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Welteroberung als Brettspiel Was wurde eigentlich aus »Risiko«?

Stundenlanges Würfelwerfen um die Weltherrschaft: Kann man das heute noch spielen? Wir haben es für Sie ausprobiert und stellen moderne Alternativen vor.
Eine ältere Ausgabe von »Risiko«

Eine ältere Ausgabe von »Risiko«

Foto:

Diana Doert / DER SPIEGEL

»Risiko«

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Partie »Risiko«. Ich war im Sommer gerade 13 Jahre alt geworden und meinem Vater und meinem Onkel fehlten Gegner am Spieltisch. Nachdem ich die erste Partie auf Anhieb gewonnen hatte, wurde mir wortreich erklärt, warum ich wohl gesiegt hatte. Auch nach meinem zweiten Sieg gab es wohlwollende Kommentare zu meinem Würfelglück. Dass ich dann aber beim nächsten Mal nicht mehr mitspielen durfte, weil »das Thema nichts für 13-Jährige ist«, hat meiner Begeisterung für Brettspiele zum Glück nicht geschadet.

»Risiko«-Schachtel, früher (l.) und heute
»Risiko«-Schachtel, früher (l.) und heute

»Risiko«-Schachtel, früher (l.) und heute

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Diana Doert / DER SPIEGEL

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Diana Doert / DER SPIEGEL

Worum ging’s noch mal?

Nichts Geringeres als die Weltherrschaft streben wir an! Eine Nummer kleiner haben wir es gerade nicht. Und wie gewinnt man diese Herrschaft? Mit sehr, sehr viel Würfelglück und endlosen Schlachten. Es gibt verschiedene Varianten, die man spielen kann. So können zu Spielbeginn geheime Aufträge vergeben werden und es gewinnt, wer seinen zuerst erfüllt. Oder man spielt die klassische Version, und es siegt, wer die Welt erobert. Im Grunde macht man aber immer dasselbe: Armeen verteilen, Länder angreifen, siegreich sein oder geschlagen werden – und danach das Ganze noch mal von vorn.

Ein alter (l.) und der aktuelle Spielplan von »Risiko«
Ein alter (l.) und der aktuelle Spielplan von »Risiko«

Ein alter (l.) und der aktuelle Spielplan von »Risiko«

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Diana Doert / DER SPIEGEL

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Diana Doert / DER SPIEGEL

Taugt das heute noch?

Jein. Die heutige Ausgabe kommt mit ein paar Änderungen daher. Das fängt damit an, dass Länder nicht mehr »erobert«, sondern »befreit« werden, seit es wegen derartig militärischer Formulierungen in der Spielbeschreibung in den Achtzigern Ärger mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften gab. Geheime Aufträge und eine ganz brauchbare Zwei-Personen-Version verhindern zudem endloses Gewürfel. Ein glücksbasiertes Kriegsspiel bleibt »Risiko« dennoch. Aus nostalgischen Gründen mal ein, zwei Runden spielen ist ganz nett, aber da es so viel bessere Eroberungsspiele gibt, sollte man nach einer Partie »Risiko« lieber anderes ausprobieren.

Hasbro; 2–4 Spieler:innen; ab 8 Jahren

Für alle, die sich gern auf dem Spielbrett ausbreiten wollen, aber ein bisschen Abwechslung wollen, gibt es noch ein paar Spiele, die »Risiko« Konkurrenz machen können. Hier kommt unsere Auswahl:

»Small World«

Worum geht’s?

Die Welt ist endlich, und unsere fantastischen Völker sind es auch. In »Small World« beginnen wir damit, dass wir uns ein Volk zusammenbasteln, bestehend aus einer Rasse und einer Spezialfähigkeit. Zur Auswahl stehen alte Fantasy-Bekannte wie Zwerge, Elben, Halblinge, Trolle, Orks und viele mehr. Diese werden mit Fähigkeiten wie etwa »fliegend«, »plündernd«, »Wald« oder »Unterwelt« kombiniert. So erschafft man zum Beispiel seine ganz eigenen »Drachenbändigertrolle« oder »Diplomatenorks«.

Mit »Drachenbändigertrollen« oder »Diplomatenorks«: »Small World«

Mit »Drachenbändigertrollen« oder »Diplomatenorks«: »Small World«

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Diana Doert / DER SPIEGEL

Gut ausgestattet geht es dann fröhlich auf Expansionskurs auf dem Spielbrett. Wer am Zug ist, versucht, seine Gegner zu besiegen und sein Einflussgebiet zu vergrößern oder – und das ist der Clou – sein Volk untergehen lassen. Denn im Gegensatz zu anderen Spielen können sich hier die Völker nur sehr begrenzt ausbreiten. Hat man keine Plättchen seines Volkes mehr, wird der Niedergang eingeläutet und man bekommt ein neues. Solange das alte Volk aber noch Platz auf dem Spielplan belegt, kassiert man dafür in jeder Runde weiterhin Punkte, während man mit der neuen Bande fleißig an deren Ausbreitung arbeitet. Je nach Spielerzahl endet das Spiel nach einer bestimmten Anzahl Runden. Wer bis dahin die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt.

Taugt das was?

Kaum ein Spiel habe ich mit mehr Begeisterung wieder und wieder gespielt. Der Clou, dass wir unsere Völker irgendwann aufgeben müssen und die Expansion so schnell zum Erliegen kommt, macht aus einem langatmigen Stellungskrieg auf dem Spielbrett eine abwechslungsreiche, strategische Angelegenheit. Die zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Völker und Spezialfähigkeiten geben »Small World« einen hohen Wiederspielwert. Jede neue Zusammenstellung führt zu einer anderen Strategie. Da spielt man gern noch eine Partie. Und noch eine. Und noch eine.

