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Republikaner-Vorwahl in Florida Romney gewinnt, Gingrich kämpft weiter

Der Favorit hat gewonnen, der Verlierer verkennt die Signale: Trotz seiner deftigen Vorwahl-Niederlage in Florida will Newt Gingrich nicht aufgeben. Zwar kann er Mitt Romney die Nominierung als Obama-Herausforderer kaum noch nehmen. Aber er kann den Spitzenreiter beschädigen - und die Partei spalten.

Als Mitt Romney weiß, dass er die Wahl gewonnen hat an diesem Abend in Florida, tritt er vor seine Anhänger auf die Bühne - und wirbt schon wieder um Stimmen. "Wählt mich! Lasst uns um jenes Amerika kämpfen, das wir lieben", ruft er.

Er meint die Präsidentschaftswahl im Herbst. Nach seinem 46-Prozent-Triumph bei der republikanischen Vorwahl im "Sunshine State" ist Romney die Kandidatur wohl nicht mehr zu nehmen. Amtsinhaber Barack Obama weiß seit Dienstagabend, 20 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, wer sein Gegner sein wird. Ab Donnerstag wird Romney vom Secret Service beschützt werden, meldet der Nachrichtensender ABC. Die Insignien eines Kandidaten.

Romney selbst probt jetzt schon mal den Herbst: Er attackiert Obama beim Thema Gesundheitsreform, verspricht eine "neue Ära amerikanischer Prosperität", einen ausgeglichenen Haushalt und jede Menge Führungsqualitäten sowieso. Proppenvoll ist der Saal, jeder hat eine Mini-US-Fahne in der Hand und das "Go Mitt go!" auf den Lippen.

Er gegen Obama. Das ist der Zweikampf, den Mitt Romney jetzt führen will. Er ist ein geeigneter Herausforderer für den Präsidenten - den Umfragen zufolge war dies auch das entscheidende Motiv für Floridas Republikaner: Nahezu 50 Prozent der Wähler gaben an, dass ihnen die Chancen ihres Kandidaten gegen Obama am wichtigsten seien. Wichtiger etwa als die Frage, ob der eigene Mann ein "wahrer Konservativer" sei oder nicht.

In Orlando, eine gute Autostunde von Romney entfernt, tritt kurz darauf Newt Gingrich auf die Bühne. Auf 31 Prozent ist der Sieger von South Carolina in Florida abgeschmiert; einem Staat, den er hätte gewinnen müssen, um Romney noch zu stoppen. Doch das ficht den 68-Jährigen an diesem Abend nicht an. Ganz im Gegenteil. Er ruft ebenfalls einen Zweikampf aus. "Jetzt ist klar, dass es ein Rennen zwischen dem konservativen Anführer Newt Gingrich und dem Moderaten aus Massachusetts werden wird", ätzt er gegen Romney, den Ex-Gouverneur dieses Nordstaats.

Gingrich gibt nicht auf: "46 States to go"

Gingrich meint das ernst. Er will Romney vor sich hertreiben, über Monate. Wenn nötig bis zum Parteitag im Spätsommer in Tampa, wo die Republikaner ihren Kandidaten küren wollen. Gingrichs Leute haben eigens Plakate drucken lassen für diesen Abend der Niederlage von Florida: "46 States to go", steht darauf - noch 46 Staaten, die ihre Vorwahlen abhalten. Noch Hunderte Delegierte sind für den Parteitag zu gewinnen, noch mehr als 90 Prozent aller Stimmen offen.

So erkennt Gingrich in diesem halbleeren Ballsaal von Orlando die Niederlage einfach nicht an, er gratuliert Romney nicht. War was? Er tut sogar so, als hätten ihn die Wähler in seinem Kurs bestätigt. Dabei hat er quer durch die Bank verloren, in fast allen Wählergruppen - Frauen, Latinos, Weiße. Die Einzigen, die Gingrich gewinnen konnte, waren "sehr Konservative" und "evangelikale Christen." Trotzdem schwört er, nicht aufzugeben: "Wir werden in jedem Ort kämpfen und wir werden gewinnen, und wir werden im August als der Kandidat in Tampa sein", ruft er im Pluralis Majestatis.

Nun ist man ja einiges gewohnt von Gingrich (Mondkolonie), aber Realitätsverweigerung solch krasser Art? "Das war bizarr", sagt der ehemalige Präsidentenberater David Gergen anschließend auf CNN. Gergen arbeitete unter anderem für Ronald Reagan, als dessen "legitimen Erben" sich Gingrich fortwährend bezeichnet.

