Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Asteroiden: Gefährliche Geisterfahrer

Foto: Corbis

Asteroiden Gefahr aus dem All

Zehntausend Asteroiden nähern sich regelmäßig der Erde - es ist nur eine Frage der Zeit, wann und wo es zum Einschlag kommt. Trotzdem ist die Erde schlecht vorbereitet. Selbst Experten haben Mühe, die kosmischen Brocken zu berechnen.

Alan Harris probt den Weltuntergang. Der Forscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) leitet das internationale Asteroiden-Abwehr-Projekt NeoShield. Und die Experimente sind nicht so furchterregend, wie sie klingen: Die Forscher schießen im Labor mit Gaskanonen auf künstliche Mini-Asteroiden. Dann schauen sie sich an, welchen Schaden sie anrichten. Vielleicht helfen die Versuche eines Tages dabei, die Welt vor dem Zusammenstoß mit einem Geisterfahrer aus dem All zu retten: "Wir müssen mehr über ihre Zusammensetzung erfahren, damit wir sie von ihrer Umlaufbahn ablenken können", sagt Harris.

Mehr als 600.000 Asteroiden wurden in unserem Sonnensystem schon aufgespürt. Mindestens zehntausend nähern sich der Erde in regelmäßigen Abständen. Diese "near earth objects", kurz Neos, bereiten Experten Sorgen. Ein Einschlag könnte katastrophale Folgen haben - doch bis heute ist die Welt kaum darauf vorbereitet.

Dass die Gefahr real ist - davon künden auch die großen Krater auf dem Mond, die sich Nacht für Nacht mit bloßem Auge erspähen lassen. Erst im September vergangenen Jahres ist wieder ein Asteroid auf dem Erdtrabanten eingeschlagen: 400 Kilo schwer, 61.000 Kilometer pro Stunde schnell, etwa vom Format eines Kühlschranks. Zurück blieb ein Krater von etwa 40 Metern Durchmesser.

Doch Fachleute wurden von dem Impakt überrascht. "Asteroiden sind schwer zu beobachten", sagt José Madiedo von der spanischen Universität Huelva. Er hatte den Mond-Einschlag beobachtet. "Die meisten Asteroiden haben eine sehr dunkle Oberfläche. Deshalb können sie nur gesehen werden, wenn sie groß genug sind und vergleichsweise nah."

Ein 270-Meter-Asteroid mit dem Spitznamen Moby Dick hat erst kürzlich die Erde passiert - jedenfalls wird das vermutet. Vor 14 Jahren ist er entdeckt worden, und Berechnungen zufolge hätte er Mitte Februar wieder da sein müssen. Doch als das Teleskop ausgerichtet war, sahen die Wissenschaftler: nichts. Moby Dick blieb verschwunden . So etwas kommt vor, sagt DLR-Mann Harris. "Irgendeine Sternwarte entdeckt einen Asteroiden", so fängt es an. Dann braucht es einige Stunden Beobachtungszeit, um die Flugbahn zu berechnen. "Und dann können wir grob voraussagen, wo er in der nächsten Nacht sein wird."

"Dann hat kein Teleskop der Welt mehr eine Chance"

Von der zweiten Nacht können die Astronomen bis in die nächste Woche rechnen, dann über einige Monate hinweg. Gibt es zwischendurch schlechtes Wetter - Pech gehabt. "Dann hat kein Teleskop der Welt mehr eine Chance." Auch fliegende Observatorien wie das kürzliche reaktivierte "Neowise" können nur einen Bruchteil der Steinbrocken erspähen.

Ängstliche beruhigt Harris mit Mathematik: "Entdecken wir einen Asteroiden erst ein Jahr, bevor er sich der Erde nähert, dann heißt das, er muss ziemlich klein sein." Einen Asteroiden, der groß genug ist, der Erde zu schaden, würde man 10 bis 20 Jahre im Voraus sehen, erwartet Harris.

Tatsächlich sind die wirklich großen Brocken auch ziemlich rar, sagt Astrophysiker Mario Trieloff von der Universität Heidelberg: "Doppelt so groß ist zehnmal so selten." Etwa tausend Asteroiden gebe es, die größer sind als einen Kilometer und die die Umlaufbahn der Erde kreuzen.

