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Machtkampf in der AfD Zermürbungskrieg gegen Petry

Lange haben die AfD-Politiker Gauland und Höcke gezögert, die Parteivorsitzende Petry herauszufordern. Nun häufen sich die Angriffe. Anlass ist der Streit um einen Landesverband - doch es geht um viel mehr.
AfD-Vorstandssprecherin Frauke Petry

AfD-Vorstandssprecherin Frauke Petry

Foto: Wolfgang Kumm/ dpa

Marcus Pretzell macht sich nicht viel Mühe, seinen Ärger zu verbergen. "Beide verfügen über meine Telefonnummer und haben sich bislang nicht bei mir gemeldet, um Aufklärung zu erfahren", schreibt der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende auf seiner Facebook-Seite.

"Beide" - damit sind AfD-Vize Alexander Gauland und der Thüringer AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke gemeint. "Beide" kennen sich lange, arbeiten eng zusammen, telefonieren regelmäßig. Gauland und Höcke verbindet vor allem eines: eine gemeinsame Abneigung gegen Marcus Pretzell und dessen Lebensgefährtin, AfD-Chefin Frauke Petry. Dabei geht es auch um die Frage, wie weit rechts die AfD stehen soll.

Lange haben Gauland und Höcke gezögert, die offene Konfrontation mit Pretzell und Petry zu suchen. Noch im Sommer vergangenen Jahres, bei einem Treffen mit Journalisten im Berliner Café Einstein, an dem auch Petrys Kovorsitzender Jörg Meuthen teilnahm, ging die AfD-Gruppe mit dem Paar ins Gericht. Weil sie den Frontalangriff nicht wagten - die Journalisten wurden um Verschwiegenheit gebeten -, galten sie als kraftlose Meuterer. "Trio ohne Fäuste" überschrieb der SPIEGEL damals seinen Bericht.

Das Duo zeigt seine Fäuste

Nun haben Gauland und Höcke ihre Fäuste zumindest schon einmal gezeigt. Anlass war ein Bericht des "Stern" . Dort wurde über eine anscheinend Pretzell nahestehende WhatsApp-Gruppe in der nordrhein-westfälischen AfD berichtet, die Wahlen zur Landesliste so organisiert habe, dass nur ihnen genehme Kandidaten auf die aussichtsreichsten Plätze gekommen sein sollen.

Gauland und Höcke reagierten prompt. In einer gemeinsamen Presseerklärung schreiben sie über den Machtkampf, der wohl auch unter Inkaufnahme unlauterer Mittel ausgefochten werde. Die Wahl der Landesliste müsse durch das Schiedsgericht überprüft werden. Die AfD wolle keine Partei der Strippenzieher und der Mauscheleien in Hinterzimmern oder über soziale Netzwerke sein. Pretzell bestreitet eine Verbindung, er sei "weder Mitglied der Gruppe noch handelt es sich um eine von mir gesteuerte Gruppe".

Die Aktion von Gauland und Höcke geht weit über Pretzell hinaus, heißt es in der Partei. "Das ist ein Stellvertreterkrieg, Gauland und Höcke zielen auf Petry", sagte ein AfD-Führungsmitglied am Donnerstag zu SPIEGEL ONLINE.

AfD-Vize Gauland und Petry in Berlin

AfD-Vize Gauland und Petry in Berlin

Foto: Bernd Von Jutrczenka/ dpa


Tatsächlich braute sich in den vergangenen Tagen etwas gegen die Vorsitzende zusammen. Am vergangenen Freitag schaffte es Gauland, im Bundesvorstand einen Antrag durchzubringen, der nun eine Teamlösung für den kommenden Bundestagswahlkampf vorsieht. Im April soll auf dem AfD-Bundesparteitag in Köln eine Mannschaft gewählt werden. Manche in der Partei glauben, die Teamlösung ziele nicht nur darauf ab, Petry einzurahmen. "Man sagt Team, aber man meint Höcke", heißt es. Höcke repräsentiert den rechten Flügel. Am Donnerstagabend sprach sich Gauland gegenüber dpa für Höcke als Teil des Teams aus: "Dass Björn Höcke zu diesem Team gehört, kann ich mir sehr gut vorstellen, denn er vertritt einen großen Teil der Partei." Zuvor hatte bereits mit André Poggenburg, AfD-Fraktionsschef in Sachsen Anhalt und ebenfalls auf dem rechten Flügel verortet, Höcke als Teil des Teams ins Gespräch gebracht.

