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Verdacht auf Foto-Retusche Der Siemens-Chef und die verschwundene Rolex

Siemens hat gerade einen Profitrekord geschafft, will aber 1350 Stellen streichen. Da hielten es die PR-Experten des Konzerns wohl für geboten, ihren neuen Chef Klaus Kleinfeld als bescheidenen Menschen zu präsentieren: Auf der neuen Variante eines offiziellen Pressefotos fehlt eine hochwertige Uhr. Wurde sie digital getilgt?

München/Hamburg - Wenn beide Bilder nebeneinander stehen, fühlt man sich an das Suchspielchen "Original und Fälschung" erinnert. Zwei Varianten eines offiziellen Siemens-Fotos zeigen den neuen Konzernchef, wie er sich lässig schräg gegen ein Geländer vor einem Fenster lehnt. Beide Bilder sehen auf den ersten Blick identisch aus - Mimik und Haltung Kleinfelds scheinen exakt überein zu stimmen.

Der auffällige Unterschied: Auf dem einen Bild trägt Kleinfeld keine Armbanduhr. Dieses Foto hat Siemens anlässlich der gestrigen Amtseinführung Kleinfelds verbreitet. Im Sommer hingegen hatte der Konzern die offenbar identische Aufnahme veröffentlicht, auf der eine auffällige, mehrere tausend Euro teure Rolex an Kleinfelds linkem Armgelenk zu sehen ist.

Siemens-Sprecher: Das sind zwei verschiedene Fotos

Der Verdacht liegt nahe, dass die Ursprungsaufnahme aus dem Sommer am Computer nachbereitet wurde, um die Uhr verschwinden zu lassen. Genau das bestätigt Judith Egelhof von der Publicis Kommunikationsagentur in München. "Wir haben das Foto digital am Bildschirm bearbeitet. Das war der Wunsch von Herrn Kleinfeld. Er hatte keine Zeit für ein zweites Foto-Shooting", sagte sie dem "Hamburger Abendblatt". Die Journalisten dort hatten den Rolex-Unterschied als erste bemerkt.

Siemens-Sprecher Peter Gottal wehrt sich gegen diese Darstellung. Die Rolex sei mitnichten wegretuschiert worden. Es habe vielmehr zwei Fotoserien gegeben: einmal mit und einmal ohne Uhr. "Wir werden das Foto mit der Uhr nicht mehr verwenden, weil das visuell überbetont ist." Gottal weiter: "Uns erschien die Uhr auf dem Foto zu dominant, das war einfach ein handwerklicher Fehler des Fotografen."

Einen Tag nach Kleinfels Amtsantritt hat Siemens heute Pläne für den Abbau von 1350 Stellen in der Festnetzsparte Communications verkündet, zu der auch das defizitäre Handy-Geschäft gehört. Rund 600 der betroffenen Arbeitsplätze sollen in Deutschland wegfallen, davon 400 in München und 200 in Berlin. Betriebsräte kritisierten die Pläne scharf und nannten sie unnötig. Siemens hat im vergangenen Quartal insgesamt eine Milliarde Euro verdient, ein Gewinnplus von 38 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.