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Anklage gegen Anton Schlecker Wie der Drogeriekönig Vermögenswerte verschob

Anton Schlecker ist wegen vorsätzlichen Bankrotts angeklagt. Noch vor der Pleite versuchte er, seine Millionen in Sicherheit zu bringen. Wie das funktionierte, hat das manager magazin im November 2015 recherchiert. Wir dokumentieren den exklusiven Bericht.
Lars und Meike Schlecker

Lars und Meike Schlecker

Foto: Stefan Puchner/ picture alliance / dpa

Anton Schlecker gab den Big Spender. Ehingen, März 2011. Schlecker, damals Alleinherrscher über das "größte Drogeriemarktunternehmen der Welt" mit Tausenden Filialen in 17 Ländern, wollte seinen Liebsten etwas Gutes tun. Rund 800.000 Euro sollten es sein, gerecht aufzuteilen auf seine Enkelkinder. Geschenk von Opa Anton.

Viereinhalb Jahre später könnte Großpapas Großherzigkeit strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Ermittler der Stuttgarter Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität wittern in der Schenkung eine Straftat (inzwischen haben sie Anklage erhoben). Schlecker, so der Eindruck der Fahnder, habe unter dem Deckmantel der Schenkung Geld verschoben - obwohl sein finanzieller Niedergang längst absehbar war. Im Gesetz heißt eine solche Straftat "Bankrott". Bis zu fünf Jahre Haft drohen im schwersten Fall.

Gemessen an seinem Vermögen, war Schleckers Präsent kein großes Ding. Auf fast drei Milliarden Euro saß der Händler zu Glanzzeiten. Zum Problem könnte das Timing seiner Großzügigkeit werden. Denn im Frühjahr 2011 war der Drogeriekönig von Ehingen schon fast nackt. Kunden mieden die oft maroden Läden mit dem blau-weißen Logo, der Umsatz stürzte binnen zweier Jahre von 7,2 auf 5,2 Milliarden Euro, Hunderte Filialen mussten geschlossen werden. Der Handelsriese wankte.

"Kein signifikantes Vermögen mehr da"

Keine zehn Monate später gab der Konzern eine Pressekonferenz. Schleckers Tochter Meike, schwarzer Blazer, glitzernde Ohrringe, glattes blondes Haar, verkündete mit dünner Stimme, einen Stift zwischen den Fingern kreiselnd, das Aus: "Es ist kein signifikantes Vermögen mehr da." Schleckerland war abgebrannt.

Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz, 46, übernahm, kassierte Geschenke wie jenes an die Enkel wieder ein, im Namen der 23.000 Gläubiger. Seitdem kleben die gefürchteten Stuttgarter Fahnder - bekannt auch für ihre Ermittlungen gegen den Drogeriekollegen Erwin Müller, 83, und Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, 63,- an Schleckers Fersen.

Den Auftakt gestalteten die Staatsanwälte höchst effektvoll an einem heißen Julitag im Jahr 2012 mit Razzien in 18 Wohnungen und vier Geschäftsgebäuden. Inzwischen sind die Ermittlungen weitgehend abgeschlossen, eine Anklage gegen Schlecker wegen betrügerischen Bankrotts gilt als wahrscheinlich.

Dem Pleitier droht das Neonlicht des Gerichtssaals - und damit der Abschied von seinem zurückgezogenen Leben im schwäbischen Ehingen. Dort ist seit Juni der prägnante Schriftzug vor der Hauptzentrale verschwunden. Die neun silbernen Großbuchstaben - jeder um die 50 Kilo schwer - wurden abmontiert. Der Glaspalast gehört mittlerweile der Businesspark Ehingen Donau GmbH, einer der ersten Mieter ist - schau an - die Firma CML Schlecker Immobilienverwaltung GmbH & Co. KG.

