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Richtungsstreit in der katholischen Kirche Die Kardinalfrage

Sollen Frauen den Papst wählen dürfen? Wieso nicht, sagt ein US-Kardinal und bringt damit konservative Katholiken gegen sich auf. Sie wittern einen neuen Streich des bösen Papst Franziskus.
Joseph William Tobin

Joseph William Tobin

Foto: Claudio Peri/ picture alliance / dpa

Ausgerechnet zu Weihnachten machte US-Kardinal Joseph Tobin wieder einmal von sich reden. Gerade 65 Jahre alt ist er, mithin ein Jungspund im Kreis der 216 Kardinals-Eminenzen, von denen knapp hundert über 80 Jahre alt sind. Gerade ein Jahr gehört er nun diesem Kreis der höchsten Würdenträger der römisch-katholischen Weltkirche an. Doch statt demütiger Zurückhaltung liebt Tobin eine klare Sprache.

Vielleicht sei seine Theologie ja nicht allzu ausgefeilt, offenbarte der Nachwuchskardinal der "New York Times" . Aber er "sehe keinen zwingenden theologischen Grund, warum der Papst keine Frau zum Kardinal ernennen könnte". Und es vielleicht auch demnächst tue, habe er doch mehr wichtige Rollen für Frauen in der Kirche versprochen.

Die Empörung der Traditionalisten folgte unmittelbar. Tobin solle lieber "den Mund halten", schrieb ein Nutzer im Internet. Und ein weiterer assistierte, wie viele andere: "Der Weg hin zur Kirchenspaltung" zeichne sich immer deutlicher ab, "mit jedem Monat, den Papst Franziskus regiert."

Versuchsballon des Papstes?

Dass Franziskus die Worte seines Kardinals mit Verständnis, vielleicht sogar mit Wohlwollen aufnahm, ist durchaus möglich. Wer weiß, vielleicht war es ja auch tatsächlich abgesprochen. Schon zuvor gab es ähnliche Vorstöße enger Gefolgsleute des Papstes:

  • Der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper, 84 Jahre alt, hatte Aufsehen erregt, als er im April 2016 sagte, Frauen könnten theoretisch auch bei der Papstwahl mitstimmen, dagegen spreche kein göttliches Gebot. Nach Protesten formulierte er anderntags allerdings um: Er habe nur gesagt, "es sei schwierig sich vorzustellen, dass künftig auch Frauen den Papst mitwählen."
  • Wenig später fachte der Theologe und Priester Karl-Heinz Menke die Debatte erneut an: Der Papst könne durchaus Frauen in den Kardinalstand erheben. Das Recht zur Teilnahme an der Papstwahl, so der emeritierte Professor für Dogmatik und Theologische Propädeutik, sei "nicht zwangsläufig an die (Priester-) Weihe gebunden".

Franziskus "der Spalter"

Kasper ist Ratgeber von Franziskus, Menke ist Mitglied der Studienkommission, die in päpstlichem Auftrag erforscht, was früher Frauen - als Diakoninnen - alles machen durften. Nun folgt US-Kardinal Tobin. Dass auch hinter dessen Vorstoß der Papst steckt, gilt bei den Gegnern des Kirchenoberhaupts als ausgemacht.

Bei den erzkonservativen Katholiken in den USA ist Papst Franziskus ohnehin unten durch. Für deren Wortführer, zum Beispiel Phil Lawler, Gründer und Autor der "Catholic World News", oder dem vom Islam zum Katholizismus bekehrten Publizist Sohrab Ahmari, ist Franziskus "der Spalter" der heiligen Kirche.

Ob bei der Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene, dem Status der Lateinischen Messe, dem guten vatikanischen Verhältnis zum kommunistischen Regime Chinas und jetzt auch noch mit dem drohenden Einzug von Frauen ins Kardinalskollegium: Immer stehe der Papst gegen seine strenggläubigen Schäfchen. Das ist wohl so. Aber ist das schlimm?

Müssen Kardinäle unbedingt Priester sein?

Was so furchtbar daran wäre, wenn auch Frauen ein Stimmrecht bei der Papstwahl hätten, erklären die Franziskus-Kritiker nicht. Können Frauen generell nicht richtig wählen? Oder nur keinen Papst? In dem Fall, mit Verlaub, hätten die konservativen Kardinäle ihren Job verpatzt, weil sie einst den Papst kürten, den sie jetzt kritisieren. Und ist es nicht ohnehin tendenziell die "göttliche Eingebung", die bei der Papstwahl das Regiment führt? Und erreicht diese Frauen nicht?

Warum also sollen Frauen nicht Kardinal werden dürfen?

Weil Frauen nicht Priester werden können und nur Priester Kardinal werden können, heißt es. Und das klingt klar und irgendwie logisch. Nur, diese Regel wurde erst 1917 eingeführt. Vorher konnten auch Nicht-Priester Kardinal werden - der letzte war Theodulf Mertel, gestorben 1899.

In den Jahrhunderten davor gab es viele Kardinäle, die keine Priesterweihe hatten. Mit dem Kardinalstitel für einen Angehörigen machten die Päpste regelmäßig politische Tauschgeschäfte mit den europäischen Königs- und Fürstenhäusern. Da gab es keine theologischen Bedenken.

So ist es in der Tat eher eine Klausel in der aktuellen Verfahrensordnung der Katholiken-Organisation und kein göttliches Gebot, dass nur ein geweihter Priester zum Kardinal befördert werden darf.

Aber auch Frauen? Sie sind so anders, als es viele Kirchenleute gewohnt sind. Die sind ja schon mit Personen wie dem Amerikaner Tobin überfordert.

Erzbischof Joe in der Muckibude

2012 wurde Tobin Erzbischof von Indianapolis. Gewöhnlich hat man da Chauffeur und Personal fürs Heim. Tobin, ältestes Kind in einer irisch-stämmigen Großfamilie, mit acht Schwestern und vier Brüdern, saß weiter selbst am Steuer seines alten Chevy Tahoe, räumte nach dem Essen das Geschirr ab, kochte oft selber, stand um 4 Uhr in der Frühe auf, damit er um 5.30 Uhr im Fitnessstudio schwere Gewichte stemmen konnte. Ein Jahr lang, bis ihn jemand als Erzbischof identifizierte, war er dort nur der "Joe".

Er mag Musik von Bob Seger, spielt Klavier, spricht fünf Sprachen, hat sich um Aidskranke gekümmert und um Flüchtlinge. Nur seine Jobs für die Amtskirche gingen meist daneben. So, als er den verdächtig weltlichen Einstellungen und Lebensweisen amerikanischer Nonnen im Auftrag des Vatikans nachspüren sollte. Denn er fand die einfach allesamt "extrem positiv".

Da war Tobins Vorgänger in Newark im Bundesstaat New Jersey, von anderer Statur. Erzbischof John J. Myers wurde selbstverständlich mit "Euer Gnaden" angeredet. Gut, er kam ins Gerede, weil er des Missbrauchs von Kindern überführte Täter weiterhin auf ihren Kirchenjobs beließ. Und weil er, als er mit 75 Jahren pensioniert und durch Tobin ersetzt wurde, sein Privathaus für 500.000 Dollar renovieren ließ. Auf Kirchenkosten, wie es hieß. Doch das hat die konservativen US-Katholiken nie gestört. Myers hat ja auch nie von weiblichen Kardinälen geredet.