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Airbus "Theodor Heuss": Kanzler-Jet für Ahmadinedschad

Foto: Tim Brakemeier/ picture alliance / dpa

"Theodor Heuss" Iranische Airline kauft ausgemusterten Kanzler-Jet

Es ist ein peinlicher Vorgang für die Bundesregierung: Die schwarz-gelbe Koalition setzt sich im Atomstreit mit Iran für schärfere Sanktionen gegen das Land ein - aber jetzt wurde ausgerechnet eine ausgemusterte Kanzlermaschine über Umwege nach Teheran verkauft.

Hamburg - Die iranische Fluglinie Mahan Air gibt sich elitär: "The Spirit of Excellence", mit diesem Motto wirbt das Unternehmen auf seiner Internetseite. Fünf Boeings 747 zählt die Airline nach eigenen Angaben zu ihrer Flotte, auch 27 Airbusse gehören demnach dazu. Dass die Jets durch die Sanktionen gegen Iran kaum noch gewartet werden können, erwähnt die Webseite selbstredend nicht.

Zuletzt erwarb die Airline ein weiteres Flugzeug, der Airbus 310-304 wurde am 18. November von Kiew nach Teheran geliefert. Nur Kennern fiel der neue Zuwachs der Flotte schnell auf: Zum einen handelt es sich bei dem zweistrahligen Jet um eine sogenannte VIP-Maschine, zudem ist die Flugzeugkennung 10+22 sehr ungewöhnlich.

Der Kauf könnte für die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel ziemlich peinlich werden: Bei dem Flugzeug handelt es sich nach Informationen von SPIEGEL ONLINE um eine Maschine, die rund 20 Jahre im Dienst der Bundesregierung stand. Bis vor wenigen Monaten jetteten die Kanzlerin, der Außenminister oder andere Kabinettsmitglieder mit dem bequem eingerichteten Airbus durch die Welt.

Die Maschine trug in Diensten der deutschen Regierung den Namen "Theodor Heuss". Eingerichtet mit Schlafkabine, Dusche und komfortablen Ledersofas bietet der Jet alles, was dem Politiker von Welt gefällt. Dem Fachmagazin "Skyliner aviation news and more" zufolge wurde die Maschine mit der Registrierung EP-VIP nach Teheran überführt, das einstige Flaggschiff der deutschen Flugbereitschaft steht nun offenbar im Dienste der Mahan Air.

Der Vorgang wirkt angesichts des immer schärfer werdenden Atomstreits des Westens mit Iran bizarr. Erst vor wenigen Tagen, nach der Vorlage eines alarmierenden Berichts über die Fortschritte des iranischen Atomprogramms durch die Internationale Atomenergiebehörde, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert angekündigt, dass sich Deutschland "aktiv für schärfere Sanktionen gegen Iran einsetzen" werde.

Der ausrangierte Kanzler-Jet landete tatsächlich über einen ziemlich bizarren Umweg in Teheran. Im vergangenen Juni hatte die Maschine, in der bereits unter anderem Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Joschka Fischer und Angela Merkel reisten, ihren letzten Einsatz für die Bundesregierung. Die "Theodor Heuss", einst aus dem Bestand der früheren DDR-Fluglinie Interflug übernommen und danach aufwendig von der Lufthansa Technik renoviert, wurde durch eine modernere Maschine vom Typ A340 ersetzt.

Zunächst Verkauf an osteuropäische Investorengruppe

Nach der Ausmusterung kümmerte sich die Verwertungsgesellschaft für Bundeseigentum (Vebeg) um den Verkauf der alten Maschine, sie ist eine bundeseigene Treuhandgesellschaft. Ganz nach Vorschrift schrieb die Gesellschaft unter der Kennung 12128.001 einen ganzen Katalog für den VIP-Jet aus, die Bilder zeigen den Airbus noch voll lackiert inklusive der deutschen Nationalfarben und des Logos "Bundesrepublik Deutschland". Interessenten wurden, wenn sie denn einen Personalausweis mitbrächten, für Anfang Mai zum Anschauen des besonderen Jets eingeladen, ihr Gebot mussten sie bis zum 24. Mai abgeben.

Ein Käufer war schnell gefunden: Bereits Ende Juni teilte die Vebeg den Verkauf des ausgemusterten Kanzler-Jets an eine osteuropäische Investorengruppe mit. Die 1989 gebaute Maschine wechselte damals für 3,125 Millionen Euro den Besitzer. Der Käufer habe noch nicht abschließend über den Verwendungszweck entschieden, erklärte Vebeg-Vertriebsleiter Volkmar Kunert damals. Ein Sprecher der Bundeswehr betonte gegenüber SPIEGEL ONLINE, der Jet sei jedoch neutral lackiert an den Käufer übergeben worden. Letztlich habe es sich um ein "ganz normales Flugzeug gehandelt" - nur eben mit einer besonderen Vorgeschichte.

Jetzt wurde das Flugzeug von dem ukrainischen Investor still und heimlich an Mahan Air verkauft. Insider der Branche vermuten, dass der Investor möglicherweise von Beginn an als Strohmann für die Iraner diente. Experten zufolge kommt es in der Luftfahrtbranche häufiger vor, dass Flugzeuge zunächst bei einem Zwischenhändler landen, der die Maschinen dann weiterverkauft. Der Endkunde sei dem Erstverkäufer dabei häufig bereits bekannt, sagt Christofer Witt, Herausgeber von "Skyliner aviation news and more". In der Vergangenheit seien bereits mehrere Lufthansa-Maschinen vom Typ A300-600 zunächst an Zwischenhändler in Kiew gegangen, von dort seien sie schließlich in Iran gelandet.

Mahan Air: In USA auf schwarzer Liste

Unklar ist, ob die Vebeg eine Ahnung von den Weiterverkaufsplänen der osteuropäischen Investorengruppe hatte. Für eine SPIEGEL-ONLINE-Anfrage war die Gesellschaft am Sonntag nicht erreichbar.

Ein direkter Verkauf von Flugzeugen in Richtung Iran hingegen dürfte in jedem Fall gegen die Sanktionen gegen das Land verstoßen. In Insider-Foren im Netz wird deshalb bereits spekuliert, dass die Airline extra einen Zwischenhändler einschaltete. Dort sind auch schon Vermutungen zu lesen, dass in Zukunft der iranische Präsident mit dem einstigen Kanzler-Jet durch die Welt jetten könnte. Belege dafür gibt es derzeit jedoch nicht.

Die Fluglinie genießt jedoch durchaus einen zweifelhaften Ruf und steht in den USA auf einer schwarzen Liste: Nach dem mutmaßlichen iranischen Anschlagsplan auf den saudischen Botschafter in Washington wurden die Guthaben von Mahan Air in den USA eingefroren. Der Vorwurf: Mahan Air soll unter anderem heimlich Waffen und Mitglieder der iranischen Republikanischen Garden transportiert haben.

Die USA bereiten derzeit weitere Sanktionen gegen das Land vor. Wie der US-Sender CNN am Samstag meldete, richteten sich die geplanten Strafmaßnahmen gegen die petrochemische Industrie des Landes. Ausländische Firmen, die mit iranischen Unternehmen dieser Sparte der Erdgas- und Erdölherstellung handeln, sollen demnach vom amerikanischen Markt verbannt werden, heißt es unter Berufung auf diplomatische Quellen.