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Frustrierte Konservative Merkels Meckerecke

Sie nennen sich "Wahlalternative 2013": Enttäuschte CDU-Leute rufen zur Stimmabgabe für die Freien Wähler auf. Das ist nicht schön für Angela Merkel - trotzdem kann sie das Genörgel der frustrierten Konservativen gelassen nehmen. Die Macht der Parteichefin ist so groß wie nie.
CDU-Chefin Merkel: Immer nur nach links?

CDU-Chefin Merkel: Immer nur nach links?

Foto: Peter Kneffel/ dpa

Berlin - Wer in der CDU ist, der wählt auch CDU. Sollte man meinen. Vielleicht geht ein Christdemokrat auch einfach nicht hin zur Wahl, aus Protest. Aber gleich der Konkurrenz die Stimme geben? Und andere anzustacheln, es auch zu tun? Da muss die Enttäuschung wirklich sehr groß sein. Für ein paar altgediente Christdemokraten ist dieser Punkt nun erreicht.

"Frau Merkel wird ihre Politik nur überdenken, wenn sie Wählerverluste befürchten muss, die die CDU/CSU schwächer als die SPD werden lassen könnten", schreiben die Initiatoren der "Wahlalternative 2013" auf ihrer Internetseite. Kritisiert wird der Euro-Rettungskurs der Bundesregierung, aber auch die "atemberaubende Geschwindigkeit", mit der die Union ihre traditionelle Programmatik räume - die Rede ist von Wehrpflicht, Kernenergie, dreigliedrigem Schulsystem. Eine eigene Partei will die "Wahlalternative" nicht sein, aber sie ruft dazu auf, bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr statt bei der CDU das Kreuz bei den Freien Wählern zu machen. Ein feindlicher Akt gegenüber der Partei, die die Gründer der Gruppierung einmal ihre Heimat nannten.

Mit ins Leben gerufen haben hat die "Wahlalternative 2013" Alexander Gauland, einst unter Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) Staatssekretär in der hessischen Staatskanzlei. Seit Jahren klagt Gauland, dass seiner Partei das konservative Profil verloren gehe. Tenor: "Mit Angela Merkel hat die CDU ihre Seele verloren." Auch ein gewisser Gerd Robanus ist dabei, Mitglied im Bundesvorstand der CDU-Mittelstandsvereinigung. "Ich kann den Weg der CDU-Bundesspitze nicht mehr mittragen", erklärt Robanus. Der Hamburger Hochschullehrer Bernd Lucke sagt von sich, er sei nach 33 Jahren Mitgliedschaft aus der CDU ausgetreten.

Muss sich Angela Merkel Sorgen machen? In der Berliner Parteizentrale will man die Aktion nicht durch öffentliche Stellungnahmen aufwerten. Auch in der Fraktionsspitze wird abgewunken. Gibt Schöneres, aber sonst? Demonstrative Gelassenheit. Der Feind wird in seiner Meckerecke beobachtet, aber nicht unnötig wichtig gemacht. Nicht ganz zu Unrecht.

Kritik an der Kanzlerin - oder doch nicht?

Die Nörgelei vom rechten Flügel hat in der CDU längst Tradition. Merkel verrate die Grundwerte der Partei, heißt es immer wieder in rhetorischen Variationen. Doch genauso regelmäßig, wie frustrierte Konservative über den Werteverfall der Union lamentieren, genauso regelmäßig disqualifizieren sich diese Kritiker selbst oder verlieren sich in ihrer eigenen Unschärfe.

Vor zweieinhalb Jahren hatte sich die "Aktion Linkstrend stoppen" als selbsternannte Basisbewegung der CDU gegründet, um gegen die vermeintliche Sozialdemokratisierung der Partei mobil zu machen. Seitdem wird weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit munter gegen alles geholzt, was nach "linkem Zeitgeist" riecht. Mit der Abgrenzung nach rechtsaußen nimmt man es dabei weniger genau.

Mit solchen Tendenzen nichts am Hut hat der konservative "Berliner Kreis", der zuletzt für weitaus größeres Aufsehen sorgte. Die 30 bis 40 Unionsabgeordneten aus Bund und Ländern haben aber andere Probleme. Obwohl sie gerne wollen, kommen sie über den Status als lockere Gesprächsrunde nicht hinaus. Erst wollte niemand den Kopf als Sprecher hinhalten, dann platzte der Termin für die Vorstellung eines Gründungsmanifests. Es heißt, es werde weiter daran gearbeitet, doch von der anfänglichen Euphorie ist nichts mehr zu spüren.

Mancher mag um seine Karrierechancen fürchten, wenn er sich zu prominent engagiert. Zum anderen wissen die Mitstreiter selbst nicht so genau, was sie als konservativ verkaufen sollen. Und die Kanzlerin persönlich angreifen wollen sie auch nicht, wohl aber ihren Stil. Zumindest ein bisschen. Irgendwie. Das alles passt nur schwer zusammen.

Dann sind da noch die Einzeltäter. Den Dauernörgler Josef Schlarmann, Chef der CDU-Mittelstandsunion, nehmen sie im Adenauer-Haus nicht mehr Ernst. Zuletzt überdrehte er, als er die CDU mit einem Zarenhof verglich. Natürlich über die Medien, im Vorstand schweigt Schlarmann lieber. In Brandenburg musste kürzlich Saskia Ludwig ihren Platz an der Spitze des CDU-Landesverbandes und der Landtagsfraktion räumen, nachdem sie in der rechtslastigen "Jungen Freiheit" Ex-Landeschef Jörg Schönbohm zum Geburtstag gratulierte, dabei die rot-rote Landesregierung dumpf attackierte und ihr gleich noch Medienmanipulation vorwarf. Auch Ludwig hatte sich zuvor wiederholt kritisch über den Kurs von CDU-Chefin Merkel geäußert.

Jetzt also versucht sich die "Wahlalternative 2013". Als Mitstreiter hat sie schon Promis wie den ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel gewonnen, der schon seit einiger Zeit für die Freien Wähler wirbt. Auch der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider und der Volkswirt Joachim Starbatty sind dabei, die zuletzt gemeinsam mit den Freien Wählern in Karlsruhe erfolglos gegen den Euro-Rettungsschirm klagten. Insgesamt haben sich bislang knapp über 4000 Unterstützer den Gründern im Internet angeschlossen - was nichts heißen muss, der Klick im Netz ist schließlich schnell gemacht und verpflichtet zu nichts. Unruhig werden müssen Merkel und ihre Getreuen deswegen vorerst nicht.

Die CDU-Chefin kann sich ihrer Macht in der Partei so sicher sein wie selten zuvor. Und das nicht nur, weil weit und breit kein Kronprinz mehr zu sehen ist. Merkel hat längst gelernt, bei der Öffnung der CDU selbst immer dann auf die Bremse zu treten, wenn die Traditionalisten überfordert werden könnten. Die aufkommende Debatte über die Gleichstellung der Homo-Ehe würgte sie ab, mehrfach pfiff sie zudem ihre Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zurück, etwa bei der Frauenquote oder beim Armutsbericht. Zu viel zumuten will Merkel ihrer Partei eben doch nicht. Sie sei noch nie so sehr CDU-Vorsitzende gewesen wie heute, finden sogar Unionsparlamentarier, die sich selbst als Konservative bezeichnen.