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Nockherberg-Derblecken Bruder Barnabas knöpft sich Manager vor

Wirtschaftskrise auch auf dem Nockherberg: Ernst wie selten predigt Bruder Barnabas und liest der einstigen Manager-Elite die Leviten. Die Politiker kommen erst später dran. Besonderes Augenmerk liegt auf dem neuen CSU-Zweikampf Söder vs. Guttenberg - angefeuert von Parteichef Seehofer.

München - Der Anfang lässt die Politiker glauben, sie seien auf der falschen Veranstaltung. Beim Derblecken auf dem Münchner Nockherberg ergießt sich normalerweise sofort Häme, Spott und Hohn über sie. Doch Fastenprediger Bruder Barnabas alias Schauspieler Michael Lerchenberg liest statt ihrer jetzt erstmal den Managern, Anlageberatern und "bonusgeilen Bankern" die Leviten.

CSU-Chef Seehofer, Wirtschaftsminister zu Guttenberg: "Unter Strom bleiben"

CSU-Chef Seehofer, Wirtschaftsminister zu Guttenberg: "Unter Strom bleiben"

Foto: DPA

Zuerst ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann dran - per "Lesung aus dem Buche Ackermann". Dieser "profitgeile Jünger" höre nicht auf, den Herrn zu lästern, schimpft Barnabas: "Rendite ist der Gott, den alle anbeten." Doch das Volk sei zornig geworden: "Da banden sie Ackermann mit Stricken, und zusammen mit Hans-Olaf Henkel und Hans-Werner Sinn und all den anderen Neoliberalisten brachten sie ihn in ein Narrenhaus."

So schaut er aus, der Nockherberg in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise. Vieles ist anders als in den Jahren zuvor. Wegen des Amoklaufs im baden-württembergischen Winnenden wurde das Derblecken auf diesen Donnerstagabend verschoben. Nun ist es keine Starkbierprobe mehr - denn seit zwei Wochen tummeln sich die Gäste in der Paulaner-Gaststätte und kosten das neue "Salvator"-Starkbier - sondern die Brauerei nennt es "Nachg'schenkt auf dem Nockherberg".

Alles anders also in 2009. Und so endet auch die Barnabas-Rede ungewohnt nachdenklich. Lerchenberg scheint plötzlich nicht mehr Barnabas, sondern der Bürger Lerchenberg zu sein, der die Politiker - angeführt von Bayerns Regierungschef Horst Seehofer über Grünen-Chefin Claudia Roth bis zum FDP-Generalsekretär Dirk Niebel - an den ersten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern erinnert, den Sozialisten Kurt Eisner.

"Was notwendig ist, dafür muss Geld da sein, und wenn das Geld nicht da sein sollte, so muss das ganze System von Grund auf geändert werden", habe dieser direkt nach dem Ersten Weltkrieg festgestellt. Lerchenberg-Barnabas zu den Politikern in den ersten Reihen: "Damals haben die Leut' die Schnauze voll g'habt von ausgelaugten, zerstrittenen Parteien, Spekulanten und Kriegsgewinnlern und sind zu Hunderttausenden auf die Straße gegangen und haben das System geändert - tja, jetzt liegt es allein an Euch …"

"Nachdenklichkeit hat gepasst"

Es ist der CSU-Vorsitzende Seehofer, der es nachher am besten trifft. Ein wenig philosophisch sei Barnabas dieses Jahr gewesen: "Diese Nachdenklichkeit hat gepasst, er wollte wohl eine Brücke nach draußen, zur Realität schlagen."

Zwischendrin haben es natürlich auch die Politiker abbekommen. Zum Beispiel FDP-Chef Guido Westerwelle, der den Nockherberg in den vergangenen Jahren nicht verpasste, diesmal aber nicht kommen konnte. Nein, mit Feigheit habe dessen Fernbleiben nichts zu tun, lästert Bruder Barnabas, "der kann vor lauter Kraft nicht mehr laufen! Solche Muckis und so ein Hirn" - Lerchenberg macht eine entsprechende Geste - "aufgeblasen von Möchtegern-Testosteron: 'Ich bin ein Star, lasst mich regieren!'"

