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Archäologie Warum die Wikinger aus Grönland flohen

Lange lebten die Wikinger in Grönland. Warum jedoch zogen sie sich Ende des 14. Jahrhunderts zurück? Neben verlassenen Siedlungen der Nordmänner haben Wissenschaftler nun Hinweise auf die Ursachen der Flucht gefunden.
Zeichnung eines Wikingerschiffs: Rückzug aus dem Norden

Zeichnung eines Wikingerschiffs: Rückzug aus dem Norden

Foto: Corbis

Providence - Eine Klimaverschlechterung im Mittelalter - die sogenannte Kleine Eiszeit - stürzte Europa in große Schwierigkeiten: Ernten fielen aus, Krankheiten verbreiteten sich, auch Kriege werden auf das raue Klima zurückgeführt. Und selbst die hart gesottenen Wikinger hat die Kleine Eiszeit schwer getroffen, wie eine neue Analyse von Sedimentproben zeigt.

Mitte des 14. bis Anfang des 15. Jahrhunderts zogen sich die Nordmänner aus Grönland zurück. Schon länger war vermutet worden, dass neben Kämpfen mit den benachbarten Inuit und eingeschränkten Handelsmöglichkeiten besonders Klimaänderungen den Exodus provoziert haben könnten. Allerdings gab es nur wenige geschriebene Zeugnisse über das Ende der Wikinger-Siedlungen und auch die archäologischen Überreste ließen viele Fragen offen.

Selbst Proben von Eiskernen, die im ewigen Eis Grönlands genommen worden waren, hatten den Nachteil, dass sie nicht das Klima direkt am Ort der Wikinger-Siedlungen wiedergaben. Dieses Manko haben Forsche aus den USA und Großbritannien nun beseitigt: Aus den Sedimentproben zweier Seen nahe dem Siedlungsgebiet um die heutige Stadt Kangerlussuaq konnten sie eine komplette Klimageschichte der letzten 5.600 Jahre erarbeiten, berichten sie im Wissenschaftsjournal "Proceedings of the National Academy of Science" .

Die Vorgänger der Wikinger

"Dies ist das erste Temperatur-Protokoll der Gegend, in der sie wirklich gelebt haben", betont William D'Andrea von der Brown University in Providence, Rhode Island. "Da war tatsächlich ein Rückgang der Temperatur, kurz bevor die Wikinger verschwanden." Als Folge davon hätte sich die Zeit für den Ackerbau verkürzt und es habe weniger Futter für das Vieh gegeben.

Außerdem hätte die Kaltzeit den Handel erheblich behindert, da das Meer wesentlich länger durch Eis blockiert gewesen sei. D'Andrea sagt im Hinblick auf die heutige Zeit: "Es ist interessant, zu beobachten, wie schnell Klimawechsel vergangene Gesellschaften verändert haben - speziell im Licht der aktuellen schnellen Klimaänderungen."

Neben den Wikingern hatten die Wissenschaftler ebenfalls untersucht, wie sich das Klima auf die Vorgänger-Zivilisationen der Nordmänner ausgewirkt haben könnte. Auch hier konnten sie einen erheblichen Einfluss des Klimas nachweisen: Die sogenannten Saqqaq erreichten Grönland um 2.500 vor Christus. Als die Temperaturen 850 vor Christus erheblich sanken, wurden die Saqqaq von den Dorset verdrängt, die eher gewohnt waren, auf dem Eis zu jagen. 50 vor Christus wurde es dann wohl auch für die Dorset zu kalt. Sie verschwanden und ließen Grönland rund 1.000 Jahre unbewohnt, bis 980 die Wikinger auftauchten.

Als die Nordmänner ihre Kette kleiner Kolonien entlang der Westküste und im Süden der Insel errichteten, herrschte relativ mildes Klima, vergleichbar mit den heutigen Gegebenheiten. In diesem "Mittelalterlichen Klimaoptimum" grünte selbst Grönland - daher der Name der Insel. Als die Durchschnitts-Temperaturen später sanken, versuchten die Wikinger diesem Klima zunächst zu trotzen, mussten aber schließlich aufgeben.

boj/dapd