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Feuerwehrmann festgenommen War der Anschlag auf die Asylunterkunft der »Endpunkt« einer Brandserie?

Ein Feuerwehrmann soll eine Unterkunft für Flüchtlinge aus der Ukraine angezündet haben. Die Ermittler verdächtigen ihn wegen Widersprüchen in seinen Aussagen – und rätseln über sein Motiv.
Von Jean-Pierre Ziegler, Schwerin
Unterkunft für Geflüchtete in Schwerin: Von einem Feuerwehrmann angezündet?

Unterkunft für Geflüchtete in Schwerin: Von einem Feuerwehrmann angezündet?

Foto: Jens Büttner / dpa

Der Verdächtige fing klein an, glauben die Ermittler. Steckte eine Hecke an, auch ein Waldstück. Ein Carport brannte ab, später Hunderte Strohballen. Und dann, so der Vorwurf, suchte er sich ein gefährlicheres Ziel: eine Unterkunft, in der Menschen lebten, die aus der Ukraine geflüchtet waren.

Er wusste, was er tat, denn der Verdächtige ist Feuerwehrmann. Eigentlich zuständig dafür, Brände zu bekämpfen. Stattdessen soll er sie gelegt haben, immer wieder. 19 Mal, vermuten die Ermittler. Danach soll er geholfen haben, die von ihm selbst entfachten Feuer wieder zu löschen.

Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat an diesem Mittwoch kurzfristig zu einem Pressegespräch geladen. Sie informiert über einen Fall mit großer Brisanz: den Brand einer Flüchtlingsunterkunft. In dem Ort Groß Strömkendorf bei Wismar zerstörte ein Feuer am 19. Oktober ein ehemaliges Hotel; das Haus brannte bis auf die Grundfesten nieder.

Die Bewohner und Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) konnten sich vor den Flammen retten, niemand wurde verletzt. Kurz vor dem Brand hatte jemand ein Hakenkreuz an ein Schild vor dem Gebäude geschmiert. Der Verdacht, dass es sich um einen rassistischen Anschlag handeln könnte, lag nahe.

Doch die Ermittler gehen inzwischen von einer anderen Sachlage aus: einem notorischen Brandstifter, der selbst Feuerwehrmann ist. Der Verdächtige ist Mitglied einer Berufsfeuerwehr und einer Freiwilligen Feuerwehr. Sein Motiv? Unklar. Der Mann bestreitet die Taten.

Am frühen Mittwochmorgen wurde der 32-Jährige festgenommen. Er sitzt in Untersuchungshaft. Die Ermittler werfen ihm schwere Brandstiftung in einem Fall und Brandstiftung in drei weiteren Fällen vor. Oberstaatsanwältin Claudia Lange sprach von einer Serie, die sich steigerte – bis zu einem »Endpunkt«, dem brennenden Heim.

Widersprüche in den Aussagen

Die Ermittler gaben nur wenig über den Mann bekannt. Der 32-Jährige lebt in der Region, in der die Brandserie vermutet wird: im Gebiet des Amtes Neuburg bei Wismar, zu dem sechs Gemeinden gehören. Seit seiner Jugendzeit habe der Verdächtige mit der Feuerwehr zu tun, sagt Ermittlungsleiter Ronald Sommer. Bis auf eine Sachbeschädigung, die länger zurückliege, sei er nicht polizeibekannt. Auch der Staatsschutz habe keine Erkenntnisse über ihn.

Die Ermittler sagen, der Mann sei zunächst wie alle anderen an dem Einsatz in Groß Strömkendorf beteiligten Feuerwehrleute als Zeuge vernommen worden. Dabei hätten sich Widersprüche ergeben, die nicht zu anderen Aussagen passten.

Ein Team von 13 Fahndern ging dem Kriminalfall nach, die »Ermittlungsgruppe Hotel«. Darunter Fachleute für Staatsschutz, Wirtschaftskriminalität, Tötungsdelikte. Mehr als 120 Zeugen habe man gehört, sagt Ermittlungsleiter Sommer. Schwerpunkt der Arbeit sei ein politisches Motiv gewesen, man habe allerdings auch in andere Richtungen ermittelt.

Die Widersprüche in den Aussagen des 32-Jährigen brachten die »EG Hotel« offenbar auf seine Spur. In vier Fällen habe man dank Zeugen und anderer »objektiver Spuren« nachweisen können, dass der 32-Jährige schon vor den Bränden am Tatort war. Dies sei gelungen beim Brand eines Waldgebiets im Juni und eines Carports im August. Außerdem beim Brand Hunderter Strohballen auf einer Ackerfläche im September – und schließlich bei der Unterkunft im Oktober. Dort habe der Mann das Reetdach der Einrichtung angezündet.

In 15 Fällen wird noch ermittelt

In diesen Fällen bekomme man den Mann schon »vorher dort fokussiert«, so drückt es Staatsanwältin Lange aus. Deswegen sei der Feuerwehrmann in diesen vier Fällen dringend tatverdächtig. Bei den übrigen 15 Taten dauerten die Ermittlungen an. Dennoch rechnen Staatsanwaltschaft und Polizei sie einer Brandserie zu.

Welche »objektiven Spuren« den Mann belasten, lassen die Ermittler offen. Lange sagt, in einem Fall sei der Mann dabei beobachtet worden, wie er kurz vor dem Brand mit seinem Wagen zum Tatort und kurz nach dem Brand davongefahren sei.

Auch die Frage nach einem Motiv bleibt vorerst unbeantwortet. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Verdächtige das Hakenkreuz an das Schild der Einrichtung geschmiert habe, das kurz vor dem Brand entdeckt worden war. Allerdings gehe man davon aus, dass er gewusst habe, dass in dem ehemaligen Hotel Geflüchtete lebten. Und auch, dass sie sich zum Tatzeitpunkt im Haus befanden. Es waren drei DRK-Leute und 14 Geflüchtete, darunter ein Kleinkind, das gerade ein Jahr alt war.