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Ölbohrungen vor den Kanaren: Touristiker sehen Urlaubsidylle in Gefahr

Foto: Transocean

Erdölsuche Firmen starten zu Probebohrungen vor Kanarischen Inseln

250 Kilometer vor der Kanareninsel Lanzarote will ein Konzern nach Erdöl bohren - eine Plattform ist bereits unterwegs. Tourismusbranche und Ökologen schlagen Alarm.
Von Angelika Stucke

Seit 1992 betreibt Ronny Roskosch seine Tauchschule auf Lanzarote, doch nun überlegt er, abzuwandern. "Ich schaue mich schon nach einem anderen Land um, in das ich mein Geschäft verlegen kann", sagt der Deutsche. Der passionierte Taucher befürchtet einen Rückgang seiner Einnahmen, wenn die Ölplattformen rund 250 Kilometer nordöstlich der spanischen Kanareninsel im Ostatlantik liegen werden. Große Erdölquellen im Meeresgrund zwischen Marokko und den Kanarischen Inseln in 500 bis 2000 Meter Wassertiefe locken die Firmen an.

Erste Probebohrungen sollen noch in diesem Jahr in marokkanischen Gewässern stattfinden. Die auf Tiefseebohrungen spezialisierte schottische Firma Cairn Energy bestätigte SPIEGEL ONLINE, noch "im vierten Quartal 2013" mit den Bohrungen beginnen zu werden. Ein genaues Datum nannte sie nicht. Die Bohrplattform "Cajun Express", mit der die Probebohrungen durchgeführt werden sollen, ist bereits auf dem Weg.

Auf spanischer Seite sind sie für 2014 vorgesehen, allerdings legte die kanarische Regierung Klage ein, und ob dort überhaupt einmal gefördert werden wird, ist fraglich. Ein erster Vorstoß wurde 2004 durch ein Urteil des Obersten Spanischen Gerichtshofes gestoppt. Zu groß sei die Gefahr für die Umwelt, hieß es.

Der anglo-türkische Erdölkonzern Genel Energy ist zusammen mit der schottischen Cairn Energy und anderen Ölfirmen an Marokkos Ölförderung beteiligt. Investoren sehen die Suche nach Öl in Marokkos Gewässern als großartige Gelegenheit. Allein für 2014 sei das Erschließen von bis zu 10 neuer Quellen am Meeresgrund geplant, hieß es in einem von Citi Research im Februar 2013 veröffentlichten Schreiben. "In Marokko haben wir es mit mehr technischen als politischen Risiken zu tun", sagte Tony Hayward von Genel Energy im August.

Beben am Meeresgrund

Die Bevölkerung auf den Kanaren ist alarmiert, denn die marokkanischen Ölfelder im Atlantik grenzen direkt an die spanischen und liegen sozusagen vor ihrer Haustür. Wie Ronny Roskosch haben die meisten Angst, ihr größter Wirtschaftsfaktor, der Tourismus, könne unter der Ölförderung leiden.

Die aktiven Vulkane der Kanarischen Inseln erhöhen die Bedenken. Immer wieder zittert die Erde, vor allem der Meeresgrund. Im Juni erreichte ein Erdbeben in dem Gebiet, wo nun probegebohrt werden soll, die Stärke von 3,7. Doch auch etwas stärkere und damit spürbare Beben können in der Region vorkommen.

Das sei kein ungewöhnliches Risiko für die Erdölförderung, betont der auf Petroleumgeologie spezialisierte Professor Andrew Hurst von der Universität in Aberdeen: "Einige der größten Ölfördergebiete der Welt liegen in Gegenden mit häufig auftretender seismischer Aktivität", sagt er. Die natürlich auftretenden Beben stellen seiner Ansicht nach keinen ausreichenden Grund dar, der gegen eine Ölförderung sprechen würde.

"Man kann auf viele solide Daten zurückgreifen, um nachzuweisen, dass natürliche seismische Aktivität keine ernsthaften Risiken für Aktivitäten der Ölindustrie birgt", sagt Hurst. Er habe die betreffende Zone im Atlantik zwar nicht studiert, glaube aber nicht, dass die Suche nach Erdöl dort ihrerseits Beben hervorrufen würde. Andere Gefahren für die Umwelt könne er allerdings nicht beurteilen, er kenne die Gegend nicht ausreichend.

Wandern Wale ab?

Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur Unesco warnt vor den geplanten Bohrungen im Hinblick auf einen möglichen Unfall: Die Auswirkungen einer Ölverschmutzung würden sich negativ auf die Artenvielfalt der Insel auswirken, schreibt die Unesco in einer Studie, die im September veröffentlicht wurde.

Seit 1993 zählt Lanzarote mit Teilen seiner Gewässer zu den Biosphärenreservaten der Erde. Schon die Probebohrungen könnten negative Auswirkungen auf die Fauna der Insel und ihrer Gewässer haben. "Der von den Bohrplattformen verursachte Lärm wird dazu führen, dass Delfine und Wale die Gegend meiden." Auch Fischschwärme ziehen lieber in andere Gewässer. Der Kabeljaufang zum Beispiel verringere sich um bis zu 70 Prozent in Zonen mit Ölförderplattformen, heißt es in der Studie.

Der Hamburger Zoologe Horst Wilkens, der die Ökologie Lanzarotes seit vielen Jahren untersucht, warnt in einem Schreiben ebenfalls davor, die Artenvielfalt Lanzarotes durch Ölförderung leichtfertig aufs Spiel zu setzen. "Ölförderung zwischen Lanzarote und der afrikanischen Küste birgt Gefahren für das hier vorhandene einzigartige Ökosystem. Das potentielle Risiko einer Ölverschmutzung ist nicht nur von nationaler Bedeutung. Die Auswirkung auf Zugvögel macht es zu einer internationalen Bedrohung."