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Walther Leisler Kiep Der willkommene Einzeltäter

Ein vertraulicher Prüfbericht beweist: Auf Kieps Privatkonto wurden Millionenbeträge unbekannter Herkunft hin- und hergeschoben. Die Union versucht, den früheren Schatzmeister zum Einzeltäter und Sündenbock aufzubauen.

Berlin - Gleich drei CDU-Größen eilten vergangenen Freitag nach Luzern, nachdem das Satiremagazin "Titanic" in einem gefälschten Bank-Brief an die Bundestagsfraktion behauptet hatte, es sei ein neues Auslandskonto aufgetaucht. Die Aktion zeigte: Bei der Union liegen immer noch die Nerven blank, wenn es um Schwarzgeld geht. Zu Recht: Denn für Merkel und die CDU lauert jederzeit neue Gefahr. SPD- und Grünen-Mitglieder des Untersuchungsausschusses sind fest überzeugt, dass die plötzlich aufgetauchte Kiep-Million nicht die letzte Überraschung war. Merkel werde noch manche unangenehme Stunde erleben. Der Ausschuss-Chef Volker Neumann (SPD) ist sich sicher: "Das war noch nicht das letzte Wort und das letzte Geld."

Allein aus der "Kiep-Kiste" droht neues Unheil. Die Stiftung Norfolk, ein Schwarzgeldbunker der CDU mit Konten in der Schweiz, wurde 1992 aufgelöst. Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen haben nun im Auftrag von Kieps Anwalt Günter Kohlmann die Privatkonten des Ex-Schatzmeisters für jenen Zeitraum durchleuchtet. In dem vertraulichen vorläufigen Bericht an Kohlmann, der SPIEGEL ONLINE vorliegt, stellt Andersen für das Jahr 1992 für das private Kiep-Konto mit der Nummer 0322099-00 fest: "Insgesamt sind rund 90 Kontobewegungen größer DM 10.000 festzustellen, von denen wiederum 22 größer DM 100.000 sind. Lediglich für zwei der Kontogutschriften kann eine Feststellung über deren Herkunft getroffen werden. (...) Für alle weiteren Kontobewegungen größer TDM 10 kann keine Aussage über deren Herkunft bzw. Verwendung getroffen werden" (siehe Bild).

Kiep wird zum Einzeltäter aufgebaut

Kiep kündigte nun für dieses Geld bis Ende Mai das an, was die CDU seit eineinhalb Jahren verspricht: Aufklärung. Alles konzentriert sich auf den ehemaligen Schatzmeister, Merkel spricht mit ihm nur noch über Anwälte. "Er ist der Einzige, mit dem die CDU über Regressforderungen verhandelt", erklärt Frank Hofmann, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss. Doch den (finanziellen) Schaden, den das Schwarzkontensystem für die CDU bedeutet, haben auch Uwe Lüthje und Horst Weyrauch als ehemaliger Generalbevollmächtigter der Schatzmeisterei und Ex-Steuerberater zu verantworten. Gegen diese beiden hat Merkel bislang keine Schritte einleiten lassen, von Helmut Kohl ganz zu schweigen, obwohl sie von der CDU-Basis auf dem Essener Parteitag verpflichtet wurde, Wiedergutmachung bei den Tätern durchzusetzen. Auskunft darüber, warum das bisher nicht geschehen ist, gibt die CDU nicht. Sie teilt lediglich mit, "wir halten uns jede Option offen". Doch Hofmann ahnt: "Diese Option werden sie nicht wahrnehmen, bis es verjährt ist."

Kiep wird zum Einzeltäter und Buhmann aufgebaut. Die "Zeit" spricht gar von der "Privatisierung" der CDU-Affäre. Von Regressforderungen in Millionenhöhe bis zum Parteiausschluss droht Kiep die ganze Palette der Sanktionen. Dass ausgerechnet der CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss, Andreas Schmidt, als Erster vorpreschte und verkündete, Kiep sei "nicht schützenswert", deutet darauf hin, dass Helmut Kohl seine Finger im Spiel hat. Schmidt gilt als Kohl-Getreuer und -Intimus. Es ist noch nicht lange her, dass bekannt wurde, dass Schmidt sich vor Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss regelmäßig Termine beim Altkanzler holte und Kohl sich mit internen Ausschuss-Unterlagen bestens auf seine Auftritte dort vorbereiten konnte.

Ferngesteuert vom Altkanzler

Wenn Schmidt auf Kiep zeigt, dann lenkt das von Lüthje und Weyrauch ab. Beide schweigen bisher auch hartnäckig vor dem Ausschuss. "Das ist im Sinne Kohls" weiß Neumann. "Denn die beiden retteten Kohl während der Flick-Affäre in den achtziger Jahren den Hals", angeblich sogar mit Falschaussagen und einem eigens entworfenen Drehbuch für das ganze Verfahren. "Vieles in der aktuellen CDU-Affäre erinnert an die Flick-Affäre", sagt Neumann. Die Aufklärerin Merkel wird kaum Schritte einleiten, die Lüthje und Weyrauch provozieren. "Die wissen zu viel", ahnt Hofmann. Jede neue Enthüllung kann auch die unschuldigste Vorsitzende wegfegen.

Merkel sei in die Harmonie-Falle getappt, so Neumann. Zum zehnten Jahrestag der Deutschen Einheit holte sie im Herbst 2000 per Umarmungstaktik den ehemaligen Ehrenvorsitzenden zurück in die Mitte der Partei, um den Kohl-Flügel in der CDU zu befrieden. Sie hätte die Aufklärung der Affäre nur gegen den Altkanzler und die Kohlianer in der Partei vorantreiben können. Weil sie Angst hatte, damit die CDU zu zerreißen, musste sie Kohl wieder integrieren. Hofmanns Begründung für das Scheitern der Vorsitzenden als Aufklärerin: "Durch diese Konstellation ist die neue CDU bei der Aufklärung immer noch ferngesteuert vom Altkanzler".

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