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Geplanter Staatsvertrag Muslime hoffen auf Nachahmer des Hamburg-Modells

Hamburg will per Staatsvertrag unter anderem Feiertage für Muslime und islamische Religionslehrer für christliche Schüler einführen. Viele Regelungen sind zwar längst üblich, doch der Vorstoß gilt als positives Signal. Andere Bundesländer könnten nun nachziehen.
Betende Muslime: Zeichen der Anerkennung aus Hamburg

Betende Muslime: Zeichen der Anerkennung aus Hamburg

Foto: FRANKA BRUNS/ AP

Hamburg - Der Islam gehört zu Hamburg - dieses Signal will der Hamburger Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) offenbar nach ganz Deutschland aussenden. Als erstes Bundesland will die Hansestadt einen Staatsvertrag mit muslimischen und alevitischen Verbänden schließen. Muslimische und alevitische Feiertage sollen künftig denselben Status erhalten wie nicht-gesetzliche christliche kirchliche Feiertage - das ist einer der Kernpunkte der Vereinbarung. Vertreter von Muslimen und Aleviten bejubelten die Initiative, die katholische und die evangelische Kirchen äußerten sich ebenfalls lobend.

Zuspruch kommt auch aus anderen Bundesländern. Die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagt SPIEGEL ONLINE: "Die Hamburger Initiative ist für beide Seiten - für die Stadt und die Muslime - ein sehr wichtiges Zeichen, gerade in der politischen Debatte, ob nun der Islam und Muslime zu Deutschland gehören." Muslimische Feiertage seien derzeit im Feiertagsgesetz Baden-Württembergs nicht geregelt. "Aber seit Jahren sind Schulrektoren sehr kooperativ, zudem gibt es eine Regelung des Kultusministeriums, dass muslimische Kinder auf Antrag ihrer Eltern am Zuckerfest oder zum Opferfest je einen Tag vom Unterricht beurlaubt werden", so Öney. Neuerungen für Muslime sind bei den Bestattungsregeln geplant. "Es gibt Verhandlungen darüber, dass Muslime vom Sargzwang befreit werden, wie jetzt in Hamburg", sagt Öney.

"Wir freuen uns darüber, dass Hamburg den Weg zu mehr Offenheit und Toleranz geht", sagt der Berliner Senatssprecher Richard Meng. Berlin habe Teile aus den Hamburger Verträgen schon vor einiger Zeit umgesetzt - etwa das Recht auf Feiertage für muslimische Arbeitnehmer und Schüler. Andere Dinge seien in Berlin rechtlich anders geregelt. So ist in der Hauptstadt der Religionsunterricht Sache der Glaubensgemeinschaften und nicht des Staates. Doch: "Berlin und Hamburg gehen inhaltlich die gleichen Wege", so Meng.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz hebt hervor, dass der Vertrag für Muslime und Aleviten im Alltag konkrete Bedeutung hat. "Es ist ein großer Unterschied, ob ein muslimischer Arbeitnehmer seinem Chef sagen muss 'Ich nehme Urlaub' oder ob er offensiv sagen kann 'Das ist mein Feiertag, den würde ich gerne begehen, dafür freinehmen und die Zeit nacharbeiten'", sagte Özoguz. Die Verträge aus Hamburg schafften mehr Offenheit und Anerkennung. In den vergangenen Jahren habe es großes Interesse aus anderen Bundesländern an der Hamburger Initiative gegeben. "Ich würde mich sehr freuen, wenn andere Landesregierungen nachziehen", so Özoguz.

Tatsächlich wird sich rechtlich durch die Verträge in Hamburg kaum etwas ändern. Arbeitnehmer müssen an muslimischen und alevitischen Feiertagen nach wie vor Urlaub nehmen oder nacharbeiten. In Schulen wurde Schülern bisher an wichtigen muslimischen Festen ohnehin freigegeben. Es handelt sich bei den Verträgen in Hamburg also vor allem um Symbolik, um den manifestierten Willen zur Gleichberechtigung und Anerkennung von Muslimen und Aleviten. Von der Senatskanzlei heißt es, die Verträge seien eine "Geste" - die Stadt erkenne damit offiziell an, dass es den Islam in Hamburg gebe.

  • Bedeutsam sind die geplanten Änderungen zum Religionsunterricht. Bisher hatte die evangelische Kirche in Hamburg die Verantwortung für den konfessionsübergreifenden Religionsunterricht - nun soll das Modell in den kommenden fünf Jahren mit Aleviten und Muslimen weiterentwickelt werden. Konkret heißt das, dass künftig auch muslimische Pädagogen mit Staatsexamen christliche Kinder unterrichten dürfen. "Der Sinn des gemeinsamen Unterrichts besteht darin, dass Schüler auch etwas über andere als die eigene Religion erfahren, und zwar von Lehrern der jeweils anderen Religion", so die Senatskanzlei in einer Erklärung. Koranunterricht durch Imame werde es aber nicht geben.
  • Ein Aspekt der Verträge, der in der Opposition in der Hansestadt für Aufregung gesorgt hat, ist in Wahrheit nicht neu. Das Tragen von Kopftüchern ist Lehrerinnen in Hamburg weiterhin nicht verboten - die Frage wird von Fall zu Fall geregelt. Allerdings ist kein Fall von einer Lehrkraft an einer staatlichen Schule bekannt, die das Kopftuch tatsächlich trägt.
  • Auch werden die islamischen Religionsgemeinschaften durch den Vertrag keineswegs den Kirchen gleichgestellt - sie sind nicht als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt, was ihnen etwa erlauben würde, Kirchensteuern zu erheben. Aber alleine die Tatsache, dass der Staat oder in diesem Fall die Stadt Hamburg Bündnispartner gefunden hat (den Ditib-Landesverband der türkisch-muslimischen Gemeinden, den "Schura" genannten Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg, den Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und die Alevitische Gemeinde), ist ein wichtiger Schritt.