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Fifa-Korruption "Beckenbauer hat vier Jahre den Mund nicht aufbekommen"

Die Fifa steckt in der Korruptionskrise, DFB-Boss Zwanziger will die Zukunft des Weltverbands nun mit Experten diskutieren - Sylvia Schenk von Transparency International ist skeptisch. Sie kritisiert die Zusammensetzung der Runde, vor allem die Teilnahme des Ex-Fifa-Manns Franz Beckenbauer.
Fußballfunktionäre Beckenbauer (l.) und Zwanziger: "Bitte um ein Gespräch"

Fußballfunktionäre Beckenbauer (l.) und Zwanziger: "Bitte um ein Gespräch"

Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images

SPIEGEL ONLINE: Frau Schenk, DFB-Präsident Theo Zwanziger plant die Einrichtung einer Expertenrunde. Diese soll die Diskussion über den "Weg der Fifa" vorantreiben. Hatten Sie eine Einladung in der Post?

Sylvia Schenk: Nein, keine Einladung, aber einen Brief von Herrn Dr. Zwanziger mit der Bitte um ein Gespräch.

SPIEGEL ONLINE: Welche Chancen räumen Sie einer solchen Runde ein? Zwanziger gehört immerhin seit kurzem dem Exekutivkomitee der Fifa an.

Schenk: Das kommt darauf an, wie die Runde zusammengesetzt ist und wie die Zielsetzung aussieht. Man kann natürlich zusammensitzen, fünf Stunden plappern und hat gar nichts erreicht. Oder man kann fünf Stunden mit guten Leuten diskutieren, hält die Gedanken fest und Zwanziger sagt: Gut, das bringe ich morgen in die Fifa ein.

SPIEGEL ONLINE: Zwanziger brachte neben Ihnen auch DFL-Präsident Reinhard Rauball, den Bayern-Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, Franz Beckenbauer, Adidas-Vorstand Herbert Hainer und den ehemaligen BGH-Präsidenten Günter Hirsch ins Gespräch.

Schenk: Da sind einige dabei, mit denen man vernünftig arbeiten kann. Aber Beckenbauer?

SPIEGEL ONLINE: Was haben Sie gegen den deutschen Ehrenspielführer, der lange Zeit der Fifa-Führung angehörte?

Schenk: Bei aller Liebe, Beckenbauer hat vier Jahre in der Fifa den Mund nicht aufbekommen, da habe ich jetzt Zweifel. Er hat die Situation mit zu verantworten. Wer vier Jahre in einem Exekutivkomitee sitzt und da passiert so ein Chaos, kann jetzt nicht nur sagen: Blatter ist schuld, ich kann nichts dafür. Beckenbauer ist eine Führungskraft der Fifa gewesen, daher bin ich skeptisch, ob von ihm große Impulse kämen. Auch Günter Hirsch hat sich mit seinem fehlenden Engagement in der Ethik-Kommission der Fifa eher blamiert. Mit den anderen kann man sicher hervorragend reden.

SPIEGEL ONLINE: Sie stehen also für Zwanzigers Initiative zur Verfügung?

Schenk: Das kann etwas werden. Aber es hängt davon ab, was Zwanziger mit der Runde bezweckt. Wir von Transparency International wollen eine klare Zielsetzung - und keinen runden Tisch, nur damit hinterher gesagt wird, wir haben ja darüber geredet.

SPIEGEL ONLINE: Zwanziger lobte auf dem Fifa-Wahlkongress Blatters Reformwillen. Wie beurteilen Sie Zwanzigers Verhalten?

Schenk: Wenn Blatter wirklich super Vorschläge gemacht hätte, könnte ich das ja noch verstehen. Aber alles, was Blatter da geäußert hat, war in meinen Augen Alibi oder sogar lächerlich.

SPIEGEL ONLINE: Was bringt Sie zu diesem harschen Urteil?

