Es blickt schon sehr verdrießlich drein. Seine Fahrt mit dem Luftschiff scheint es kaum zu genießen. Aus den zusammengekniffenen Äuglein leuchtet die orange-rote Wut. Und die Ohren des offenbar afrikanischen Nashorn-Exemplars mit seinen zwei Hörnern, die sind ebenso aufgestellt wie der borstige Schwanz am Heck des Dickhäuters. Hoch zu schweben durch die Luft, gehalten dabei von einem Gurt am Bauch, das behagt dem Nashorn offensichtlich überhaupt nicht. Und vermutlich hat es längst gebockt, gestrampelt und gestoßen – ausgiebig und vergebens. Nun fügt es sich in sein Schicksal. Daher wohl der finstere Blick.

Doch soll es hier keineswegs darum gehen, die umfangreichen Ausführungen Alfred Brehms zur Psychologie des Nashorns um Verhaltens-Aspekte im Bereich des Luftverkehrs zu ergänzen. Das arme Tier schneidet, bei allem Bemühen um wissenschaftlichen Abstand, bei Brehms ohnehin schon schlecht genug ab: als plump, ungeschlacht und blindwütig in gereiztem Zustand beschreibt er das Nashorn.

Nein, der grimmige Dickhäuter weckt die Aufmerksamkeit, weil er in so überaus großem Kontrast steht zur zeichnerischen Ausführung der Situation. Statt der kräftiger Schnitte, statt der scharfen Konturen, die wir so gut aus dem Ur-Bild der Nashorndarstellung kennen, von Dürers indischem Panzernashorn, seinem „Rhinocerus“, begegnen bei diesem Bild überaus feine Linien, delikate Übergänge und eine unglaubliche Zartheit – alles in allem eine Darstellungsweise, die weniger einem Nas- denn einem Einhorn gebührte. Indes liefert Werner Kimmerle, der Zeichner, durchaus keine Probe für ein tierkundliches Lehrwerk. Sein „Schwertransport“, so heißt das Bild, das derzeit in der Markdorfer Stadtgalerie gezeigt wird, es spielt Kimmerles eigene künstlerische Vorstellungskraft aus – ebenso aber die des Betrachters. Zu barock die Flossen und Stabilisatoren des schwarz-orange-rot gestreiften – das exotische Tier tragenden – Zeppelins. Der allerdings eher an einen Südsee-Fisch als an ein Luftschiff erinnert.

„Form, Farbe Schnitt“ hat der Markdorfer Kunstverein seine Ausstellung genannt. Zu sehen sind neben den hintergründig ironisierenden Zeichnungen des in Isny lebenden Kimmerle die überwiegend als Mischtechnik ausgeführten Bilder von Monika Rosenberger, die mit der Kettensäge gearbeiteten Holzskulpturen von Gesine Smaglinksi, farbige Holzschnitte von Günther Widenhorn und Haus-Skulpturen aus Holz, Beton oder beidem von Herbert Stehle. Die vier letztgenannten Künstler arbeiten allesamt in der Bodensee-region, sind auch Mitglieder des IBC. Und es war denn auch ausdrückliches Anliegen des Markdorfer Kunstvereins, regionalen Künstlern eine Plattform zu bieten.

Natürlich gibt es keine Klammer. In Zeiten offener ästhetischer Horizonte existieren längst keine stilistischen Prägemuster mehr. Der an spät-barocke Theater-Kulissen erinnernde Zeppelin ist keine späte Reminiszenz ans oberschwäbische Barock, soll auch kaum zu regionalen Branchen deuten, und das Nashorn Fremdling in der hiesigen Fauna. Überdies weisen die von Monika Rosenberger mit einiger gestischer Verve ausgeführten Strand-Szenen ebenso wenig auf den Bodensee, wie Herbert Stehle Holz-Häuser die Baukultur zwischen Eriskirch und Sipplingen skizzieren. Im Gegenteil. Stehle reduziert das Architektonische aufs „bloße“ Gebaute, Behausende. Und Rosenbergers Strand ist die Linie zwischen Ankommen und Abfahren, zwischen Aufbruch und Erreichen. Beide rühren mit ihren Arbeiten an zutiefst Menschliches – an die äußeren Konturen der Existenz. Regional beschränkt ist das nicht, aber durchaus in der Region zu erfahren – wo aber auch sonst?

Zu abstrakt, um sich überhaupt verorten zu lassen, sind die Skulpturen Gesine Smaglinskis und die Holzschnitte von Günther Widenhorn. Beide spielen mit dem Raum: Sie strapaziert die Statik und die Form, indem sie dort wegnimmt, Gestalt befreit, wo Material erwartet würde. Er stellt Farbe gegen Maserung gegeneinander – oder verbindet beides. Oder er komponiert Konturen zu Strukturen – mit Leerstellen als Überraschungs-Momenten.

Dem Besucher begegnen in dieser Ausstellung Arbeiten, die staunen lassen. Arbeiten, die zunächst vertraut erscheinen – wie der Anblick eines schwebenden Zeppelins. Die gleichwohl irritieren wie ein schwebendes Nashorn. Und die durch ihre Ausführung unbedingt zum näheren Hinsehen reizen.

Die Arbeiten von Gesine Smaglinski, Monika Rosenberger, Werner Kimmerle, Herbert Stehle und Günther Widenhorn sind noch bis zum 18. März in der Markdorfer Stadtgalerie, Ulrichstraße 5, zu sehen. Öffnungszeiten der Galerie:

Di. und Mi. 15-17 Uhr, Do. und Sa. 10-13 Uhr, Fr. 17-19 Uhr und So. 11-17 Uhr.