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Begräbnisstätte Arafats unerfüllbarer letzter Wille

Arafat liegt im Koma. Es wirkt fast so, als werde er nur noch so lange von Maschinen am Leben gehalten, bis seine Mitstreiter in Ramallah und Gaza die Macht neu verteilt haben. Sein sehnlicher Wunsch war es, eines Tages in Jerusalem beerdigt zu werden. Doch Israel will das verhindern. Es droht ein unwürdiges Gezerre.
Von Yassin Musharbash

Ramallah - Mehrere Stunden lang wurde der Leichnam im Schritttempo auf einer Geschützlafette durch die Stadt gefahren. Zu dem anschließenden, sehr ruhigen und würdigen Begräbnis waren Staatsmänner und -frauen aus der gesamten Welt angereist. In Deutschland übertrug sogar das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Trauerfeier. Das war im Februar 1999, und der solchermaßen Geehrte war der verstorbene jordanische König Hussein.

Eine so geordnete Beerdigung ist im Falle des im Sterben liegenden Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat ganz und gar undenkbar. Bisher ist völlig unklar, wo "Abu Ammar" überhaupt beigesetzt werden soll. Er selbst hat wiederholt den Wunsch geäußert, dies möge in Jerusalem geschehen, der Stadt, die er als die Hauptstadt Palästinas ansah.

Am liebsten, so wollen es auch Arafats Anhänger, auf dem Vorplatz der drittheiligsten Stätte des Islams, der al-Aqsa-Moschee. Doch die israelischen Behörden, allen voran Ministerpräsident Scharon, sind ganz entschieden dagegen: Fände Arafat eine dauerhafte Ruhestätte an diesem Ort, so fürchten sie, bekäme der Anspruch der Palästinenser auf den Ostteil der Stadt eine weitere Grundlage.

Nun droht ein unwürdiges Gezerre um den Leichnam des verstorbenen 75-Jährigen. Im schlimmsten Falle könnten Arafat-Getreue versuchen, den Sarg mittels einer Massenprozession nach Jerusalem zu bringen. Griffe die israelische Armee oder Polizei ein, käme es zu hässlichen Bildern. Allenfalls in Abu Dis, einem Vorort Jerusalems, wollen die Israelis eine Begräbnisstätte zur Verfügung stellen, heißt es.

2,3 Kilometer bis zum Tempelberg

Der Hintergrund ist, dass in Abu Dis bereits seit Jahren ein großes, fast fertiges, aber gespenstisch leeres Gebäude steht - das nie bezogene palästinensische Parlament. Als der Bau begonnen wurde, gab es noch Hoffnung, die beiden Parteien würden sich einigen, und Abu Dis, dann in das Stadtgebiet Jerusalems offiziell eingegliedert, könnte die palästinensische Hauptstadt werden. Bis ins Details war der Plan durchdacht: Das palästinensische Parlament wäre mit 2,3 Kilometern genau so weit vom Tempelberg, der auch die den Juden heilige Klagemauer beherbergt, entfernt wie die Knesset - das israelische Abgeordnetenhaus. Von Abu Dis hat man sogar einen Blick auf die goldene Kuppel des Felsendoms, des berühmtesten Wahrzeichens der Stadt. Er steht direkt neben der al-Aqsa-Moschee. Auch der palästinensische Premierminister Ahmad Kurei lebt hier.

Die Palästinenser sind mit dem Gedanken, Arafat in Abu Dis zu beerdigen, nicht einverstanden. Zu wenig symbolisch wäre diese Begräbnisstätte, zumal mittlerweile die acht Meter hohe Sperranlage den Ort in einen Jerusalemer und einen Westbank-Teil zerschneidet. Schon lange ist keine Rede mehr davon, Abu Dis als Ganzes könnte Teil der Stadt Jerusalem werden; damit fällt er aus palästinensischer Sicht aus als denkbare Ruhestätte für den ersten gewählten Präsidenten, den die Palästinenser je hatten.

Alternative Szenarien sind indes vorstellbar. In Gaza, verlautete kürzlich aus Israel, könne man ihn ja ruhig beerdigen. Schließlich hat Arafat hier seine eigentliche Residenz; erst seit der Verhängung eines Hausarrests durch die israelische Regierung vor knapp drei Jahren lebte Arafat in Ramallah, der heimlichen Hauptstadt der palästinensischen Gebiete. Offen würden die Palästinenser dies zwar nie zugeben, doch unter der Hand können sich einige eine Beisetzung in Gaza vorstellen. Von israelischer Seite gibt es Signale, dass in diesem Fall auch ein Staatsakt denkbar sei. Noch ist unklar, wie die Palästinenser auf diesen Vorschlag reagieren werden. Weniger wahrscheinlich ist Idee, Arafat könnte in Ramallah seine letzte Ruhestätte finden. Sicher scheint nur, dass die palästinensische Bevölkerung Jerusalem den Vorzug geben würde.

Hunderttausende Trauergäste erwartet

Von der Festlegung des Begräbnisortes dürfte auch die Form der Trauerfeierlichkeiten abhängen. Traditionell werden Muslime am Tag nach ihrem Tod beerdigt; ob sich dies für den in Paris Verstorbenen realisieren lässt, ist unsicher. Viel Zeit aber wird gewiss nicht verstreichen.

Dann dürfte es zu einer Massenprozession mit dem zur Schau gestellten Sarg in der Mitte kommen - so gut wie jede Palästinenserin und jeder Palästinenser, dem es möglich ist, wird versuchen, einen letzten Blick auf den "Ra'is" zu erhaschen. Insbesondere im Falle einer Bestattung in Gaza oder Ramallah wird mit Hunderttausenden zu rechnen sein. Einen Eindruck davon, wie das aussehen könnte, konnte man erhalten, als im März dieses Jahres der Hamas-Gründer Scheich Ahmad Jassin von der israelischen Armee getötet wurde und Zehntausende sich zu einem Trauermarsch im Gazastreifen formierten.

Nur im kleinen Kreis würde sich hingegen wohl eine mit Israel abgesprochene Beisetzung in Jerusalem oder Abu Dis vollziehen lassen. Die Sorge, es könnte anschließend zu Ausschreitungen und wütenden Demonstrationen kommen, ist auf israelischer Seite zu groß. Schließlich war Arafat das menschliche Symbol aller nationalen Bestrebungen der Palästinenser, sein Tod mithin eine historische Zäsur.