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C. Tauzher: Mutter in Rage und ihre Kinder Von der Haarwasch-Hasserin zum Duschfreak

Ein sehr schlecht gelauntes Kind beim Haare waschen
Haarewaschen - für viele Kinder der schlimmste Sache der Welt
© iStock / Getty Images
Die Tochter hat Baden und Haarewaschen immer gehasst. Bis blitzartig die Pubertät einsetzt. stern-Stimme Christiane Tauzher muss plötzlich ernsthaft um ihr Badezimmer kämpfen - und um ihre Pflegeprodukte.

Die Zeiten, in denen ich die Mücke nur unter Einsatz von Seifenblasen, Wasserbomben und Knisterschaum in die Badewanne locken konnte, sind vorbei. Die Mücke kam als Katze zur Welt, was bedeutet, dass sie das Wasser von Geburt an scheute und von der gleichnamigen Ratte ungefähr ebenso weit entfernt war wie der Teufel vom Weihwasser. Zumindest am Anfang war das so. "Ich habe Angst", erklärte sie mir jeden Tag unter lautem Schluchzen, sobald das Wasser in die Wanne lief. Begründen konnte sie dieses Gefühl nicht. Auch konnte sie mir nicht erklären, weshalb das Wasser im öffentlichen Schwimmbad völlig harmlos zu sein schien. Aus dem Schwimmbecken wollte sie nämlich nie freiwillig heraus, so schön fand sie es.

"Vielleicht", schlug der Olaf vor, "sollten wir das Wasser in der Badewanne mit einem Schuss Chlor und ein paar Bakterien aufpeppen." Ach, Olaf ...

Christiane Tauzher: Mutter in Rage und ihre Kinder

Meinen Lebenslauf hätte ich aufbauschen sollen. Die unaufgebauschte Wahrheit ist: Ich habe Wien seit meiner Geburt nur im Notfall verlassen. Für einen Job als Tratschkolumnistin ließ ich meinen Studienabschluss sausen. Damals, mit 21, fand ich das mutig. Heute, mit 41, finde ich das hirnverbrannt. Aus der Schublade "Society" bin ich mühsam wieder herausgeklettert.

Die Geschichten, die ich hier erzähle, handeln von meinen Kindern (der Mini, 3, und die Mücke, 13) und dem Olaf, 46. Es gibt keine weise Erkenntnis. Was es gibt, sind Storys aus einem fast perfekten Alltag.

Noch schlimmer als alles war Haarewaschen. Bei der alle drei bis vier Wochen durchgeführten Prozedur vergoss die Mücke so viele Tränen, dass ich Angst hatte, die Wanne würde übergehen. Egal, welches Shampoo ich verwendete, egal wie dick der Schwamm auch war, den sie sich auf die Augen presste, ihre Schmerzensschreie waren bei geschlossenen Fenstern bis zum Vis-a-vis-Nachbarn zu hören, der mich eines Tages tatsächlich fragte, ob ich die Mücke schlagen würden. Mir wurde bei dem Gedanken heiß, dass uns der Nachbar, ein ehemaliger Jäger, das Jugendamt vorbeischicken könnte. Trotz der Erklärung, dass die einzige Folter, der ich meine Tochter unterzog die des Haarewaschens sei, sah ich ihn weiter durch seinen Feldstecher in unsere Richtung schauen. Das führte dazu, dass ich der Mücke nur mehr dann die Haare wusch, wenn das Auto des Nachbarn nicht vor der Türe stand.

Einmal, als der Nachbar sein Haus wohl krankheitsbedingt tagelang nicht verließ, Mückes Haare aber keinen Aufschub mehr duldeten, stiegen wir mit einem Eimer warmen Wassers in den Keller hinunter, um die gellenden Schreie der Mücke unter der Decke zu halten. Mein Vorschlag, die Haare abzuschneiden, erhöhte die Lautstärke der Schreie nur noch. "Es tut mir leid", sagte ich, "aber du lässt mir keine andere Wahl."

Die Mücke kauerte schniefend, einen Waschlappen auf das Gesicht gepresst, zwischen Autoreifen und Brennholz, während ich ihr aus einer Plastikgießkanne Wasser über den Kopf leerte. Mit einem Fuß drückte ich die Türe zu, damit mir die Mücke nicht entwischte. Ich sang ein Kinderlied nach dem anderen, um sie und mich zu beruhigen. Es war eine Folterprozedur für uns beide. "Was machst du da eigentlich?", fragte ich mich. Hätte mir eine Freundin erzählt, dass sie ihr Kind aus Angst vor dem Nachbarn zum Haarewaschen in den Keller schleife, wäre ich schockiert gewesen. Ich war von mir selbst auch schockiert, aber was blieb mir anderes übrig?