Sie sind groß genug, um der Erde potentiell gefährlich werden zu können - größere können einen nuklearen Winter auslösen. "90 Prozent davon sind uns bekannt", sagt Trieloff. Und von denen werde in den kommenden 100 Jahren wohl keiner auf der Erde einschlagen. Auch wenn es gelegentlich vielleicht etwas knapp wird.

Dschungel der Abkürzungen

Doch was tun, wenn tatsächlich ein größerer Brocken auf unserem Planeten einzuschlagen droht? Eine Mission, bei der Techniken zur Asteroidenabwehr tatsächlich getestet werden, gibt es bisher nicht. Die internationale Koordination der Abwehrbemühungen läuft nur langsam an - und die Weltenretter laufen Gefahr, sich im Dschungel der Abkürzungen zu verlaufen: SMPAG, IAWN, UNCOPUOS - das sind nur ein paar der Akronyme, unter denen sich Asteroiden-Experten treffen.

Die frisch formierte Space Mission Planning Advisory Group, kurz: SMPAG, traf sich kürzlich am Esa-Standort in Darmstadt. Rund 30 Abgesandte von 13 Raumfahrtagenturen saßen zusammen und berieten, was in Zukunft beraten werden soll. Im Auftrag der Vereinten Nationen soll die Arbeitsgruppe die Welt vor Asteroiden schützen.

Fotostrecke

Meteoriten und ihre Folgen: Riesige Krater, gefällte Wälder

Foto: AP/ Nasa

Von einem gemeinsamen Einsatz zum Test von Abwehrtechniken gegen Asteroiden ist die Welt noch denkbar weit entfernt. "Wir schauen uns erst einmal an, was jeder so tut", sagt Nasa-Vertreter Lindley Johnson. Ein Beispiel sei die US-Mission "Osiris-Rex", bei der eine unbemannte Sonde um das Jahr 2020 eine Bodenprobe vom erdnahen Asteroiden "Bennu" sammeln soll. Die japanische Raumfahrtagentur Jaxa plant ähnliches mit der Sonde "Hayabusa 2", bei der auch der kleine deutsche Lander "Mascot" mit zum Asteroiden 1999 JU3 fliegt.

Doch Techniken zur Ablenkung eines Asteroiden müssten anders überprüft werden: Da wäre zum Beispiel das Projekt "Aida" (Asteroid Impact & Deflection Assessment). Dabei soll ein Einschlagkörper auf Crashkurs mit einem Asteroidenduo namens "Didymos" gebracht werden soll. Bei dem kosmischen Billardspiel ließe sich studieren, wie der Zusammenstoß einen der beiden Asteroiden ablenkt. Doch über den Status einer Studie  ist "Aida" noch nicht hinausgekommen.

"Schwierigkeiten, einen passenden Asteroiden zu finden"

Oder aber Astronauten machen sich auf zu einem Asteroiden. Über eine "Asteroid Redirect Mission" denkt die Nasa derzeit nach. Ziel wäre aber nicht in erster Linie ein Rezept zur Rettung der Erde vor fiesen Flugkörpern. Eher ginge es darum, dem orientierungslosen US-Raumfahrtprogramm wieder eine symbolträchtige Richtung zu geben. Doch geeignete Reiseziele sind trotz der riesigen Menge an Felsbrocken im Sonnensystem nicht einfach aufzutreiben. "Es gibt Schwierigkeiten, einen passenden kleinen Asteroiden zu finden", gesteht Nasa-Mann Johnson ein.

Im Moment spiele man zwei Varianten für eine Reise im Jahr 2025 durch: Einerseits könne man einen Asteroiden vollautomatisch einfangen und in die Nähe der Erde zur Untersuchung durch Raumfahrer bringen. Man könne aber auch einen kleinen Felsbrocken von einem größeren Asteroiden aufsammeln und unter die Lupe nehmen.

Im aktuellen Nasa-Budgetentwurf für 2015, der das Aus für die fliegende Sternwarte "Sofia" besiegelt, hat Behördenchef Charlie Bolden beim Kongress 133 Millionen Dollar für die Vorbereitung der Asteroidenmission beantragt. Doch wenn der Ernstfall eintritt, werden die Amerikaner die Abwehr nicht allein bezahlen wollen. Forscher Harris sagt: "Wenn wir mit dem Rücken zur Wand stehen, dann können wir uns alles leisten."

Meteometer-Impaktometer: Wenn es knallt, dann so:

Den Autoren auf Twitter folgen: