Anzeige

Forderung aus der CDU Für nur 80 Cent Stundenlohn: Wäre eine Arbeitspflicht für Asylbewerber überhaupt legal?

Thüringen, Neustadt an der Orla: Christian Herrgott (CDU) steht an einem Wahlkampfstand
Sehen Sie im Video: CDU-Landrat will Geflüchtete zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten – für 80 Cent die Stunde.
Videoquelle: ntv.de

Im Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber für 80 Cent Stundenlohn zur Arbeit verpflichtet werden, kündigte der CDU-Landrat an. Ob ein solches Vorgehen erlaubt wäre, ordnet ein Arbeitsrechtler ein.

Nach dem Vorpreschen einiger ostdeutscher Landkreise ist ein Streit über Arbeitspflichten für Asylbewerber ausgebrochen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hält eine solche Arbeitspflicht im Einzelfall für sinnvoll. Der Union im Bundestag reichen Einzelfälle nicht. Gewerkschaften und Pro Asyl stellen sich strikt gegen solche Vorstöße.

Landkreistags-Präsident Reinhard Sager hatte bereits im Herbst eine Arbeitspflicht gefordert. "Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her", sagte er damals der "Bild"-Zeitung. Als Beispiele für den Einsatz nannte er gemeinnützige Arbeit oder Jobs in der Gastronomie.

80 Cent pro Stunde

Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber nun zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden und für 80 Cent Entlohnung pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohen Geldkürzungen bei ihren Leistungen. Auch in Sachsen-Anhalt überlegen einige Landkreise, wie eine Arbeitspflicht für Geflüchtete organisiert werden könne, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im RBB24-Inforadio.

Heil wies darauf hin, dass es geltendes Recht sei, dass die Kommunen Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten können. "Im Einzelfall mag es auch sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten", sagte Heil der "Bild"-Zeitung. Eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration werde so allerdings nicht gelingen.

Tätigkeiten in der freien Wirtschaft frühestens nach drei Monaten

Was aber gilt denn nun derzeit genau und warum entsteht eine Debatte, die um längst vorhandene Regelungen kreist? Heil hat zurecht betont, dass auch jetzt schon Beschäftigungen zu den beschriebenen Konditionen möglich sind. Im Asylbewerber-Leistungsgesetz heißt es wörtlich: "Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet." Dies gilt derzeit für gemeinnützige Tätigkeiten für Bewohner von Sammelunterkünften – zum Lohn von 80 Cent pro Stunde. Tätigkeiten in der freien Wirtschaft sind frühestens nach drei Monaten möglich.

Marc André Gimmy, Anwalt für Arbeitsrecht, konkretisiert gegenüber dem stern: "Diese Beschäftigung stellt keine sozialversicherungspflichtige Arbeit dar. Daher ist es unsauber, von einer Arbeitspflicht zu sprechen. Es sollte eher von einer integrativen Beschäftigung gesprochen werden."

Forderung aus der CDU: Für nur 80 Cent Stundenlohn: Wäre eine Arbeitspflicht für Asylbewerber überhaupt legal?

Jesidischer Familie droht Abschiebung in den Irak nach Flucht vor dem IS

03:19 min

Aus demselben Grund verstößt diese Maßnahme daher auch nicht gegen die Gesetze zum Mindestlohn, denn auch diese beziehen sich auf sozialversicherungspflichtige Jobs, die es zu einem Stundenlohn von 80 Cent natürlich nicht geben kann und dürfe.

Auch liege hier keine Pflicht in der Bedeutung von Zwang vor. Zwar würden bei grundloser Weigerung Bezüge gekürzt, Zwangsarbeit im eigentlichen Sinn ist jedoch bereits durch das Grundgesetz verboten. Aus rechtlicher Sicht gibt es also keine Einwände gegen eine Beschäftigungspflicht.

DGB: Diskussion um Arbeitspflicht schadet und spaltet

Strikt gegen Arbeitspflicht-Forderungen wandten sich Gewerkschaften und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Jedoch aus politischen, nicht aus rechtlichen Erwägungen. Sie fürchten, dass negative Auswirkungen auf sozialversicherungspflichtige Jobs drohen und Asylsuchende im schlimmsten Fall zu Billigarbeitern werden.

"Schutzsuchende Menschen in den Niedriglohnsektor zu zwingen und sie ausbeuterischen Verhältnissen preiszugeben, darf keinesfalls Geschäftsmodell werden." Problemfälle zum Beispiel bei Paketdiensten, in der Saisonarbeit, in Lkws und auf dem Bau seien hinlänglich bekannt. Diskussionen über Arbeitspflichten heizten die aufgeladene Stimmung im Land weiter an. "Das schadet und spaltet", sagte Piel.

"Die Debatte suggeriert, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die arbeitsunwillig sind, während sie meist gar nicht arbeiten dürfen", sagte der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows, der dpa. "Das ist menschenverachtend und rassistisch." Alaows forderte stattdessen die Aufhebung der Arbeitsverbote für Asylbewerber. "Viele warten monatelang auf eine Arbeitserlaubnis." Um die Menschen schneller und besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sollten ihre Abschlüsse und Zertifikate zudem schnell anerkannt und die Sprachkursangeboten ausgebaut werden.

Quellen:  RBB, "Bild"-Zeitung (1), "Bild"-Zeitung (2), AsylbLG, mit dpa

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel