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Amokläufe an Schulen 20 Jahre nach Columbine ist Waffengewalt an US-Schulen Alltag geworden

Verletzte werden nach dem Columbine-Amoklauf versorgt
20. April 1999, Littleton, USA: Verletzte werden nach dem Columbine-Amoklauf versorgt (Archivbild)
© Rodolfo Gonzalez / DPA
Parkland, Sandy Hook, Santa Fe: Sie alle stehen für folgenschwere Amokläufe in den letzten Jahren. Seit dem Massaker an der Columbine High School 1999 sind Schießereien an Schulen in den USA fast schon alltäglich.

Häufig erreichen uns Nachrichten aus den USA, die von Schießereien berichten. Die Gewalttaten finden im privaten Bereich statt, am Arbeitsplatz, in Nachtklubs, auf der Straße – und in Schulen. Letzteres schockiert am meisten, werden doch Kinder und Jugendliche getötet. Meistens sogar von einem Gleichaltrigem. Aber Amokläufe sind nur ein Teil dessen, was sich an US-Schulen an Waffengewalt abspielt.

Bis in die 1980er-Jahre kamen Schießereien an Schulen – in den USA auch "school shootings" genannt – zwar vor, waren aber eher selten, hatten vergleichsweise wenig Opfer und auch vergleichsweise wenig mediale Berichterstattung. Das änderte sich am 20. April 1999: Der 18-jährige Eric Harris und der 17-jährige Dylan Klebold töteten bei dem Schulmassaker an der Columbine High School in Littleton im US-Bundesstaat Colorado dreizehn Menschen, zwölf davon Schüler. Anschließend töteten sie sich selbst.

Immer mehr Amokläufe seit Columbine in den USA

Das Columbine-Massaker war wohl der erste Amoklauf in den USA, der in den Medien große Aufmerksamkeit erhielt. Mehrere TV-Sender zeigten die Livebilder von flüchtenden und verletzten Schülern. Weltweit liefen die Schreckensbilder über die Fernsehbildschirme. Es folgten Diskussionen in den USA: über das Waffenrecht, über Gewalt in den Medien, Mobbing und sogar über die Musikindustrie. Viel gebracht haben diese Diskussionen nicht.

Denn in den darauffolgenden Jahren kam es zu weiteren Amokläufen in den USA – auch zu folgenschwereren. Beispielsweise das Massaker an der Virginia Tech 2007 mit 32 Toten oder der Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule 2012 mit insgesamt 28 Toten. Doch auch in den letzten Jahren kam es zu Amokläufen mit einer hohen Zahl an Opfern. Allein 2018 gab es in mit den Amokläufen in Parkland und Santa Fe Schulmassaker mit 17 bzw. zehn Todesopfern.

2018 Rekordjahr bei Amokläufen in den USA

Alles Einzelfälle? Keineswegs. Die Non-Profit-Organisation "Everytown" in den USA und das amerikanische Fachmagazin "Education Week" haben "shool shootings" und den Gebrauch von Schusswaffen an US-Schulen dokumentiert. So gab es laut "Education Week" allein in diesem Jahr neun "school shootings" mit Verletzten oder Toten. Demnach wurden neun Menschen verletzt und eine Schülerin getötet (Stand April 2019). "Everytown" zählt für 2019 sogar 30 Zwischenfälle mit Waffen, mit vier Toten und 15 Verletzten. Allerdings zählt "Everytown" alle Fälle, bei denen eine Schusswaffe auf Schulgelände abgefeuert wurde. Dazu zählen auch Selbstmorde, Polizeischüsse, versehentliche Abschüsse oder auch Schüsse, bei denen niemand verletzt wurde.

Das Jahr 2018 stellt laut den Aufzeichnungen beider Stellen allerdings einen Negativrekord dar. So gab es laut "Education Week" in dem Jahr 24 "school shootings" mit 35 Toten und 79 Verletzten. Darunter die zwei verheerenden Schulmassaker in Parkland, Florida und Santa Fe, Texas. "Everytown" hat erschreckendere Zahlen parat. So gab es laut dem Verein 103 Zwischenfälle mit Schusswaffen, die 60 Menschenleben gekostet haben und 88 Menschen verletzten. Zu den Todesfällen zählen auch sieben Selbstmorde. "Everytown" zählte allein für das vergangene Jahr 47 Fälle, die als "Angriff auf andere" eingestuft wurden. Zum Vergleich: Zwischen 2013 und 2017 gab es kein Jahr mit mehr als 67 waffenbasierten Zwischenfällen.

