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Wolfgang Rademann: Der Meister der Unterhaltung

Foto: imago

Zum Tod Wolfgang Rademanns Melodramen für Millionen

Wolfgang Rademann war der Produzent fürs Fernseh-Fernweh. Er brachte dem ZDF mit seinem "Traumschiff" und der "Schwarzwaldklinik" Traumquoten ein. Dabei wusste er stets: Dieser Erfolg kommt so nicht wieder.

Einmal landete ich in Bangkok. Direkt nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug stand dort eine Mitarbeiterin der Fluglinie, sie hielt ein Schild hoch: "Rademann/Wolfgang MR" stand darauf. Wenig später kam Rademann aus der Maschine, er war auf Motivbesichtigung für sein Traumschiff. Gerne schaute er vor Ort selbst nach dem Rechten. Sogar hier, an einem wildfremden Flughafen, 9000 Kilometer von seiner Heimat Berlin entfernt, wurde er erkannt und die Leute tuschelten. Ist das der Fernseh-Rademann? Eine Dame wollte ein Foto von ihm schießen. Sie liebe die Schwarzwaldklinik. Rademann gab ihr noch Reisetipps.

Er reiste gerne und viel. Berühmt war er dabei für seine Zeitungskiste. Egal wo er war, wollte er aktuellen Lesestoff. Deshalb wurde ihm stets eine Box mit allerlei Print-Erzeugnissen nachgeschickt, der SPIEGEL fiel wegen eines freizügigen Covers einmal sogar der Zensur zum Opfer und Rademann musste ihn in Deutschland nachkaufen. Er reiste so gern, dass er sich sogar einmal darüber mokierte, nur den Lufthansa-Vielfliegerstatus eines "Senators" zu haben, statt der begehrteren HON-Circle-Karte.

Doch ein Mann des Status war Rademann nicht. Noch nicht mal Lob wollte er hören, wenn sein Traumschiff mal wieder Traumquoten für das ZDF einfuhr. Er lebte für die Produktionsfirma Polyphon, deren Seele er war. Ihn Produzent zu nennen, würde viel zu kurz greifen - er war ein Fernsehunterhalter, der hinter der Kamera arbeitet.

Rademann produzierte Fernseh-Fernweh wie das "Hotel Paradies", "Das Traumschiff" oder Entertainment-Offerten, etwa die "Peter Alexander Show". Er arbeitete mit Harald Juhnke genauso wie mit Anneliese Rothenberger. Sein größter Hit aber war die Schwarzwaldklinik, diese Krankenhausromanze um einen gewissen Professor Klaus Brinkmann, dem Arzt, der sowohl Schusswunden behandeln als auch chemotherapieren kann, gedreht in kitschigster Kulisse zwischen Glottertal, Freiburg und Münstertal. Es soll Ärzte geben, die auch wegen der Schwarzwaldklinik Medizin studierten und hinterher enttäuscht waren, dass es selbst im Breisgau anders im echten Krankenhaus zugeht.

Immer wenn er mich sah, meistens zum Frühstück im Hamburger Hotel Atlantic (er hatte oft eine Plastiktüte mit Tageszeitungen und Zeitschriften dabei und rausgerissene Artikel in der Innentasche seines Sakkos), freute er sich diebisch und zog mich auf: Meine Kollegen widmeten der Schwarzwaldklinik 1985 eine spöttische SPIEGEL-Titelgeschichte ("kolossales Doktorspiel", "Mull-Halde") besonders ärgerte sich Rademann über die Formulierung "Romanze in Mull".

Dass die Serie ein Exportschlager werden würde und sich in 38 Länder verkauft, darunter England oder Südafrika, ahnte der SPIEGEL nicht. Rademann beendete dann die Lästerei stets mit "Is schon jut, men Jung" und lachte gewohnt laut und eigen. Sein Charme bestand vor allem im unverstellten Blick auf Menschen und Situationen, manchmal blaffte er einfach los, immer aber ehrlich, aufrecht, komisch und klug. Bei einer Rede zweier sehr blonder Frauen fläzte er auf einer Couch, starrte an die Decke und fand "dit Gerede langweilig".

Der gelernte Journalist ("B.Z.", "Stern") war Profi, auch wenn es um die Mediendarstellung seines Ouevres ging. Bei einem Set-Termin auf der "MS Deutschland", die lange als Traumschiff diente, servierte er einen Reporter der "Bild"-Zeitung mit den Worten ab: "Ach, dit jibt bei euch doch eh nur so ne Briefmarke janz hinten im Blatt." Bei eigentlich geheimen Dreharbeiten im Obermünstertal bei Freiburg für ein Revival der Schwarzwaldklinik im August 2004 tauchte Rademann auf und unterhielt das Team - und einen Journalisten.

Kam man im Gespräch mit ihm aufs große Ganze zu sprechen, die Zukunft des Fernsehens oder neue Projekte, war eines immer klar: Besser konnte es nicht mehr werden - weder für ihn, noch für seine Formate. Rademann hatte früh als TV-Produzent alles erreicht, was heute nicht mehr erreichbar ist. Mit seiner "Peter Alexander Show" benebelte er einst 70 Prozent der deutschen Fernsehhaushalte. Sagenhafte 20 Millionen Deutsche sahen früher jedes Mal sein "Traumschiff". Es war eine andere Zeit mit nur drei Fernsehsendern, und doch lag es auch und vor allem an ihm, dem Mann mit der richtigen Nase für die ganz großen TV-Stoffe. "Dit kommt so nich' wieder", resümierte Rademann einmal.