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Grünen-Spitzenpolitiker werben auf Parteitag um Rückhalt für Regierungskurs

Grünen-Chef Nouripour in Karlsruhe
Grünen-Chef Nouripour in Karlsruhe
© AFP
Führende Grünen-Politiker haben zum Auftakt des Karlsruher Parteitags um Rückhalt für die Regierungsarbeit der Partei geworben. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte am Donnerstagabend auch mit Blick auf die derzeitige Haushaltskrise: "Wir werden Lösungen finden und weiter kämpfen und gewinnen." Grünen-Chef Omid Nouripour rief die Partei dazu auf, dem derzeitigen Gegenwind zu trotzen. Die Grünen hätten in der Ampel-Koalition "sehr, sehr vieles erreicht in schwierigsten Umständen".

Habeck sagte unter dem Beifall der 825 Delegierten, "Politik ist nicht die Feigheit des Aussitzens", sondern "Politik ist das Übersetzen von erkannten Notwendigkeiten in gesellschaftliche Möglichkeiten". Der CDU/CSU warf Habeck vor, sich Realitäten zu verweigern und Politik von gestern "mit einem Vorsitzenden von vorgestern" zu machen.

Nachdrücklich drang Habeck auf eine Reform der Schuldenbremse - nicht um diese abzuschaffen, sondern um sie zu stärken. "Wir haben uns freiwillig die Hände auf den Rücken gefesselt und ziehen so in einen Boxkampf", kritisierte er die deutschen Schuldenregeln, die Kredite für Zukunftsinvestitionen behinderten. Nötig sei "ein zeitgemäßes Update der Schuldenbremse".

Die Grünen seien einst als Anti-Partei gegründet worden, erinnerte Habeck an den Gründungsparteitag vor 43 Jahren ebenfalls in Karlsruhe. Inzwischen seien sie zur "tragenden Säule der demokratischen Kultur dieses Landes" geworden, die "in Zeiten der Unsicherheit Halt und in Zeiten des Wandels Vertrauen" schaffe. Genau dies sei der Grund, warum die Grünen derzeit den Hass von Populisten auf sich zögen.

Nouripour sagte: "Die Angriffe kommen, weil wir wirken." Als Beispiele nannte er die Pakete für den Ausbau der erneuerbaren Energien, das Einwanderungsgesetz, die Abschaffung des Paragrafen 219a über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche oder die Absenkung des Wahlalters bei der Europawahl auf 16 Jahre.

Was bisher nicht erreicht wurde, sei die Einhaltung des 1,5-Grad-Pfads bei der Klimaerwärmung. Auch sei das Tempo bei der Sanierung des Landes nicht ausreichend, Verfahren müssten beschleunigt werden. Nun gehe es um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, infolge dessen der Ampel-Koalition 60 Milliarden Euro insbesondere für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fehlen.

"Es werden sich alle bewegen müssen, das ist nicht einfach", sagte Nouripour. Er betonte zugleich: "Kaputtsparen geht nicht." Der Grünen-Chef dankte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für seine Bereitschaft, 2023 erneut die Schuldenbremse auszusetzen.

Ko-Parteichefin Ricarda Lang sagte: "Wir werden nicht zulassen, dass dieses Land in eine wirtschaftliche und soziale Krise hineingespart wird." Klimaschutz und Soziales dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Schuldenbremse "droht in ihrer jetzigen Form zu einer Zukunftsbremse zu werden" und müsse reformiert werden, so Lang.

In der Debatte "Aus Verantwortung für die Menschen", in der die Grünen über ihren politischen Kurs als Teil der Ampel-Koalition diskutierten, gab es auch Kritik an Abweichungen von grünen Grundsätzen. 

Die niedersächsische Delegierte Anne Rameil sagte, ihr Kreisverband Cloppenburg sei "sehr enttäuscht" über die Bundesregierung. Es sei klar, dass Kompromisse gemacht werden müssten, "nach unserer Auffassung steht aber auf der Haben-Seite zu wenig", sagte sie. Teile der Basis wehren sich unter anderem dagegen, die in der "Ampel" vereinbarten Asylrechtsverschärfungen mitzutragen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verteidigte den härteren Kurs von Bund und Ländern in der Migrationspolitik: "Ich bin überzeugt, das ist der richtige Kurs, das ist kein Kurs der Abschottung." Die Maßnahmen, die Abschiebungen erleichtern und Einreisen von Menschen mit geringer Bleibeperspektive erschweren sollen, seien "Voraussetzung dafür, dass wir die Humanität bewahren und das Asylrecht verteidigen". Sie seien auch notwendig, "um zu verhindern, dass es die Gesellschaft noch mehr auseinandertreibt".

cha/bk

AFP

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