Zum Glück war der Nachbar nicht oft krank.

Selbst als die Mücke in ein Alter kam, in dem sie sich allein wusch, musste ich sie daran erinnern, dass Haare auch Teile des Körpers sind.

Und dann kam die Pubertät

Über Nacht war alles anders. Die Erkenntnis, dass gewaschene Haare besser aussehen als ungewaschene, brachte die Pubertät mit. Schön sein ohne Wasserkontakt funktionierte nicht, und die Mücke sattelte auf Wasserratte um. Jahrelang hatte sie mir weisgemacht, dass sich jeder Wassertropfen auf ihrer Haut wie ein Nadelstich anfühlte und jetzt, auf einmal, Simsalabim, konnten gar nicht genug Nadeln auf sie niederprasseln. Duschen wurde zu einer ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Genüsslich hielt sie ihr Gesicht in den Brausestrahl und schmierte ihren Körper großzügig mit Duschgel ein, als wäre sie eine Kohlearbeiterin, die sich von zentimeterdicken Schmutzschichten befreien müsste. Die Haare wusch sich die Mücke jeden zweiten, manchmal sogar jeden Tag und verwendete dabei mehrere Hände voller Shampoo, bis die Schaumkrone auf ihrem Kopf fast die Decke berührte. "Da sammelt sich so viel Dreck in den Haaren. Allein der Feinstaub auf der Straße", erklärte sie mir, "am Ende des Tages sind die Haare wie ein verschmutzter Filter." Den Gedanken an den vielen Feinstaub, der sich täglich auf ihrem zwei Kilometer langen Schulweg, (den sie zu Dreiviertel in der Straßenbahn sitzend zurücklegte), an sie hängte und ihre Filter verstopfte, ertrug sie nicht. Duftende Sauberkeit hatte oberste Priorität. Meine Bitten, sparsamer mit den Pflegeprodukten umzugehen, wurden nicht erhört.

Als das mit dem Verschwenden anfing, erklärte ich der Mücke, dass eine haselnussgroße Menge Shampoo für ihren asymmetrischen Bubikopf ausreichen würde –besonders dann, wenn er dreimal pro Woche gewaschen werde. Die Mücke schnaubte, sagte "Ja ja" und "Okay" und änderte nichts. Auch der Vorrat meiner sündteuren Haarmaske reduzierte sich rasch, obwohl ich sie nur an Feiertagen verwendete.

Was sich ebenfalls rasch reduzierte, war meine Geduld. Nachdem die Mücke das Bad benutzt hatte, stolzierte sie wie eine Königin mit Handtuch-Turban in ihr Zimmer. Ich wartete ein paar Minuten, um ihr Zeit zu geben sich anzuziehen, bevor ich in Richtung ihres Zimmers rief: "Hast du nicht etwas vergessen?" Meistens bekam ich keine Antwort. Später würde sie sagen, dass sie mich nicht gehört hätte. Es hatte keinen Sinn auf Einsicht zu warten. Sie war einfach nicht vorhanden.

"Was kann ich dafür ...?"

Wenn ich das Badezimmer nach der Mücke betrat, bot sich mir immer dasselbe Bild: Die Mücke hatte sich Mühe gegeben, ihre Spuren nicht zu verwischen. Beim Aus-der-Wanne-Steigen fegte sie offene Flaschen und Tuben gern mit dem Handtuch um. Deren Inhalte krochen wie dicke, träge Würmer die Wannenwand hinunter. Manchmal gab es längere, manchmal kürzere Würmer – je nachdem, wie schnell ich die Flaschen entdeckte und seufzend wieder aufstellte. Die Verteidigung der Mücke sah so aus: "Was kann ich da dafür, wenn das blöde Handtuch die Flaschen umwirft?"

Der Föhn hing noch an seinem Kabel und lag auf dem Boden. Mü Mehrere Handtücher lagen auf dem Boden.

Mücke: "Der Boden war nass. Ich musste aufwischen."

Entnommen aus ...

