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Verhütung "Verantwortungsvoll ejakulieren": Warum wir die Sache mit den Spermien bislang falsch verstanden haben

Mann hält Kondom in den Händen
Viele Männer verzichten lieber aufs Kondom und setzen darauf, dass die Frau verhütet.
© diego_cervo / Getty Images
Die Einführung der Pille machte das Sexleben von Frauen freier und unbeschwerter. Ein emanzipatorischer Meilenstein, aber auch ein Denkfehler, meint Gabrielle Blair. Sie hat ein Buch über Verhütung geschrieben.

Mit dem Sex ist es so eine Sache. Er macht bestenfalls zwar eine Menge Spaß, kommt in heterosexuellen Beziehungen aber auch mit einem großen Haken – der Möglichkeit der unerwünschten Schwangerschaft. Zumindest wenn der Mann gedankenlos ejakuliere, meint Gabrielle Blair. Die sechsfache Mutter hat ein ganzes Buch übers Sperma geschrieben. Und sagt: "Spermien sollten als gefährliche Körperflüssigkeit betrachtet werden." 

Ein kluger, aufgeklärter Mann weiß, wie er zu verhüten hat, denken Sie? Leider nicht. Frauen aber auch nicht. In "Verantwortungsvoll ejakulieren: 28 Gründe, warum Verhütung Männersache werden muss" zeigt Blair auf, wie wenig reflektiert die Gesellschaft immer noch mit der Verhütungsfrage umgeht. So weist sie darauf hin, dass es weiterhin gesellschaftlicher Konsens sei, dass Frauen die Hauptlast tragen, wenn es um die Verhütung geht. Sie sind es, die schwanger werden können, also seien sie es auch, die sich schützen müssten.

Männer müssen Verantwortung für Spermien übernehmen

Dabei sind Männer mehr als 50 Mal fruchtbarer als Frauen. Sie produzieren ständig Spermien, Frauen aber nur eine Eizelle pro Zyklus. Männer können theoretisch mit jeder Ejakulation befruchten, Frauen aber nur etwa 24 Stunden im Monat befruchtet werden. Trotzdem werde von der Partei, die rein objektiv betrachtet biologisch am wenigsten zu einer Befruchtung beiträgt, erwartet, den Großteil, wenn nicht sogar die gesamte Verantwortung einer ordentlichen Verhütung zu übernehmen. Vollkommener Irrsinn, meint Blair.

Über Generationen schluckten Frauen selbstverständlich die Pille, nutzten Verhütungsringe oder ließen sich die Spirale einsetzen und blechten dafür nicht nur ordentlich, sie nahmen auch fiese Nebenwirkungen in Kauf. Im Nachttisch liegen meist außerdem Kondome bereit. Kurz, sie täten alles, um dafür zu sorgen, dass Spermien abgewehrt werden. Die Pille für den Mann gibt es hingegen (noch) nicht und auch sonst sind Verhütungsmittel für den männlichen Teil der Spezies rar gesät. Rar, aber es gibt sie. Bestes Beispiel: das Kondom.

Verhütungsmittel für Männer gibt es – aber sie sind unbeliebt

Das Kondom als eines von zwei sehr wirksamen Verhütungsmitteln für den Mann, das nicht nur leicht zu bekommen, sondern auch leicht in der Handhabung ist, werde von vielen allerdings nach wie vor als Spaßbremse verteufelt. Die Argumentation: Sex fühle sich mit Präservativ weniger gut an. Viele Männer nutzten Kondome daher nur, wenn es unbedingt notwendig sei, und verzichteten, sobald geklärt sei, dass die Frau anderweitig verhüte. Dass die Geschichte vom Mann als Kondomdrückeberger einfach hingenommen und sogar unterstützt und damit fortgesetzt werde, hält Blair für einen Fehler. Statt das Kondom als lästig zu begreifen, sollte es eher als eine Art Sicherheitsgurt verstanden werden.

Sie argumentiert, dass mit ein wenig Experimentieren jeder Mann ein für sich gut funktionierendes Kondom finden könne, sodass sich in Kombination mit dem richtigen Gleitgel der Lustverlust auf ein Minimum reduziere. Davon ausgehend fragt sie: Ist es also wirklich angemessen, dass die Frau mitunter schwere gesundheitliche Einschränkungen hinnimmt, nur damit der Mann nicht mal die minimalsten Abstriche beim Lustempfinden machen muss? Die Liste der Nebenwirkungen, die bei hormonellen Verhütungsmitteln für die Frau auftreten können, ist bekanntlich lang. Dazu gehören Akne, Depression, Thrombosen, Herzinfarkt, Appetitzunahme und Schlaganfälle.   

Cover von "Verantwortungsvoll ejakulieren"
"Verantwortungsvoll ejakulieren: 28 Gründe, warum Verhütung Männersache werden muss" von Gabrielle Blair ist im Ullstein Verlag erschienen, 176 Seiten, 18,99 Euro. Erhältlich bei Amazon, buecher.de und Thalia.

Wenn die Frau verhütet, nimmt das den Mann nicht aus der Pflicht

Dass die Frau die Möglichkeit hat, Verhütungsmittel zu nutzen, ist eine echte emanzipatorische Errungenschaft. Sie ist nicht mehr allein von waghalsigen Eisprung-Berechnungen und dem guten Willen des Mannes abhängig, wenn sie Sex um des Sex willen haben will und keine Schwangerschaft riskieren möchte. Sie hat ihre Familienplanung damit in der eigenen Hand. Aber entbindet das die Männer davon, selbst Verantwortung für ihre Spermien zu übernehmen? Blair findet das nicht. Sie sagt, dass es nicht zu viel verlangt sei, dass Männer damit aufhörten, ihre Spermien gedankenlos in der Vagina der Sexualpartnerin zu "platzieren".

Stattdessen greife in Verhütungsfragen noch immer der patriarchische Mechanismus: "Frauenleid ist hinnehmbar, solange es den Männern das Leben erleichtert." Sie spricht sich vehement für Vasektomien aus und führt aus, warum das zwar zunächst radikal klingt, im Vergleich dazu, was von Frauen erwartet werde, aber ein Kinkerlitzchen sei. Der Eingriff sei im Verhältnis günstig, unkompliziert und schnell gemacht. Er lasse sich zudem mit hohen Erfolgsquoten rückgängig machen und sei mitnichten mit einer Sterilisation der Frau zu vergleichen. Die Vasektomie habe zudem weder Einfluss auf die Libido, die Samenergüsse oder die Leistungsfähigkeit an sich. Wer Angst habe, dass die Refertilisierung nicht glücke, solle, so Blair, vorab Samen einfrieren lassen. 

Das geht alles zu weit? Ganz im Gegenteil meint Blair und fordert: "Wenn von Frauen erwartet wird, ihre Verhütungsmethode korrekt anzuwenden, darf dasselbe auch von Männern erwartet werden." 

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