Finanzielle Abbitte schützt nicht vor Strafverfolgung

CML steht für die Anfangsbuchstaben der Vornamen von Schleckers Ehefrau Christa, 67, und den Kindern Meike, 42, und Lars, 44. Die CML hat sich in der gleichen siebten Etage im sogenannten Turm eingemietet, in der zu besseren Zeiten Anton und Christa Tür an Tür residierten. Nun kommt nur noch Anton regelmäßig ins Büro.

Die Schleckers haben in einem Vergleich mit Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz finanzielle Abbitte geleistet - für Vermögensverschiebungen überwiesen sie zehn Millionen Euro. Vor strafrechtlicher Verfolgung wird sie das nicht bewahren.Vielmehr spüren die Staatsdiener auch Meike und Lars nach, ebenso wie früheren Schlecker-Managern.

Über die Rolle von Schleckers Ehefrau Christa scheinen sich die Fahnder indes noch nicht so recht im Klaren zu sein. Die gelernte Fremdsprachensekretärin war Schleckers rechte Hand, zuständig fürs Personal und mit monatlich 60.000 Euro üppig dotiert. Derlei Details finden die Schlecker-Anwälte in den staatsanwaltlichen Akten, die sie derzeit einsehen dürfen. Noch im Herbst sollen die renommierten Strafverteidiger dazu Stellung nehmen.

Klaus Volk (Anwalt von Christa Schlecker) hat ebenso wie Ecclestone-Advokat Norbert Scharf (er vertritt Anton) gerade erst den epischen Sal.-Oppenheim-Prozess mit 128 Verhandlungstagen durchlebt. Ihr Sitzfleisch könnte schon bald erneut strapaziert werden. Keiner der Juristen wollte sich zu den Ermittlungen äußern.

Millionen für die Kinder

Brisant sind insbesondere Geschäfte zwischen Schlecker und dem Schwesterunternehmen LDG Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft mbH. Gesellschafter der inzwischen insolventen LDG waren Schleckers Kinder Meike und Lars. Ihre Beschäftigten kümmerten sich um die Schlecker-Logistik.

Nach Ansicht der Fahnder hat die LDG möglicherweise noch einem ganz anderen Zweck gedient. Über das Logistikunternehmen soll Anton Schlecker sukzessive Millionen auf seine Kinder übertragen haben - indem er überhöhte Preise zahlte. Nach Schätzungen der Gewerkschaft Verdi kassierten sie jährlich mehrere Millionen Euro über Marktpreis. Auch Insolvenzverwalter Geiwitz kam zu diesem Schluss. Die LDG erwirtschaftete zwischen 2006 und 2010 Jahr für Jahr traumhafte Umsatzrenditen von bis zu 40 Prozent, während die Drogeriekette teils tiefrote Zahlen schrieb.

Die LDG revanchierte sich, indem sie Anton Schlecker einen üppigen Kredit in Höhe von 50,7 Millionen Euro gab - und damit ihrerseits zumindest die Grenzen des Rechts auslotete. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young vermerkten im Jahresabschluss für 2010: "Die Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens hängt entscheidend von der Werthaltigkeit einer Darlehensforderung ab." Mit anderen Worten: Die LDG stand und fiel mit der Rückzahlung des Kredits.

Für Staatsanwälte klingt das verdächtig nach Untreue. Denn ein Geschäftsführer macht sich strafbar, wenn er ein Darlehen gewährt, das nicht hinreichend abgesichert und dessen Ausfall existenzbedrohend ist. Auch die Rolle der LDG-Gesellschafter Meike und Lars Schlecker dürfte die Fahnder brennend interessieren.


Anmerkung der Redaktion: Dies ist eine leicht gekürzte Übernahme des Exklusivberichts aus dem manager magazin aus dem November 2015. Am 13. April 2016 hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart Anklage gegen den früheren Unternehmer Anton Schlecker sowie dessen Frau, Sohn und Tochter erhoben.

Massimo Bognanni