten Mal vermutlich ein anderer. Also haben wir Bonnie und Clyde gespielt.

KarriereSpiegel: Das war ein berühmtes Gangsterpärchen, das schließlich von der Polizei mit 50 Kugeln durchsiebt wurde...

X: Wir haben die "Gauner" bei einer Liveauktion gestellt. Das geht so: Alle Lieferanten werden eingeladen, in getrennte Zimmer gesetzt und müssen ein Angebot abgeben. Das ist wie bei Ebay, niemand weiß, wer am Ende das Rennen macht. Außer hier: Die vier kannten ja die Angebote der anderen. Deshalb hatten wir einen fünften Anbieter eingeladen - nur ein Schauspieler, aber alle dachten, es sei ein neuer Konkurrent. Erst da sind die Preise gepurzelt.

KarriereSPIEGEL: Ganz schön hinterhältig.

X: Wieso? Die Lieferanten haben ja auch auf Risiko gespielt. Je höher der Einsatz, umso höher wird geblufft.

So geht Bluffen: Lernen von den Profis
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Ehrlich währt am längsten? Nicht dort, wo hoch gepokert wird. Wenn Argumente allein nicht zählen, muss das Gegenüber ausgetrickst oder überwältigt werden. Im Magazin SPIEGEL JOB erklären fünf Profis ihre Strategien in Kürze, darunter eine Zauberin, eine Paartherapeutin und ein Rechtspsychologe. Ausführlichere Interviews gibt es in dieser Bluffen-Serie .

KarriereSPIEGEL: Was war Ihr größter Bluff?

X: Ein Mittelständler fühlte sich erpresst, als ein Lieferant Mondpreise für ein Produkt aufrief, auf das er ein Monopol hatte. Es schien keine Möglichkeit zu geben, die Preise zu drücken. Also haben wir ein Täuschungsmanöver gestartet: Ein Messebauer zimmerte einen Showroom für 30.000 Euro. Produkt-Nachbauten in den Vitrinen sahen aus, als kämen sie aus Fernost, mit asiatischen Schriftzeichen. In Wahrheit alles Attrappen.

KarriereSPIEGEL: Darauf fällt doch niemand rein?

X: Doch, zum Glück. Wir hatten nichts dem Zufall überlassen. Nur ein kleiner Kreis war eingeweiht und streute vorab gezielt falsche Informationen. Als sich die Belegschaft wunderte, ließen wir durchsickern, wir hätten einen neuen Anbieter aufgetan. Die Sekretärin musste sogar Flüge nach Asien buchen. Natürlich wurde der Name der Firma nicht genannt, alles war "topsecret". So entstanden Gerüchte und landeten beim Monopolisten. Der hatte plötzlich Angst.

KarriereSPIEGEL: Ganz schön riskant. Was wäre passiert, wenn Sie überreizt hätten?

X: Der Monopolist hätte unseren Kunden für immer und ewig in der Hand gehabt - aber das hatte er ja ohnehin schon. In manchen Situationen heißt es "hopp oder top". Auch wenn das Herz bis zum Hals schlägt, muss man nach außen völlig cool bleiben. Das verlangt volle Konzentration. Bei solchen Aktionen überlässt man nichts dem Zufall, da wird jedes Wort, sogar jedes Lächeln vorher einstudiert.

KarriereSPIEGEL: Kann man Bluffen lernen?

X: Dafür muss man geboren sein, so etwas steht in keinem Buch. Bluffer haben oft viel Fantasie. Manchmal entstehen aus Quatsch-Ideen die größten Coups.

KarriereSPIEGEL Sind Sie selbst schon auf einen Bluff reingefallen?

X: Natürlich. Einmal war ich zu siegessicher und dachte, ich hätte den Auftrag schon in der Tasche. Plötzlich sagte der Kunde: "Es sind noch zwei Konkurrenten im Rennen" - und hat mich völlig überrumpelt. Ich bin nervös und fahrig geworden und habe schlecht verhandelt. Der raffinierte Schachzug hat unsere Firma die Marge in Höhe eines Sportwagens gekostet.

KarriereSPIEGEL: Wie du mir, so ich dir...

X: Das Schöne an meinem Beruf ist: Man merkt nur selten, dass man auf einen Bluff hereingefallen ist. Kein Geschäftspartner sagt nach Vertragsabschluss: "Ätsch, ich habe dich gefoppt." Sonst wäre der Bluff ja beim nächsten Mal nicht mehr zu gebrauchen.

KarriereSPIEGEL-Autorin Silvia Dahlkamp (Jahrgang 1967) arbeitet in einer Hamburger Redaktion und daneben als freie Journalistin.