Zum Inhalt springen

Premiere US-Ärzte planen erste Gesichtstransplantation

Das Rennen um die erste Gesichtstransplantation könnte bald beendet sein. Chirurgen in den USA haben die Genehmigung beantragt, den ethisch und medizinisch umstrittenen Eingriff durchzuführen. Erstmals würde ein Menschen das Gesicht eines Toten bekommen.

Es waren einige wenige, grässliche Unfälle, die Mediziner zu der riskanten Operation verleiteten. 1994 erfasste eine Maschine den Schopf eines indischen Mädchens und riss ihm Kopf- und Gesichtshaut ab. Abraham Thomas vom Krankenhaus von Ludhiana wurde so zum ersten Arzt, von dem bekannt wurde, dass er einem Menschen ein komplettes Gesicht annähte. Seitdem gab es weltweit noch zwei ähnliche Fälle, in denen Unfallopfern ihr eigenes Antlitz wiedergegeben wurde, wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet.

Wissenschaftler zogen daraus den Schluss, dass der Eingriff medizinisch machbar sei - und zwar nicht nur mit dem eigenen Gesicht eines Patienten. Amerikanische Mediziner wollen jetzt erstmals einem Menschen das Gesicht eines Fremden geben. Patienten, die durch Krebs, schwere Verbrennungen, Schusswunden oder Hundebisse entstellt sind, sollen das Antlitz eines Toten erhalten - komplett mit Ohren, Nase und Augenlidern.

Heftige Debatte in Großbritannien

Die Aussicht auf einen solchen Eingriff wurde im Jahr 2002 erstmals vom britischen Schönheitschirurgen Peter Butler eröffnet. Ende vergangenen Jahres erklärten die Ärzte dann öffentlich, alle medizinischen Hürden überwunden zu haben. Insbesondere die Abstoßung des fremden Gewebes sei durch neue Medikamente in den Griff zu bekommen.

Damit aber war die Debatte noch nicht beendet: Das renommierte Royal College of Surgeons war keinesfalls der Meinung, dass das Problem der Abstoßung ausreichend geklärt sei. Ebenso wichtig sind bis heute ethische Erwägungen und die Frage, mit welchen psychologischen Folgen ein Mensch zu kämpfen hätte, der das Gesicht eines Toten trägt. Auch die Wirkung auf die Angehörigen des Gesichtsspenders ist Teil der Debatte.

Während in Großbritannien weiter diskutiert wird, wollen die Amerikaner vorpreschen. Ein Team um den Schönheitschirurgen John Barker von der University of Louisville im US-Bundesstaat Kentucky bemüht sich derzeit um die Genehmigung für die Operation, berichtet der "New Scientist". Die Mediziner hätten bereits einen 30-seiten OP-Vorschlag eingereicht.

Keine Ähnlichkeit mit dem toten Spender

Dort heißt es dem Bericht zufolge, dass nach der Transplantation eventuelle Unebenheiten geglättet und fein vernäht werden. Die Abwehrreaktion gegen das Fremdgewebe hoffen die Spezialisten mit den üblichen Medikamenten kontrollieren zu können. Die Ärzte wollten nun mit der Suche nach einem Patienten und einem Spender für die erste Transplantation beginnen.

Das Team um Barker hatte im Januar 1999 als zweites weltweit eine Hand verpflanzt. Schon damals arbeiteten die ehrgeizigen Chirurgen in Kentucky am "Endziel", der Übertragung eines ganzen Gesichts.

Die Gefahr, die Hinterbliebenen des Gesichtsspenders könnten eines Tages mit dem Antlitz des Toten konfrontiert werden, sieht Barker nicht. Wegen der eigenen Schädelform sowie vorhandener oder fehlender Fettpölsterchen in Wangen und Lippen könne der Transplantatempfänger nie identisch mit dem Spender aussehen. Vielmehr sei das Ergebnis ein drittes, bis dahin nicht existentes Gesicht. Gravierender seien die Folgen für den Operierten: Ihm stünden voraussichtlich nur die Hälfte aller Nerven und Muskeln des Gesichts zur Verfügung.