Annehmen was ist – Radikale Akzeptanz

Ich stehe vor einem Scherbenhaufen. Zerplatzte Träume. Jobverlust, Trennung oder mein Business läuft nicht so, wie ich es will. Wie gehe ich damit um? Früher gab es da für mich nur drei Möglichkeiten:

1. Ich löse das Problem: zum Beispiel, in dem ich aufgebe, mir einen neuen Traum suche.
2. Ich ändere meine Sichtweise: zum Beispiel, in dem ich die bisherigen Ergebnisse weich spüle,
oder in dem ich mir einrede, dass das Business ja nicht wirklich mein Traum ist.
3. Ich jammere über meine miesen Startbedingungen, die Ungerechtigkeit des Lebens
und darüber, wie viel leichter es andere haben.

Seit einigen Jahren setze ich auf eine vierte Möglichkeit, ich setze auf radikale Akzeptanz.

Radikale Akzeptanz – was ist das?

Radikale Akzeptanz, das klingt derb, hart und herausfordernd und unpassend. Nicht zusammengehörend. Zwei Worte, die scheinbar einen Widerspruch darstellen. Radikal ist in diesem Zusammenhang nicht als extremistisch oder fundamentalistisch zu verstehen, sondern als elementar, echt, wirklich. Akzeptanz wird gern verkannt als Aufgeben oder Hinnehmen. Gemeint ist Akzeptanz, aber als Annahme, Anerkennung. Ungeschönte, nicht bewertende Annahme dessen, was ist. Wenn wir die Dinge nicht akzeptieren, wie sie sind, wenn wir sie nicht annehmen, wahrhaben wollen, wenn wir unsere unangenehmen, peinlichen oder schmerzhaften Emotionen und Gedanken nicht sehen und nicht fühlen, oder unbedingt etwas anderes erreichen wollen, dann gehen wir in den Kampf. Wir kämpfen mit uns selbst, kämpfen mit den Dingen im Außen, bekämpfen mit Menschen, die uns (vermeintlich) schaden (wollen).

Akzeptanz bedeutet zu erkennen: Es ist, wie es ist. Wenn ich akzeptiere, dass ich mich innerlich unruhig fühle, kann ich aufhören, gegen die Unruhe anzukämpfen. Wenn ich aufhöre zu kämpfen, habe ich die Energie und die Ressourcen, für eine „Bestandsaufnahme“ wo bin ich, worum geht es, was ist für mich im Moment das Beste. Akzeptanz bedeutet nicht hinnehmen, sondern es ist eine Bestandsaufnahme, eine Art Situationsinventur, Ist-Analyse.

Woher kommt das Konzept der radikalen Akzeptanz?

Meine Interpretation radikaler Akzeptanz stützt sich den vom Zen-Buddhismus inspirierten und von Marsha Linehan entwickelten therapeutischen Ansatz, der dialektisch-behavioralen Therapie (DBT). Diese Therapieform entwickelte Linehan, um Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung zu helfen, sich gegenüber ihrem intensiven Emotionserleben, nicht so ausgeliefert zu fühlen. Ziel der DBT ist es, den Klient:innen zu helfen, ihre Stresstoleranz aufzubauen und zu erweitern, damit sich die emotional nicht aushaltbar erscheinenden Momente nicht in langfristiges Leiden wandeln. Dabei wird die Emotion und der Schmerz, als unvermeidbarer Teil des Lebens angesehen.

Radikale Akzeptanz bedeutet hier, sich von den bewertenden emotionalen Reaktionen, entstanden aus Hilflosigkeit – die wiederum Hilflosigkeit erzeugt – zu lösen und eine Art Metaebene (Draufblick) auf die aktuelle Situation zu finden. Es geht nicht darum, das faktische einer Situation zu verändern, was mitunter nicht möglich ist, sondern darum, die Situation anders zu betrachten. Das meint: eine Art Beobachterposition in sich zu „installieren“, die ganz sachlich auf die Situation blickt. Die dann ohne Bewertung der Situation, der im Raum wabernden Emotionen und Handlungen feststellt: „Du packst deine Tasche. Schweigst. Ich schreie, weine, werfe mit Tellern.“ Allein dieser aus der Beobachtung gewonnene Gedanke bringt eine erste Distanzierung zum Geschehen und mit der Distanzierung eine erste Beruhigung. Es geht dabei um das Erkennen der Wahlmöglichkeiten, die in diesem Moment vorhanden sind. Ich habe in dieser Situation keinen Einfluss darauf, ob mein Gegenüber seine Taschen packt, aber ich habe immer noch Einfluss darauf, wie ich die Situation betrachte.

Radikale Akzeptanz üben – 5 Schritte

Schritt 1: Beobachte dich. Deck deine Illusionen auf. Wann machst du dir die Realität ein wenig feiner oder schlechter als sie ist? Begib dich auf Entdeckungsreise und „ertappe“ dich selbst dabei, wann du warum die Situation mit Puderzucker verzierst oder mit Teer verdeckst.

