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Karin Wolffs Abschiedsbrief Warum die hessische Kultusministerin geht

Nach neun Jahren tritt Hessens stark umstrittene CDU-Kultusministerin zurück. In einem Schreiben an Noch-Regierungschef Roland Koch listet Karin Wolff auf, was sie für ihre Erfolge hält - und schlägt den beleidigten Ton einer unverstandenen Politikerin an.
Von Katrin Schmiedekampf

Nächste Woche wird Karin Wolff 49 und schenkt sich selbst ihren Rücktritt: Die CDU-Politikerin steht für die neue Legislaturperiode als hessische Kultusministerin nicht mehr zur Verfügung. Dieser Entschluss sei "seit einiger Zeit gereift", schrieb sie heute in einem Brief an Ministerpräsident Roland Koch, der auf der Homepage des Kultusministeriums veröffentlicht wurde. Damit endet eine lange Amtszeit mit "neun Jahren harter Arbeit", wie Wolff schreibt. 

Wie lange Wolff gezaudert und gehadert hat, schreibt sie nicht. Klar ist: Schon vor der hessischen Landtagswahl Ende Januar schlug ihr ein schneidender Wind entgegen. Die CDU erlebte ein Debakel mit einem Minus von zwölf Prozentpunkten. Auch Wolff verlor ihren Wahlkreis, zog aber über die Landesliste erneut in den Landtag ein.

Die großen Wahlkampfdebatten entzündeten sich zwar am Roland-Koch-Thema Jugendkriminalität und am SPD-Thema Mindestlohn. Doch für viele Hessen zählte bei ihrer Wahlentscheidung mehr die Bildungspolitik des Landes.

Dafür zeichnete Karin Wolff verantwortlich und wurde zunehmend zu "Kochs Problemfrau", obwohl sie zum engsten Führungskreis um den Ministerpräsidenten zählte. Sie machte sich unter anderem für die Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre (G8) stark. Den Schülern das gleiche Wissen in kürzerer Zeit eintrichtern zu wollen, sei unzumutbar und das Turbo-Abitur ein Diebstahl an der Kindheit, grollten etliche Eltern.

Entscheidung "in Rücksicht auf die eigene Person"

Durch die öffentliche Kritik ist Wolff erkennbar zerzaust und schreibt mit beleidigtem Unterton, dass sie "bei aller Selbstdisziplin manche der vorgebrachten Vorwürfe als ungerecht" betrachte - weil Hessen das Turbo-Abitur ja nicht im Alleingang eingeführt hat. Die bildungspolitische Debatte des letzten Jahres sei auf wenige Themen verengt worden, auch in anderen Bundesländern bestehe "Nachsteuerungsbedarf", schreibt sie an Roland Koch.

Ihre Leistungen sieht Wolff öffentlich nicht angemessen gewürdigt und zählt sie in ihrer persönlichen Bilanz auf, von der "vollen Unterrichtsversorgung" über den hohen Stellenwert der frühkindlichen Bildung bis zur "Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch Sprachkenntnisse".

Was in der Auflistung fehlt: der große Ärger, den die CDU-Ministerin sich wiederholt wegen ihrer Einstellung zum Kreationismus einhandelte. Im Jahr 2006 sprach sich Wolff dafür aus, die Schöpfungsgeschichte auch im Biologieunterricht zu behandeln. Obwohl sie massive Kritik erntete, wiederholte sie die Forderung 2007. Die Bibel in den Unterricht einzubeziehen, sei eine Chance für "eine neue Gemeinsamkeit von Naturwissenschaften und Religion"; im "modernen Biologieunterricht" sollten auch die Grenzen naturwissenschaftlich gesicherter Erkenntnis von Welt und Menschen eine Rolle spielen, so die frühere Lehrerin der evangelischen Religion.

Im Rückblick auf ihre neunjährige Amtszeit räumt sie in Anspielung auf das Turbo-Abitur lediglich ein, es sei "das Tempo der Reform in Hessen unbestreitbar hoch gewesen". Aber als Fehler beschreibt Wolff das nicht, sondern als "notwendig im Sinne der Kinder und Jugendlichen, die nur diese eine Schulzeit haben". So oder so: Aus "Rücksicht auf die eigene Person" werde sie weder einer neuen Landesregierung noch einer möglicherweise ab April nötigen geschäftsführenden Landesregierung zur Verfügung stehen.

"Ein Bauernopfer"

Roland Koch (CDU) zollte der Ministerin "Respekt" und dankte ihr für die "erfolgreiche neunjährige Arbeit". Sie habe das hessische Schulwesen erheblich modernisiert, zukunftsfähig gemacht. Neben Wolff will auch Wissenschaftsminister Udo Corts (der mit dem Fanclub) bald sein Amt niederlegen, wie er bereits im vergangenen Jahr angekündigt hatte.

Warme Abschiedsworte hatten die Gegner der Kultusministerin nicht parat. "Frau Wolff verantwortet eine Bildungspolitik, welche die soziale Auslese dramatisch verschärft hat, sie verantwortet chaotische Reformen", sagte die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti. Der Rücktritt sei überfällig. Allerdings liege die Verantwortung für die falsche Politik auch bei Koch, der seine Ministerin stets gestützt habe.

Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn wertete den Rückzug der Ministerin als "Eingeständnis der handwerklichen Fehler". Die Grünen sprachen von einem Bauernopfer, das davon ablenken solle, dass die Regierung Koch insgesamt mit ihrer Politik gescheitert sei.

"Es war klar, dass sie nicht mehr in ihrem Amt bleiben würde", sagte der Jochen Nagel, Vorsitzender Bildungsgewerkschaft GEW in Hessen. Mit ihrem angekündigten Rücktritt renne sie offene Türen ein. Es sei ja kein Geheimnis, dass Wolffs Bildungspolitik seit Jahren in "die falsche Richtung" gegangen sei, erklärte Nagel. Die Kultusministerin habe sich zunehmend "beratungsresistent" gezeigt, kritische Stimmen ignoriert und "gegen die Betroffenen" gehandelt. Kürzlich war Wolff auch aus dem Philologenverband ausgetreten, was dort kein erkennbares Bedauern auslöste.

Mit Material von dpa, ddp, AP, AFP