Zum Inhalt springen

Jugoslawien Schlagstöcke gegen Demonstranten

In Jugoslawien überschlagen sich die Ereignisse: Serbische Polizisten gingen mit Tränengas gegen Oppositionelle vor. Das Verfassungsgericht soll entschieden haben, dass die Präsidentenwahl wiederholt werden muss.

Belgrad - Tausende Demonstranten hatten versucht, das Parlamentsgebäude in Belgrad zu stürmen. Die Polizisten setzten Schlagstöcke und Tränengas ein, um dies zu verhindern. Aus ganz Serbien waren im Laufe des Vormittags trotz der Polizeiblockaden zehntausende in der Hauptstadt eingetroffen. Am Nachmittag soll vor dem Parlament eine Großkundgebung der Demokratischen Opposition (DOS) stattfinden. Nach unbestätigten Berichten haben Behörden diese Veranstaltung mittlerweile verboten.

Redakteure und Angestellte des amtlichen serbischen Staatsfernsehens RTS streiken, um eine objektive Berichterstattung zu erzwingen. Dem Streikaufruf schlossen sich zunächst etwa 1500 der insgesamt 7500 Angestellten an, meldete die Nachrichtenagentur Beta.

Mehr als 100 RTS-Mitarbeiter wurden bereits entlassen, weil sie seit Tagen im Streik sind. Auch die Journalisten der regimetreuen Belgrader Zeitung "Politika" haben für Donnerstag eine Abstimmung über einen Streik zur Änderung der redaktionellen Politik geplant.

Das Verfassungsgericht entschied unterdessen, dass die Präsidentenwahlen wiederholt werden müssen. Das sagte der Gerichtspräsident Milutin Srdic dem Radiosender Radio Free Europa in einem Interview, das im Internet verbreitet wurde. Die erste Runde der Wahl in Jugoslawien sei annulliert, sagte er. Auf die Frage, ob dies komplett neue Wahlen bedeute, sagte Srdic: "Genau so ist es." Es werde keine zweite Wahlrunde geben. Srdic sagte außerdem, diese Entscheidung sei endgültig. Zunächst gab es keine direkte Bestätigung durch die Belgrader Behörden für diese Entscheidung. Auch der Zeitpunkt der nächsten Wahlen ist noch unklar. Möglicherweise wird sie erst im Juni 2001, also nach Ende der Amtszeit von Präsident Slobodan Milosevic, über die Bühne gehen.

Die Oppositionspartei DOS lehnte eine Wiederholung der Wahlen bereits ab. "Es gibt keine Neuwahlen, für uns sind die Wahlen am 24. September beendet, und unser Kandidat Vojislav Kostunica hat sie gewonnen", sagte Dragan Veselinov, einer der Parteiführer dem unabhängigen Radio Pancevo. Die DOS hatte bis Donnerstagmittag nicht den vollständigen Text der Entscheidung Gerichts erhalten. Die Opposition hatte vergeblich versucht, Kontakt zum Gericht aufzunehmen, sagte DOS-Vertreter Nebosja Bakarac. Er bezeichnete diese "Selbstisolierung" des Verfassungsgerichts als die Tat von "Marionetten des abgehenden Regimes".