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Ausstieg aus der Kernkraft CSU revoltiert gegen Seehofers Atomwende

CSU-Chef Seehofer gibt den Atomaussteiger - und verschreckt damit die eigenen Leute. Nach SPIEGEL-Informationen regt sich in der Partei massiver Widerstand gegen seine Energiewende.
AKW in Bayern (Isar I): "Mitglieder und Anhänger mitnehmen"

AKW in Bayern (Isar I): "Mitglieder und Anhänger mitnehmen"

Foto: dapd

Hamburg - In der CSU stoßen die Pläne von Parteichef Horst Seehofer für einen schnellen Ausstieg aus der Kernenergie auf großen Widerstand. "Die Wähler wollen keine grün lackierte CSU", sagte der ehemalige Parteichef Erwin Huber dem SPIEGEL. "Die CSU muss weg vom Atomimage, aber als Volkspartei muss sie ihre Mitglieder und Anhänger dabei mitnehmen", mahnt auch der Chef der CSU-Grundsatzkommission, Manfred Weber.

Bei den CSU-Politikern in Berlin ist die Stimmung ähnlich. "Wenn wir die Kernkraft ersetzen wollen, müssen wir sagen, womit", sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner. Gerda Hasselfeldt, Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, warnt, sich wie die Parteiführung in München auf ein konkretes Ausstiegsdatum festzulegen. "Ich kann heute seriöserweise noch keine Ausstiegsdaten nennen, da wir noch nicht alle Fakten kennen."

Hintergrund der parteiinternen Debatte: Nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima hat die Bundesregierung Mitte März die Laufzeitverlängerung für drei Monate ausgesetzt und sieben Reaktoren vorerst vom Netz genommen. Vergangene Woche hatte Seehofer seine Pläne für eine Energiewende im SPIEGEL-Interview erklärt. Er befürwortet einen Atomausstieg bis 2020. "Ich glaube, dass es möglich ist, bis Ende dieses Jahrzehnts den wesentlichen Teil des Umstiegs geschafft zu haben", hatte Seehofer gesagt. "Bis dahin können wir im Wesentlichen raus aus der Kernenergie."

Seehofer hatte erklärt, das Fukushima-Unglück habe Politiker wie ihn gezwungen, seine Position zur Kernkraft zu überdenken. Von nun an laute seine Devise: "Nicht berechnen, wie wahrscheinlich ist es, dass ein Großraumflugzeug exakt auf ein Kernkraftwerk fällt, sondern fragen, ob es möglich ist. Und wenn es möglich ist, dann müssen wir es dagegen absichern", sagte der bayerische Ministerpräsident.

"Die entscheidende Standort- und Wohlstandsfrage"

Gegen diese Haltung mehrt sich jetzt der Widerstand in den eigenen Reihen. Auch CSU-Wirtschaftspolitiker in Land und Bund machen Front gegen einen übereilten Atomausstieg. "Energiepolitik war, ist und bleibt für Bayern als Industrie- und Hightech-Land die entscheidende Standort- und Wohlstandsfrage", heißt es in Leitlinien, die Energieexperten der Landtagsfraktion vergangene Woche aufsetzten. "Wir wollen keine ideologisch motivierten Alleingänge." Ähnlich äußert sich die Mittelstands-Union der CSU in einer Beschlussvorlage: "Einen übereilten Ausstieg aus der Kernenergie, der die Strompreise massiv erhöht und damit Unternehmen und Arbeitsplätze gefährdet, lehnen wir ab."

Zweifel herrschen zudem daran, ob die auf den Bau von Gaskraftwerken abzielende Strategie Seehofers tragfähig ist. "Unternehmen, die in Gaskraftwerke investieren, brauchen Investitionssicherheit über 30 Jahre. Da können wir unsere energiepolitischen Überzeugungen nicht nach jeder Wahl wieder ändern", sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger.

Tatsächlich war Seehofer im Herbst 2009 noch anderer Meinung. "Solange die Kernkraftwerke unsere hohen Sicherheitsstandards erfüllen und solange sie für unseren Energiemix unverzichtbar sind, sollten wir sie am Netz lassen", sagte er auf dem Kleinen Parteitag in München.

Schwesterpartei stellt sich der Basis

Auch bei der CDU wird weiter heftig debattiert, wie schnell der Atomausstieg gelingen kann - und zu welchem Preis. Am Montag will sich die Parteispitze den Fragen der Basis stellen. Zum "Energiepolitischen Fachgespräch" werden im Berliner Konrad-Adenauer-Haus Hunderte Teilnehmer erwartet. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, Kanzleramtschef Ronald Pofalla und Umweltminister Norbert Röttgen wollen Fragen beantworten. Am Vormittag diskutieren die drei CDU-Politiker bereits mit den Mitgliedern der Fachausschüsse Umwelt und Wirtschaft sowie den Landesgeneralsekretären.

Die Mehrheit der CDU-Anhänger steht nach Einschätzung von Gröhe hinter einem schnellen Ausstieg aus der Atomenergie. "Uns eint aber auch der Wunsch, die Wirtschafts- und Sozialpolitik dabei nicht außer Acht zu lassen", sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Man werde sich bei der Veranstaltung natürlich auch den skeptischen Fragen stellen. So müsse man die Sorgen ernst nehmen, die sich auf die Bezahlbarkeit der künftigen Stromversorgung bezögen. "Dabei haben wir den Rentner und dessen Stromrechnung ebenso im Blick wie die energieintensive Industrie", sagte der CDU-Politiker.

rom/APD