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Wintersport: Extrem-Skipisten jenseits der Alpen

Foto: Mike Powell/ Getty Images

Skiabfahrten für Könner Steil ist geil

Auf nach Happo One, Cheget oder Craigieburn! Nie gehört? Kein Wunder, hinter diesen Pisten verbergen sich Abfahrten, die absoluten Ski-Könnern vorbehalten sind und keine Rolle im Massentourismus spielen. Dafür gibt es hier haarsträubende Lifte, Neuschnee-Rekorde und Pisten mit Sturz-Garantie.

Sie sind ein exklusiver Spielplatz für die wenigen Skifahrer, deren Können ausreicht, um an ihren Flanken, in ihren Wäldern, Rinnen und Steilhängen zu bestehen. Wer es auf die harte Tour mag, für den haben wir die neun ultimativen Könner-Skiziele zusammengestellt.

La Grave, ein kleines Bergdorf unterhalb der Fels- und Eiskatarakte der majestätischen, 3983 Meter hohen La Meije in den französischen Alpen, spielt nicht nur in der elitären Liga der Skigebiete mit mehr als 2000 Höhenmetern mit. Besondere Exklusivität erlangt es dadurch, dass diese Höhenmeter nicht auf präparierten Pisten zurückgelegt werden können - kein einziger davon. Noch dazu ist das Gelände steil, von Felsen durchsetzt und im unteren Bereich schütter bewaldet.

Kein Wunder, dass La Grave das Mekka von Freeridern aus aller Welt ist. Hier ist die Szene unter sich und muss die Gondel nicht mit Schönwetterskifahrern und Après-Ski-Fans teilen. Die Limitierungen des Terrains haben zudem dafür gesorgt, dass La Grave eines der wenigen noch authentischen Skidörfer in Frankreich geblieben ist. Wenn man dann noch per Telemarkski durchs freie, ungespurte Gelände pflügt, ist das wie eine Zeitreise zurück zu den Ursprüngen des Sports.

Auf Zeitreise wähnt man sich auch in Cheget. Das liegt in der russischen Provinz Kabardino-Balkarien. Die altertümlichen, nicht gerade Vertrauen erweckenden Einer- und Doppelsessel-Bahnen sorgen mit ihrer geringen Kapazität dafür, dass es auf Chegets Hängen niemals voll wird.

Das ist auch gut so, denn müsste man sich auch noch auf andere Skifahrer konzentrieren, wäre man hier schnell überfordert. Von einer einzigen kurzen Piste abgesehen gibt es hier nur schweres Terrain. Stimmt nicht, es gibt auch sehr schweres Gelände. Vor allem in den Freeride-Zonen nördlich und südlich des Bergkamms, der prächtige Ausblicke auf das nahe Elbrus-Gebirge bietet, die mit 5642 Metern höchste Erhebung Europas.

Applaus für jeden Sturz

In Fernost finden Könner in Happo One reichlich Gelegenheit ihre Fähigkeiten zu demonstrieren. Der Berg ist eines von zwölf Revieren der japanischen Skimetropole Hakuba und übersät mit Buckeln. Er bietet mit der Direttissima vom Gipfel über Usagidaira und Rizen Course Herzklopfen über vier Kilometer. Der Kamikazestil, mit dem Skifans die Buckelpisten attackieren, produziert serienweise Stürze.

Als Logenplatz für den Genuss dieser Darbietungen, die von den Japanern mit Applaus bedacht werden, bieten sich die Sessel des Alpen-Quad-Liftes an. Sie schweben über den extrasteilen Starthang der olympischen Herrenabfahrt, auf der Hermann Maier 1998 schwer stürzte.

Die beiden neuseeländischen Skigebiete Broken River und Craigieburn in der östlich von Christchurch gelegene Craigieburn Range bilden zusammen die größte "off piste ski area" des Landes. Pistenwalzen gibt es hier nicht.

Auf die messerscharfen Grate mit ihren gegen senkrecht strebenden Varianten gelangt man mit ziemlich gewöhnungsbedürftigen Liften, den so genannten Nut Crackers. Mit einem Klettergurt, der mit einer Klemme an einem Perlonseil befestigt ist, geht es im Eiltempo von einem Traktormotor angetrieben 600 Höhenmeter bergauf. Wohnen können Wintersportler in sehr einfachen, aber gemütlichen Lodges, die man nur zu Fuß erreicht - hier sind passionierte Freerider wirklich unter sich.

Speziallifte wegen Lawinengefahr

Auf der anderen Seite der Südhalbkugel liegt Portillo, ebenfalls ein Dorado für Könner. Die Station in den chilenischen Anden kombiniert die atemberaubende Szenerie der Westalpen mit dem herrlich trockenen Pulverschnee der Rocky Mountains und besteht aus einem einzigen Hotel. Es gleicht einem Luxusdampfer in einer wilden See aus Fels und Schnee. Der nächste Ort liegt zehn Kilometer entfernt.