Ein Coup gegen Petry

Mit der Teamlösung haben Gauland und Höcke zumindest einen strategischen Coup gelandet und verhindert, dass Petry kurzfristig alleinige Spitzenkandidatin werden kann, nachdem ihr Kochef Meuthen bekannt gab, nicht für den Bundestag zu kandidieren.

Zwar hatte die sächsische Landes- und Fraktionschefin bislang nie öffentlich den Anspruch auf eine Spitzenkandidatur erhoben, doch aus Sicht ihrer Kontrahenten subtile Signale in diese Richtung gesetzt: Verärgert erfuhren Gauland, Höcke und Meuthen im Sommer, dass Petry sich mit dem österreichischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum gemeinsamen Fotoshooting auf der Zugspitze traf. "Zugspitze" - das klang in den Ohren des Trios nach Spitzenkandidatur.

Petry und Strache auf der Zugspitze

Petry und Strache auf der Zugspitze

Foto: MICHAELA REHLE/ REUTERS


Die Aktionen gegen Petry wirken auf manche Parteimitglieder wie ein kleinteiliger Zermürbungskampf. Auch an anderer Stelle schaffte es Höcke kürzlich, einen Punktsieg zu erzielen. Lange hatte Petry versucht, den AfD-Landesverband im Saarland wegen mutmaßlicher Kontakte ins NPD-Milieu aufzulösen. Nachdem das Bundesschiedsgericht das verhindert hatte, warb Höcke dafür, dass am vergangenen Samstag auf dem Bundeskonvent - dem kleinen Parteitag - der Saar-Verband nun sogar eine Wahlkampfhilfe von 100.000 Euro von der Bundespartei erhält. Der Coup kam rechtzeitig - am kommenden Samstag ist AfD-Landesparteitag in Völklingen.

Offenes Zerwürfnis in der AfD

Das offene Zerwürfnis in der AfD - das an die Zeiten des Machtkampfs zwischen Petry und Bernd Lucke erinnert - ist nicht mehr zu kaschieren. Dafür bedarf es gar nicht mehr der in AfD-Kreisen gerne diffamierten "Lückenpresse", die angeblich das harmonische Miteinander wahrheitswidrig beschreibe.

Frauke Petry mit Pretzell beim AfD-Parteitag im Mai in Stuttgart

Frauke Petry mit Pretzell beim AfD-Parteitag im Mai in Stuttgart

Foto: Marijan Murat/ dpa


Petrys Lebensgefährte Pretzell attackiert jetzt Höcke und Gauland offen: "Es reicht, liebe Kollegen, Ihrer beider öffentliches Wirken schadet der Partei." Auf seiner Facebook-Seite wirft er der AfD in Thüringen sogar vor, "offenbar einen satzungswidrigen Landesvorstand gewählt" zu haben, "in welchem Mitarbeiter des Vorsitzenden Platz gefunden haben; ein zweites Saarland sozusagen", er spricht von "Spaltern" und Versuchen Höckes, auf die Listenwahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Einfluss genommen zu haben und damit "baden gegangen" zu sein.

Inmitten des Schlachtgetümmels gibt Petry ein diffuses Bild ab. Geäußert hat sie sich bislang nicht, auch sagte sie zuletzt einige öffentliche Termine ab. Wie stark ihre Position in der Partei wirklich ist, bleibt schwer einzuschätzen, auch wenn es in der AfD heißt, Petry - und Pretzell - würden letzten Endes "stehen", trotz der Attacke von Gauland und Höcke.

Tatsächlich erhielt die AfD in Sachsen in einer Infratest-dimap-Umfrage kürzlich satte 25 Prozent und damit einen bisherigen Rekordwert. Doch nicht alles läuft rund: Zwar wurde Petry auf einem Kreisparteitag in Cotta mit 92 Prozent der Stimmen zur Direktkandidatin im Bundestagswahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge aufgestellt. Im Vorfeld hatte es allerdings Schwierigkeiten gegeben, für sie einen Wahlkreis zu bekommen. Der Bautzener AfD-Kreisverband lehnte sie sogar öffentlich ab. Man wolle "keine Import-Lösung".


Zusammengefasst: In der AfD gibt es ein offenes Zerwürfnis. Gegen die AfD-Vorsitzende Frauke Petry und ihren Lebensgefährten Marcus Pretzell, Landesvorsitzender in NRW, häufen sich die Angriffe. Scheuten ihre Kontrahenten vor Monaten noch die offene Konfrontation, tritt der Machtkampf immer deutlicher zutage. So zieht Petry etwa nicht als alleinige Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf, sondern eingerahmt von einem Team - in dem möglicherweise mit dem Thüringer Landeschef Björn Höcke bewusst der rechte Flügel platziert sein könnte.