Schenk: Alleine der Vorschlag Placido Domingo als Berater für das neue "Lösungskomitee der Fifa" heranzuziehen. Der kann uns sicher etwas vorsingen und das ist dann ein Kunstgenuss. Aber was qualifiziert ihn dazu, das zu machen, was jetzt an hochprofessioneller Arbeit bei der Fifa nötig ist? Auch die weiteren Komitee-Mitglieder Johan Cruyff, Pelé - die können Fußball spielen oder auch noch Trainer sein. Aber in den notwendigen Fragen haben sie sich doch überhaupt nicht betätigt.

SPIEGEL ONLINE: Blatters Vorschläge haben also keinen realitätsbezogenen Hintergrund?

Schenk: Nein. Und das hätten die einzelnen Verbände auf dem Fifa-Kongress auch deutlich sagen müssen. Ganz abgesehen davon, dass nach wie vor Bestechungsvorwürfe gegen etliche Fifa-Delegierte im Raum stehen.

SPIEGEL ONLINE: Kann Zwanziger so zum unbequemen Geist im Fifa-Exekutivkomitee werden?

Schenk: Grundsätzlich traue ich Zwanziger das zu, dann muss er jetzt aber auch ran.

SPIEGEL ONLINE: Wäre eine Enthaltung bei der Wahl Blatters nicht ein guter Anfang gewesen?

Schenk: Sicher, je mehr Verbände sich enthalten hätten, desto weniger hätte eine von Zwanziger als Gefahr genannte "sportpolitische Isolierung" stattfinden können. Mit mehr Enthaltungen und deutlichen Wortmeldungen hätte der Mechanismus nicht funktioniert. Daher wurde eine Chance vertan.

SPIEGEL ONLINE: Bayern-Aufsichtsratschef Uli Hoeneß kommentierte Blatters Wiederwahl mit den Worten "Wegschauen heißt auch akzeptieren. Wer das tut, ist mitschuldig".

Schenk: Manchmal muss man einfach offensiv Signale setzen, wenn man etwas verändern will. Und auf dem Fifa-Kongress wäre ein Signal dringend notwendig gewesen, das habe nicht nur ich vermisst. Das schließt natürlich nicht aus, dass man eben jetzt richtig loslegt

SPIEGEL ONLINE: In welcher Form?

Schenk: Erstens müssten alle Altfälle geklärt werden. Zweitens wäre ein umfassendes Compliance-Programm nötig, das Regelwerk, das sich Unternehmen und Organisationen gegeben haben, soll ja eingehalten werden. Alle Verdächtigungen müssen aufgeklärt werden, das muss jetzt endlich einmal angegangen werden.

SPIEGEL ONLINE: Was passiert, wenn nichts unternommen wird?

Schenk: Dann bekommt man wirklich nie Ruhe in die Fifa. Diese Aufklärung muss völlig unabhängig betrieben werden, das kann die Fifa nicht weiter selbst in der Hand haben, dazu ist viel zu viel Glaubwürdigkeit verloren gegangen.

SPIEGEL ONLINE: Was für ein Gremium käme für die Aufklärung in Frage?

Schenk: Ein unabhängiges Supervisory Board, eine wirklich unabhängige Kommission mit Leuten von hoher Reputation und mit Fachwissen. Bitte nicht Placido Domingo, sondern ehemalige hochrangige Richter, Politiker, Juristen, Professoren - einfach Personen, denen man weltweit zutraut, dass sie unabhängig entscheiden.

SPIEGEL ONLINE: Nur Männer?

Schenk: Vielleicht auch einige Frauen, um endlich diese Männerbündelei in der Fifa aufzusprengen. Allein das würde schon etwas ändern. Diese Art Aufsichtsrat sollte dann eine unabhängige Anwaltskanzlei aussuchen, die die eigentliche Untersuchung führt. Nur so kann Glaubwürdigkeit entstehen.

Das Interview führte Steffen Schneider