Days of Wonder; 2–5 Spieler:innen; ab 8 Jahren; Autor:innen: Philippe Keyaerts

»Cthulhu Wars«

Worum geht’s?

Es wird finster auf der Welt. Wer das eine oder andere Werk von H.P. Lovecraft gelesen hat, weiß das natürlich schon lange. Die großen Alten werden auferstehen, und dann ist erst mal Essig mit der Welt, wie wir sie kennen. Fortan soll Chaos herrschen.

Spielziel Weltuntergang: »Cthulhu Wars«

Spielziel Weltuntergang: »Cthulhu Wars«

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Diana Doert / DER SPIEGEL

In »Cthulhu Wars« sind wir aber zum Glück auf der richtigen Seite. Wir spielen eine Fraktion der großen Alten und hätten gern die Macht über die ganze Welt. Der Weg dorthin ist allerdings anspruchsvoll. Wir benötigen 30 Verdammnispunkte und sechs Zauberbücher.

Obwohl die Spielregeln recht zügig erlernt werden, hat das Spiel viel Tiefe. Dadurch, dass die verschiedenen Fraktionen unterschiedlichen Mechanismen folgen, muss man nicht nur die eigenen Spielzüge planen, sondern auch die übrigen Weltherrscher in spe im Auge behalten.

Bis eine Fraktion die Siegbedingungen erfüllt hat, läuft das Spiel immer gleich ab. Solange wir noch Macht haben, führen wir reihum Aktionen aus. Dann bekommen wir passend zu unserer bisher erworbenen Stärke mehr Macht, und es wird geschaut, wer durch welche Aktionen Siegpunkte erlangt. Solange keine Fraktion die Bedingungen für den Sieg erfüllt, wird munter weiter gemetzelt.

Taugt das was?

Selten hat die Apokalypse so viel Spielspaß gebracht. Die vergleichsweise einfachen Regeln machen den Einstieg leicht. Da man aber ein paar Spielrunden benötigt, um einen Plan von der eigenen Weltuntergangstruppe zu bekommen, und gleichzeitig die Mitspieler:innen gut im Auge behalten muss, hat man erfreulich viel zu entdecken. Außerdem sind sich die Fraktionen auf dem Spielplan von Beginn an recht nah, die Auseinandersetzungen lassen also nicht lange auf sich warten. Wer gern Miniaturen anmalt, kann sich bei der Masse an großen und kleinen detailreichen Minis zudem auf einen langen, ausgefüllten Winter freuen – und auf den Weltuntergang.

Pegasus Spiele; 2–4 Spieler:innen; ab 12 Jahren; Autor:innen: Sandy Petersen

»Twilight Imperium – Vierte Edition«

Worum geht’s?

Die nächste Eskalationsstufe in Sachen Globalstrategiespiele ist ein kleiner Quantensprung. In »Twilight Imperium – Vierte Edition« oder auch kurz »TI4« genannt, ist nichts klein. Nicht die Anleitung, nicht die Spieldauer, nicht die Masse an Spielmaterial und schon gar nicht die Komplexität.

Brüchige Allianzen und ein komplexes Regelwerk: »Twilight Imperium – Vierte Edition«

Brüchige Allianzen und ein komplexes Regelwerk: »Twilight Imperium – Vierte Edition«

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Diana Doert / DER SPIEGEL

Angesichts des Themas ist das aber auch gerechtfertigt. Immerhin liegt unsere Galaxie gerade ziemlich am Boden, und so ein leerer Thron ist für uns alle eine zu große Verlockung, als dass wir friedlich auf unseren Planeten sitzen bleiben könnten. Um der Thronbesteigung näherzukommen, benötigen wir Siegpunkte, wer zuerst zehn davon hat, gewinnt.

Bis dahin können aber einige Stunden vergehen. Fraktion auswählen, Flotte bauen, losfliegen und vor allem: viel Verhandeln! Mit reinem Waffengeprotze allein kommt man nicht zum Sieg. Die 17 verschiedenen Fraktionen, aus denen man wählen kann, spielen sich alle unterschiedlich, der Wiederspielwert ist dadurch riesig.

Taugt das was?

Wer es episch mag und nicht vor Superlativen zurückschreckt, ist hier gut aufgehoben. Wer aber mehr vom Typus »schweigsam vor sich hin an der Strategie basteln« ist, wird vermutlich weniger Freude haben. Die permanent wechselnde Interessenlage führt zu allerlei spannenden und brüchigen Allianzen. Mit der nötigen Weitsicht und ausreichend Diplomatie ist der Weg zur Thronbesteigung aber sehr unterhaltsam.

Zum Schluss noch ein kleiner Hinweis. Falls Sie, wie ich, zu gelegentlichen Anfällen völliger Selbstüberschätzung neigen, kann ich Ihnen raten, sich Zeit für die Regellektüre zu nehmen. Meine Idee, dass ich das Spiel ja schon kenne und die Regeln nur »mal eben auffrischen« muss, war völliger Mumpitz. Irgendwo in der Mitte der Spielanleitung habe ich dann kapituliert und die Lektüre auf einen Tag mit einem deutlich größeren Zeitfenster verschoben. Also seien Sie gewarnt: Mal eben so geht bei »TI4« gar nix.

Fantasy Flight Games; 3–6 Spieler:innen; ab 14 Jahren; Autor:innen: Dane Beltrami, Corey Konieczka, Christian T. Petersen