"Ich sage es jetzt zum allerallerletzten Mal! Storys aus dem fast perfekten Alltag einer Mutter", von Christiane Tauzher, Goldegg Verlag, 14,95 Euro

Der Olaf sagte, dass ich mehr Geduld haben müsse, dass die Pubertät wieder vorbeigehe und dass das alles "ganz normal" sei. Seine Haarshampoos, die noch mehr kosten als meine, hielt er übrigens unter Verschluss. Da redete es sich leicht von Geduld. Aber ich wollte es versuchen und schrieb mit den Badewannenfarben vom Mini bunte Erinnerungen für die Mücke an die Fliesen. "Bitte Flaschen schließen", stand da zum Beispiel. Einmal zeichnete ich eine auf den Kopf gestellte Tube in einem Stopp-Schild. Leider schien die Mücke immer mit dem Rücken zur Wand zu baden oder zu duschen und die Botschaften gingen ins Leere.

Eine Zeit lang sah ich zu und wartete geduldig auf die Einsicht. Dann, als nichts geschah, kündigte ich an, Shampoos und Duschmittel zu verstecken, wenn sich nichts ändern würde. Die Mücke sah es ein, sagte "Ja ja" und "okay" und machte weiter wie bisher.

Als dann eines Abends nur noch eine ordinäre Hirschseife in einem Schälchen am Wannenrand lag, war die Mücke außer sich. (Anm. d. Red: Hirschseife ist eine ist Österreich sehr bekannte Variante der Kernseife.)

Ich sagte, dass es mir leidtue, dass ich jetzt aber lange genug zugeschaut und geredet und gebettelt hätte.

"Das ist so arg", plusterte sich die Mücke auf und duschte aus Protest nur mit Wasser. Da fiel mir etwas ein: "Karl-Heinz Grasser wäscht sich angeblich auch mit Seife die Haare und er hat schöne glänzende Haare." Die Mücke sah mich an, als wäre ich nicht richtig im Kopf. "Karl-Heinz Grasser?", fragte sie, "du willst, dass ich mir Karl-Heinz Grasser zum Vorbild nehme?"

Ich: "Findest du nicht, dass er schöne Haare hat? Mir hat das einmal seine Friseurin erzählt, dass er seine Haare mit Seife wäscht." Die Mücke fand das "nicht normal" und wollte nicht mehr über Karl-Heinz Grasser nachdenken.

Horror Hirschseife

Die Hirschseife blieb unberührt, denn die Mücke war sich sicher, dass die Seife nach totem Hirsch riechen würde und dass Hufe und Geweih darin verarbeitet worden waren. Natürlich beschwerte sie sich bei ihrem Vater über die Sparmaßnahmen, aber er konnte auch nichts machen.

"Kannst du ihr nicht eine andere Seife geben?", fragte er, "diese Hirschseife verwendet man doch auch als Putzmittel." Ich war auf die Frage vorbereitet und hatte schon Eckdaten über die naturbelassene Kernseife, laut Internet "Ein Wundermittel für Haushalt und Körper" gesammelt. Dem Olaf gefiel die Vorstellung nicht, dass sich seine einzige Tochter mit einer Seife waschen sollte, die auch für Böden und Bäder geeignet war.

Seine Sorge war unbegründet, denn die Mücke rührte die Seife nicht an. Von ihrem Taschengeld kaufte sie sich zähneknirschend Shampoo und Duschgel und plötzlich standen die neuen Flaschen verschlossen in Reih und Glied am Wannenrand. Als sie überrascht feststellte, dass Pflegeprodukte teuer sind, hätte ich gerne "Siehst du!" gesagt, sagte es aber nicht.

Nachdem die Sachen, die sich die Mücke selbst gekauft hatte, aufgebraucht waren – erstaunlicherweise kam sie recht lang damit aus –, stellte ich wieder Mittel für Haare und Körper zur Verfügung.

Weiterer Erklärungen bedurfte es keiner, die Mücke hatte verstanden, worum es ging. Es ging darum, kein Verschwender zu sein – oder doch einer zu sein, aber dann auf eigene Kosten. Da die Mücke gern Geld für Handyhüllen ausgibt (jeder braucht mindestens zwanzig Hüllen, Anm.), entschied sie sich für Variante eins und wäscht sich nur noch zweimal in der Woche mit einer haselnussgroßen Menge Shampoo die Haare.

Die Hirschseife liegt für den Notfall noch immer am Wannenrand.

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