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Vorwahl in Florida: Romney nimmt Revanche

Foto: BRIAN SNYDER/ REUTERS

Klar ist: Die nächsten Wochen versprechen gute Nachrichten für Romney, schlechte für Gingrich. In den Februar-Vorwahlstaaten Nevada, Maine, Minnesota, Michigan gilt schon jetzt Romney als Sieger. Es wird wohl ein trüber Monat für Gingrich werden, auch die nächste TV-Debatte; ein Format, das Gingrich stets für sich zu nutzen wusste - steht erst am 22. Februar auf dem Programm. Seine Strategen setzen jetzt ganz auf den "Super Tuesday" am 6. März - jenen Tag, an dem in zehn Staaten gewählt wird, darunter einige eher Gingrich gewogene Südstaaten.

Um weiterzumachen braucht der skandalumwitterte Ex-Parlamentspräsident allerdings eine Menge Geld, das er im Gegenteil zu Romney (noch) nicht hat. Schon in Florida haben sich beide Kandidaten eine Schlammschlacht mit TV- und Radiospots geliefert. Hauptperson in fast allen Romney-Spots war Gingrich - und umgekehrt. Romney und ihm nahestehende Gruppen investierten gut 15 Millionen Dollar, auf Gingrichs Seite summierten sich die Ausgaben auf knapp vier Millionen. Zum Vergleich: John McCain, der Republikaner-Präsidentschaftskandidat von 2008, setzte während seiner gesamten Vorwahl-Kampagne nur elf Millionen Dollar ein.

Unendliche Suche nach dem konservativen Anti-Romney

Geld allein ist allerdings nicht die einzige Sorge Gingrichs. Zwar ist offensichtlich, dass Romney keinen Kontakt zur nach rechts gerückten Basis der Republikaner findet - in nationalen Umfragen kommt er über die 35-Prozent-Marke kaum hinaus. Doch hat sich Gingrich entgegen seines Anspruchs bisher keineswegs als der konservative Anti-Establishment-Einheitskandidat zeigen können. Er schiebt das auf Rick Santorum, den Hardcore-Katholiken aus Pennsylvania, der trotz seiner 13-Prozent-Pleite in Florida weiter im Rennen bleiben will - und damit das konservative Lager spaltet.

Allerdings zeigen Umfragen, dass die Anhänger Santorums im Falles eines Ausscheidens ihres Kandidaten keineswegs geschlossen zu Gingrich (drei Ehen, zig Affären) überlaufen würden. Ganz im Gegenteil, in einem solchen Fall wäre Romney (eine Ehe) der Wunschkandidat vieler Santorum-Leute. Deshalb setzt nun seinerseits Santorum darauf, dass Gingrich nach der Florida-Pleite in die Krise gerät und dessen Anhänger wiederum zu ihm überlaufen. Die Republikaner als Tohuwabohu-Partei.

Längst sorgen sich Parteigranden, dass Gingrichs Trotz die Republikaner in die Bredouille bringen und den Wahlkampf gegen Obama massiv erschweren könnte. Romney versucht das bei seiner Sieger-Rede in Tampa beiseite zu wischen. Die Polit-Schlammschlacht mit Gingrich nennt er einen "Wettbewerb, der uns nicht spaltet, sondern vorbereitet". Der Nominierungsparteitag im Sommer, kündigt Romney an, werde eine "geeinte Partei mit einem Gewinnerkandidaten" erleben. Wirklich?

Bei Gingrich klingt das alles ein bisschen anders. Er werde so lange gegen Romney kämpfen, "bis der aus dem Rennen aussteigt". Schon am Montag hatte Gingrich auf die Möglichkeit einer sogenannten brokered convention angespielt: eines Republikaner-Parteitags, auf dem keiner der Kandidaten die Mehrheit der Delegierten hinter sich hat und sodann mehrere Wahlgänge und eine Menge Tauschgeschäfte hinter der Bühne nötig sind. "Wenn man alle Anti-Romney-Stimmen zusammenzählt, dann wird sehr deutlich, dass es auf dem Parteitag keine Romney-Mehrheit geben wird", verkündete Gingrich. Und fügte an: "Mein Job ist es, diese in eine Pro-Gingrich-Mehrheit zu wandeln."

Gingrich hat offenbar nichts mehr zu verlieren. Der Wut-Newt riskiert die Spaltung der Partei.