Vor mehr als 15 Jahren verließ Charles Duhigg die Harvard Business School – die Kaderschmiede der Reichen und Erfolgreichen. Die ganze Welt stand den Absolventen offen, denn wie es Duhigg in der "New York Times" schildert: " Ein Harvard M.B.A. war wie ein Gewinnlos, eine vergoldete Autobahn hin zu Einfluss, der die Welt verändern kann, fantastischem Reichtum und einem Leben voller befriedigender Arbeit."
Doch im Sommer letzten Jahres besuchte Duhigg ein Ehemaligentreffen seines Jahrgangs und war geschockt, wie unglücklich seine Mitstudenten geworden waren. Mit der Super-Karriere hatte es durchaus geklappt, aber das Leben an der Spitze ist offenbar nicht einfach. Ein Ehemaliger leitete einen großen Hedgefonds, bis er von Investoren verklagt wurde. Jemand anderes stieg in einem der renommiertesten Unternehmen der Nation ganz nach oben auf, bevor er brutal vor die Tür gesetzt wurde. Eine Kommilitonin erfuhr auf der Entbindungsstation, dass ihre Firma ruiniert war, weil sie von einem Partner bestohlen wurde.
Sinnloses Elend
Das waren die krassesten Fälle, hier platzte der Traum vom Top-Management. Doch die anderen waren in einer Art goldenem Elend gefangen. Ein Studienkamerad beschrieb den Druck, jeden Tag möglichst gewinnbringend fünf Millionen Dollar investieren zu müssen. Er verdient über eine Million Dollar pro Jahr und hasste es dafür, ins Büro zu gehen. Denn die Arbeit ist unglaublich stressig und vollkommen sinnbefreit. "Ich fühle mich, als würde ich mein Leben verschwenden", sagte er. "Wenn ich sterbe, wird es jemanden interessieren, dass ich einen zusätzlichen Prozentpunkt Rendite verdient habe? Meine Arbeit fühlt sich völlig bedeutungslos an."
Das Problem: Auch das beste Gehalt verwandelt einen sinnlosen Job nicht in eine erfüllende Tätigkeit. Der Ex-Student versuchte, sein Leben zu ändern, aber er war gefangen. Er wollte durchaus zu einer sinnvollen Tätigkeit wechseln, die aber nur 500.000 Dollar eingebracht hätte. Seine Frau lachte ihn aus, als er ihr mit dieser Idee kam.
Keine Identifikation mit der Arbeit
Charles Duhigg stellte fest, dass auch Untersuchungen die wachsende Unzufriedenheit im Beruf belegten. Seine Theorie für das sehr enge Milieu der Top-Verdiener: Es würde sich eine Art von Grundstimmung ausbreiten, dass die Arbeit nicht die zermürbende Mühe wert ist, die sie den Personen abverlangt. Amy Wrzesniewski forscht zur Arbeitszufriedenheit. Sie sagte dem Autor: "Es gibt so viele Jobs, bei denen die Menschen das Gefühl haben, dass das, was sie tun, relativ sinnlos ist. Selbst bei gut bezahlten Positionen, fühlen sich die Leute, als ob das, was sie tun, ganz egal ist."
Duhigg erstaunlichste Beobachtung: Es gab durchaus glückliche und erfolgreiche Harvard-Absolventen. Das waren aber die, deren Start ins Berufsleben holprig verlief. Die von den renommierten Firmen, bei denen sie sich beworben hatten, abgelehnt wurden. Diejenigen, die eine Karriere mit Umwegen aufbauen mussten. Duhigg glaubt, sie hätten aus Rückschlägen, Enttäuschungen und Kompromissen mehr für ein glückliches Leben gelernt, als die, bei denen alles allzu glatt verlaufen war. Der Freund mit dem Eine-Million-Dollar-Gehalt gestand Duhigg, er sei eifersüchtig auf jeden, der den Mut hatte, etwas zu tun, was ihn glücklich machte. Ihm selbst sei das Ausbrechen immer als zu großes Risiko erschienen.
So gesehen hatte Charles Duhigg großes Glück, er wurde ein erfolgreicher Autor. Aber nicht ganz freiwillig, wie er offen zugibt. "Ich habe mich bei McKinsey, bei Private-Equity-Firmen und bei einem Immobilienkonzern beworben und wurde von allen abgelehnt." Da brauchte es keinen besonderen Mut, in einem Bereich anzufangen, der weniger bezahlt.
Quelle: New York Times