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Bereits vor 1,5 Millionen Jahren Forscher finden neue Hinweise – Urmenschen sollen sich gegenseitig verzehrt haben

Die Rekonstruktion eines Homo erectus im Neanderthal-Museum in Mettmann
Die Rekonstruktion eines Homo erectus im Neanderthal-Museum in Mettmann. Laut der Forscher könnte das untersuchte Schienbein zu einem Homo erectus gehören
© Martin Meissner / Picture Alliance
Forscher haben die bisher frühesten Hinweise darauf gefunden, dass ein Urmensch von seiner eigenen oder einer anderen Menschenart zerlegt und wohl auch verzehrt wurde. Das zeigen Untersuchungen an einem 1,45 Millionen Jahre alten Schienbein.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei ntv.de 

Hatten unsere Vorfahren Appetit für andere Menschenarten entwickelt? Neue Forschungen der Wissenschaftler des National Museum of Natural History könnten dies nahelegen. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht wurde, wird der älteste überzeugende Beweis dafür beschrieben, dass unsere engen evolutionären Verwandten einander zerlegt und wahrscheinlich auch verzehrt haben.

"Die Informationen, die wir haben, sagen uns, dass Homininen wahrscheinlich schon vor mindestens 1,45 Millionen Jahren andere Homininen gegessen haben", sagte Briana Pobiner, Paläoanthropologin am National Museum of Natural History laut einer Mitteilung. "Es gibt zahlreiche andere Beispiele für Arten aus dem menschlichen evolutionären Stammbaum, die einander zur Ernährung verzehrten, aber dieser Fossilfund deutet darauf hin, dass unsere Artverwandten sich viel weiter in die Vergangenheit hinein gegessen haben, als wir erkannt haben."

Schnitte durch Steinwerkzeug

Die Forschungen basieren auf der Analyse eines 1,45 Millionen Jahre alten linken Schienbeins, das in Nordkenia gefunden wurde. Neun Schnittmarken auf der Oberfläche des Fossils legen nahe, dass sie durch Steinwerkzeuge verursacht wurden – der älteste bekannte Beweis für dieses Verhalten. Die Paläoanthropologin Pobiner stieß erstmals auf das fossilisierte Schienbein in den Sammlungen des Nairobi National Museum in Kenia. "Es scheint am wahrscheinlichsten, dass das Fleisch von diesem Bein gegessen wurde und dass es zur Ernährung und nicht für ein Ritual gegessen wurde", erklärte Pobiner.

Zusätzlich zu den Schnittmarken wurden zwei weitere Markierungen erkannt, die wahrscheinlich Bissmarken einer Großkatze sind – am ehesten einem Löwen. Es bleibt unklar, ob das Tier das Bein, nachdem es von Homininen von Fleisch befreit wurde, aufgelesen hat, oder ob es das ursprüngliche Raubtier war, das von den Homininen vertrieben wurde.

War es Kannibalismus?

War es vielleicht sogar Kannibalismus? "Dafür gibt es nicht genug Beweise", erklärte Pobiner, "denn Kannibalismus erfordert, dass der Esser und der Gegessene zur gleichen Art gehören."

Nicht ganz sicher sind sich die Forscher, zu welcher Art von Urmensch das Schienbein gehört. Es könnte sich um einen Homo erectus, aber auch um einen Homo habilis oder Paranthropus boisei handeln. Aus dem Homo erectus hat sich in Europa wahrscheinlich später der Neandertaler entwickelt. Es ist vermutlich die erste Menschenart, welche Feuer benutzte, wie ein moderner Mensch laufen konnte und auf die Jagd ging. Homo habilis hatte ein deutlich kleineres Gehirn als Homo erectus. Paranthropus boisei war eine vermutlich auf Pflanzennahrung spezialisierte Art, deren Gehirn nur ein wenig größer war als das heutiger Schimpansen.

Allerdings ist bekannt, dass Hominine bereits seit mehr als einer Million Jahren Hominine gegessen haben. Dies könnte jedoch der früheste Beweis dafür sein, sagt der Archäologe und Anthropologe James Cole von der Universität Brighton, der nicht an der neuen Forschung beteiligt war, gegenüber "National Geographic". Die bisher frühesten eindeutigen Beweise für Schlachtspuren auf Knochen von Homininen stammen laut Cole aus der archäologischen Stätte Atapuerca in Spanien. Das Alter der Funde wird auf mehr als 800.000 Jahre geschätzt.

ntv, kst

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