Schritt 2: Es gab in deinem Leben sicher schon viele Situationen, in denen du die Dinge / Emotionen so gesehen und genommen hast, wie sie sind. Was hat dir dabei geholfen?

Schritt 3: In welchen Situationen bewertest du etwas, jemanden, dich? Wofür „dient“ dir die Bewertung? Welchen „Nutzen“ hast du davon? (Sei ehrlich zu dir selbst – ohne dich zu verdammen oder dir Vorwürfe wegen der Bewertung und deine Gedanken zu machen)

Schritt 4: Tu so und handle als ob. Stell dir vor, du würdest die Dinge so akzeptieren, wie sie sind (waren). Mitunter ist es leichter, unsere Handlungen zu verändern, als unsere Sichtweisen. Wie würdest du dich verhalten, wenn du die Situation so akzeptieren würdest, wie sie ist? Handle so, damit übst du Veränderung und dein System übt mit.

Schritt 5: Entspanne dich. Atme, nimm bewusst den Raum um dich herum wahr. Was hörst, siehst, schmeckst, riechst, fühlst du? Wenn wir entspannt sind, entspannen sich auch unsere Muskeln und einer entspannten Muskulatur fällt es viel schwerer, in den Kampf, den Widerstand zu gehen.

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In Verbundenheit

P.S.: Und wie hilft mir das jetzt mit meinem Business?

Annehmen was ist. Bestandsaufnahme. Es läuft langsam an, aber nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber was habe ich mir vorgestellt und wie ist es in der Realität? Ich habe mich auf Instagram fokussiert, obwohl das nur zum Teil mein Medium ist. Zu viele Meinungen haben mich verwirrt. Ich wollte gefallen, weil ich dachte, wenn ich mit meinen Inhalten gefalle, dann kommen auch die Kund:innen. Darüber mein eigentliches Ziel aus den Augen verloren: Traumasensibles Coaching für Frauen in Krisensituationen, die trotz Erfolg und Zufriedenheit (noch) nicht da sind, wo sie eigentlich sein wollen. Frauen unterstützen, in allen Lebensbereichen ein klares „Ja“ zu sich und ihren Bedürfnissen zu sagen und die auch so leben wollen. Nicht mit angezogener Bremse, sondern volle Kraft, mit einem grummelnden Lachen im Bauch. Frauen, die vibrieren vor Lebensfreude und Lebendigkeit. Deshalb gibt es in den nächsten Wochen von mir weniger Content. Ich gehe noch einmal in Klausur mit mir. Aufgeben ist keine Option, gefallen wollen, zum Preis meine Ziele aus den Augen zu verlieren, auch nicht. Ich bin gespannt, wie es weitergeht, aber ich gehe es erst einmal ein wenig ruhiger an.

2 Kommentare

  1. sylvia 14. Juni 2023 um 20:05 Uhr

    Hallo Djuke, Danke für Deine Ergänzung zu meinem Beitrag. Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm, dass Byron Katie auch nach diesem Ansatz arbeitet.
    Ja, genau so, wie Du es für Dich und Deine Mutter beschrieben hast, so habe ich es auch erlebt. Es erdet mich und damit kommt auch der Mut, die Dinge die eh da sind, anzusprechen und plötzlich wird es gemeinsam leichter.

  2. Djuke Nickelsen 14. Juni 2023 um 19:55 Uhr

    Hallo Sylvia, was für ein wichtiges Thema du hier ansprichst!

    Ich habe das Konzept der radikalen Akzeptanz durch die Methode „The Work“ kennen gelernt. Byron Katie, auf die diese Methode zurückgeht, drückt es so aus: Loving what is.

    Es geht nicht darum, plötzlich alles durch eine rosarote Brille zu sehen, sondern um – radikale Akzeptanz. Du bist genervt, wütend, traurig? Nimm das Gefühl wahr, nimm es symbolisch in den Arm und untersuche, was schlimmer ist: die Realität – oder deine Gedanken über die Realität?

    Mir hat der Ansatz „Loving what is“, also radikale Akzeptanz, zuletzt dabei geholfen, dass ich mit meiner Mutter über Tod und Sterben und über ihre Beerdigung reden konnte. Und danach in der Lage war, meine Gefühle dazu zu verarbeiten.

    Danke für deinen Text!

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Hallo, ich bin Sylvia

systemische Therapeutin, Trauma-Coach und Bloggerin. Seit über 20 Jahren arbeite ich mit Paaren, Familien und Einzelpersonen daran, negative Kindheitsprägungen und frühe Traumata zu lösen und ein Leben voller Selbstvertrauen, inneren Frieden und emotionaler Stabilität zu führen.
Für ein erfülltes Leben in Verbundenheit.

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