Portillo ist häufig eingeschneit und somit abgeschnitten von der Außenwelt - eine tolle Atmosphäre. Wegen der vielen Lawinenabgänge wurden sogar spezielle Lifte konstruiert, die Portillos legendäre Steilabfahrten zugänglich machen: die "Va et vient", eine Kombination aus Schlepplift und Seilbahn. Sie sind unglaublich schnell, extrem schwer zu fahren, können aber nach einer Lawine schnell wieder ausgebuddelt werden. Und keine Panik: Das "Hotel Portillo" steht am einzigen wirklich lawinensicheren Platz. Der träge in der Lobby des Hotels dösende Lawinenhund musste noch nie ausrücken.

Einige tausend Kilometer weiter nördlich liegt der Mount Baker im US-Bundesstaat Washington. Der verbucht laut Guinness-Buch der Rekorde die größte jemals während einer Saison gefallene Neuschneemenge: 2896 Zentimeter. Die Schneehöhe liegt im Mittel bei über sechs Metern. Der Schnee ist häufig von der feuchteren Sorte, also nichts für Weicheier.

Das gilt auch für das Wetter: Tiefdruckgebiet folgt auf Tiefdruckgebiet. Sturm, starker Schneefall und Nebel sind eher die Regel als die Ausnahme. Das Terrain ist sowieso anspruchsvoll: Die harte Witterung hat tiefe Falten in das Gesicht des Mount Baker geschnitten, die Freerider dankbar durchkreuzen. Die zahlreichen Rinnen, Furchen und Couloirs bieten unzählige Varianten.

Trockener ist der Schnee in den Rocky Mountains. Dort liegt der Silverton Mountain, ein Berg, der alle gängigen Vorstellungen von einem Skigebiet sprengt: keine präparierten Pisten, keine Unterkünfte, nur ein Lift, der drei sensationell steile Bergflanken erschließt. Die leichteste Abfahrt hat 35 Grad Neigung und ist damit steiler als die schwersten Hänge in ungefähr 99 Prozent aller anderen Skigebiete weltweit.

Ski fährt man am Silverton Mountain von Mitte Januar bis Anfang April. Dann ist allerdings auch die Lawinengefahr am größten, deswegen bewegt man sich nur in Kleingruppen und in Begleitung eines Bergführers. In der Vor- und Nachsaison ist auch ungeführtes Skifahren möglich - für maximal 475 Skifahrer. An den meisten Tagen verlieren sich aber maximal 80 Freerider in dem riesigen Areal im Herzen Colorados.

Für Anfänger nicht erlaubt

Während Colorado weltweit für seine Skigebiete bekannt ist, weiß kaum jemand, dass man auch im als topfeben verrufenen Mittleren Westen der USA alpin Ski fahren kann. Wirklich überraschend ist, dass sich im nördlichen Michigan, auf der Keweenaw-Halbinsel des Lake Superior, eine solche Freeride-Perle versteckt: der Mount Bohemia. Fast sieben Meter Schnee fallen hier dank des See-Effekts jeden Winter.

Unter den 85 nicht präparierten Abfahrten finden sich eine Handvoll mittelschwerer Varianten, leichte Pisten gibt es nicht, und die Botschaft auf der Webseite ist eindeutig: "Beginners are not allowed". Die meisten Varianten führen durch die Wälder und haben nicht nur einen, sondern gleich zwei oder drei schwarze Diamanten - die in Nordamerika übliche Kennzeichnung für extremes Terrain.

Höher sind die Berge an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Im Bundesstaat Vermont liegt das anspruchsvollste Areal der Appalachen: Mad River Glen. Seine treuen Gäste fahren auf dem Heck ihrer Pick-ups den Aufkleber "Mad River Glen: Ski it if you can" spazieren. Das trifft es ziemlich gut, denn selbst die leichten Pisten würden andernorts als mittelschwer gelten.

Die meisten Abfahrten sind so eng, so steil, so felsdurchsetzt und so schlecht präpariert (beschneit wird in homöopathischen Dosen) wie andernorts vor 30 oder 40 Jahren. Diese Tatsache bescherte dem Gebiet Kultstatus und führte dazu, dass Stammgäste nach und nach die Kontrolle übernahmen, indem sie Anteile an dem finanziell chronisch schlecht aufgestellten Gebiet übernahmen. Mad River Glen ist das weltweit einzige Skigebiet, das seinen skiverrückten Fans gehört. Nur so ist sichergestellt, dass alles beim Alten bleibt.

Christoph Schrahe/SRT