Oder Horst Seehofer, der "Ingolstädter Seehecht". Den habe man in den "Karpfenteich der CSU-Landtagsfraktion" gesetzt wie einen "großmäuligen Raubfisch ins brackige, faulige Fischwasser". Nach einem Jahr mit "sauertöpfischem Transvestitenpaar vom fränkischen Fasching als Bayernregenten" - er meint Günther Beckstein und Erwin Huber - sei jetzt "Horst I., genannt der Dauergrinsende", in die Staatskanzlei eingezogen.

Und dann kommt Barnabas auf den virtuellen CSU-Zweikampf dieses Abends: Bayerns Gesundheits- und Umweltminister Markus Söder gegen Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Seehofer selbst hat in den vergangenen Wochen vom "gesunden Wettbewerb" seiner potentiellen Nachfolger gesprochen.

Diesen Faden nimmt Barnabas alias Lerchenberg auf. Söder sei der "Donald Duck des bayerischen Kabinetts". Dienend habe er sich auf Ochsentour begeben, "hält Pressekonferenzen in Gummistiefeln auf Biomist, bereitet Froschlaich sammelnd im Donaumoos seine Karriere vor - und dann kommt er daher" - Barnabas zeigt auf Guttenberg vorne in der ersten Reihe: "Dieser adelige Oberfranke, dieser Gustav Gans der CSU."

Guttenberg grinst. Söder grinst. Die beiden werden auch die heimlichen Hauptfiguren des anschließenden Salvator-Singspiels sein. "Die Helden von Burg Nockherberg" heißt es, 21 Schauspieler inszenieren den Kampf der Politik gegen das Krisenmonster. Königin Angela Merkel aus Gesamtkrisien, Robin Horst von Seehof und Kreuzritter Frank-Walter Steinmeier feuern immer wieder mit Geldsäcken, also Konjunkturpaketen, auf das Ungeheuer. Aber auf einer zweiten Ebene ringen Söder alias Södurai, der letzte Samurai und Guttenberg alias Freiherr von und zu Schuldenberg um die Gunst von Robin Horst.

"Die sollen mal unter Strom bleiben"

Das hört sich dann so an: "Meine Wirtschaftsfachkompetenz ist unbestritten", sagt der prunkvoll ausgestattete Freiherr, "ich war in leitender Funktion tätig in einem Mittelstands-Großunternehmen", spielt er auf Guttenbergs Vita an. Darauf der ewig brüllende Samurai Södurai: "Des war doch bloß a Drei-Personen-Klitsche! Irgend so a von und zu, Gel ins Haar und an Stressmän anzieh'n, des kann ich auch." Die Entgegnung des von und zu Schuldenberg: "Das heißt nicht Stressmän, sondern Stresemann."

Und immer in der Mitte, zwischen den beiden, steht Robin Horst.

Der echte Seehofer strahlt am Ende spitzbübisch. "Das Singspiel war wie aus dem richtigen Leben." Er stehe da zwischen zwei Nachfolgern, "die sich mehr mit der Nachfolge beschäftigen als mit der Politik", witzelt er. Er werde den "Nachfolgekampf organisieren", sagt Seehofer, "nur den Zeitpunkt, den bestimmt Opa selbst". Und fügt an: "Die sollen mal unter Strom bleiben."

Söder sagt: "Ich fand's super." Sein Darsteller sei einer, "der echt sympathisch wirkt". Zudem habe Donald Duck am Ende Daisy bekommen. Und Guttenberg sagt in Negation zu Seehofers Diktum vom Nachfolgekampf, er kämpfe vielmehr als Wirtschaftsminister "um die Stabilität in diesem Land". Und Gustav Gans? Der sei "ein Glückspilz".