Amok-Übungen sollen Schlimmeres verhindern

Die Aufzeichnungen von "Everytown" zeigen, dass Schießereien und Waffengewalt an US-Schulen mehrmals in der Woche passieren, manchmal sogar am selben Tag. Diese Frequentierung hat auch Auswirkungen auf den Alltag der Schülerinnen und Schüler. So gibt es mittlerweile regelmäßige Amoklaufübungen und Firmen, die Lehrer für solche Fälle ausbilden. Doch es gibt Kritik an den Übungen, da sie traumatisierend auf die Schüler wirken könnten, so die Kritiker.

Dennoch bereiten diese Übungen Schüler und Lehrer vor und können im Ernstfall Schlimmeres verhindern. Dass solche Übungen aber überhaupt stattfinden, sehen Kritiker als Zeichen, dass die Waffengewalt an Schulen ein Problem ist, dessen Ursprung in den liberalen Waffengesetzen der USA liegen.

Diskussionen nach Amokläufen oder Schießereien an Schulen über das US-Waffenrecht sind ebenso Alltag geworden, wie die Schießereien selbst. US-Präsident Donald Trump betonte im Mai das verfassungsgemäße Recht auf Waffenbesitz. Strengere Gesetze oder gar Verbote gab es nur wenige. So wurde in Florida beispielsweise das Mindestalter zum Kauf halbautomatischer Gewehre auf 21 angehoben. Die Trump-Regierung traf noch weniger Maßnahmen und schlug lediglich ein Verbot von sogenannten "bump stocks" vor, Gewehraufsätze für Dauerfeuer. Außerdem versprach die Regierung Gesetzesentwürfe für bessere Sicherheit an Schulen und "backround checks" für Waffenkäufer.

Laxe Waffengesetze in vielen Bundesstaaten

Statistisch gesehen besitzt jeder US-Bürger eine Handfeuerwaffe. Im Schnitt werden pro Tag in den USA 100 Menschen durch Schusswaffen getötet. Dennoch hätten viele Bundesstaaten noch zu laxe Waffenrechte, wie das Giffords Law Center zur Vorbeugung von Waffengewalt zeigt. Die Organisation wird von der früheren Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords geleitet, der selbst bei einem Schusswaffenattentat in den Kopf geschossen wurde – und die überlebte.

Das Giffords Law Center bewertet 50 Bundesstaaten im Schulnotensystem zu ihren Waffengesetzen. Je strenger die Waffengesetze, desto besser die Note. 22 Staaten erhielten die Note "F", die schlechteste Note. Sieben erhielten ein "A", was der besten Note gleichkommt. Zu diesen Staaten gehören zum Beispiel Kalifornien, New York oder Hawaii. Schlusslicht bildet der Staat Mississippi. Der Staat verlangt bei privaten Waffenkäufen zum Beispiel keinen "backround check" und reguliert bzw. lizenziert Waffenhändler kaum.

Bewaffnung von Lehrern in der Diskussion

Zu Amokläufen in Schulen berichtete das Giffords Law Center kürzlich, dass in einigen Staaten Gesetzgeber auf eine Bewaffnung von Lehrern drängen, trotz eines großen Widerstandes von Eltern, Lehrern und Schülern. Außerdem stellte der Verein fest, dass es in den letzten fünf Jahren über 60 Fälle von Missbrauch solcher Waffen gab, die in den Händen von Erwachsenen waren. In einem Fall hatten Schüler sogar eine Waffe eines Lehrers gestohlen.

Die Zahlen zeigen, dass Schüler und Studenten in den USA auch zwanzig Jahre nach dem blutigen Massaker an der Columbine High School nicht sicher vor Waffengewalt an ihren Schulen und Colleges sind. Handfeuerwaffen, Schüsse und Angst vor Amokläufen sind mittlerweile Alltag für sie. Doch trotz der vielen Todesfälle und trotz der Proteste ist ein Wandel erst mal nicht in Sicht.

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Quellen: "Everytown" (1), "Education Week" (1) "Education Week" (2), History Channel, "The Roanoke Times", NBC, medium.com, BBC, "Alice Training Institute" (1)"Alice Training Institute" (2), "Giffords Law Center" (1)"Giffords Law Center" (2)"Giffords Law Center" (3)

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