Qualen für die magische 42

Schon im Vorfeld kostet die anlaufende Marathon-Saison Schweiß und Tränen

Die Läufer-Schar aus der Region und der Ferne bereitet sich auf die anstehenden Frühjahrs-Marathons vor. Zwar gibt es dafür unterschiedliche Trainingspläne, aber um zehrende lange Kanten kommt in der Vorbereitung niemand herum.

23.02.2022

Die Laufgruppe der Marathonis beim Tempotraining im Tübinger IfS. Bild: Werner Bauknecht

Die Laufgruppe der Marathonis beim Tempotraining im Tübinger IfS. Bild: Werner Bauknecht

Ab März finden in der Regel die ersten Marathons des Jahres statt. Diese sind speziell für die Läufer/innen gedacht, die den Winter über gut trainieren konnten, den Wind, das Wetter und die Kälte dabei nicht scheuten und die es nun kaum noch abwarten können, endlich an der Startlinie zu stehen und die 42,195-Kilometer unter die Sohlen zu nehmen.

Zumal: Wegen der Pandemie waren in den letzten zwei Jahren kaum reguläre Laufveranstaltungen möglich. Also Events, bei denen man relativ sorglos loslegen konnte, sich im Feld tummeln und die Gegner attackieren konnte, in denen die Zuschauer einen nach vorne puschten und man nicht schon beim Start eine Maske auf Nase und Mund schnallen musste. Das Bedürfnis nach einem Marathon „wie früher“ ist besonders groß.

Viele der Mitglieder der Vorbereitungsgruppen kennen sich gut. Viele, auch wenn sie aus ganz anderen Lauftreffs kommen, trainieren hin und wieder auch gemeinsam. Vor allem die langen Einheiten will niemand gerne alleine herunter spulen. Was dazu kommt: Etliche der Marathonis laufen, obwohl in unterschiedlichen Trainingsgruppen, die gleichen Frühjahrsmarathons. Und vor allem steht die Deutsche Meisterschaft in Hannover im April (4. 4. 2022) direkt vor der Tür.

Einer der Lauftreffs, der sich als „Marathon-Vorbereitungs-Lauftreff“ einen regelrechten Ruf gemacht hat, ist der des TSV Hirschau. Viel profitierte der vom Vorzeige-Leiter Winne Laube, auch ehemaliger Chef des Spitzberglaufs. Der läuft seine eigenen Strecken nämlich alle selbst noch mit, wenn auch im altersgerechten Tempo – und er steht auch regelmäßig an der Startlinie der Marathons, auf die die Läuferschar hin trainiert.

Und Laube kümmert sich noch immer um Strecken, Mailinglisten, Unterwegs-Verpflegung und vor allem dafür, dass die langen Sonntagsläufe, die sogenannten Long-Jogs, auch wirklich stattfinden. Außerdem verschickt er die sonntäglich wechselnden Trainings-Streckenpläne. Die Streckenlänge variiert derzeit zwischen knapp 17 und etwa 25 Kilometern. „Das steigert sich dann, je näher der Marathon rückt“, so Laube, „dann geht es klar über die 30 Kilometer hinaus.“

Manche/r, der oder die die Vorbereitung in den vergangenen Jahren mitgemacht hat, kann sich auch an Zeiten erinnern, als in den 12 Wochen der Vorbereitung fast ein Dutzend Läufe über 30 Kilometer führten. Davon kam man ab, denn mit so einem Pensum stehen die Sportler beim Startschuss schon müde und übertrainiert da.

Die Strecken macht der Lauftreffleiter gerne mit lockeren Sprüchen schmackhaft: „Der hinsichtlich Höhenmetern für Hirschauer Verhältnisse diesmal doch recht moderate Lauf rund um den Pfaffenberg am Sonntag, führt uns zur Oberndorfer Wette, in des Ortes Mitte eher Entenpfuhl als Badepool, nichtsdestotrotz durchaus betrachtenswert.“ So lockt der Hirschauer seine Läuferschar auf die Pisten.

Die Hirschauer und ihre Gäste fahren in der Regel jedes Jahr zu einem Marathon, auf den hin sie trainieren. Das kann dann der Stockholm Marathon sein oder einer in Spanien oder es geht nach Wien. Häufig gab es eine Kooperation mit Läufer/innen aus dem Lauftreff des Tübinger Intersport. Gemeinsam trainierten sie auch schon für den New York Marathon, den die Trainingsgruppe dann geschlossen im Central Park beendete.

Zwischen 20, und vor Corona auch mal bis zu 40, 45 Marathonis nahmen an dem Vorbereitungsprogramm teil. Dabei achten die Organisatoren darauf, dass für jedes Tempo Strecken gefunden werden. „Wer nur auf Ankommen laufen will“, so Laube, „kann ja im 5:30 oder 6:30-Schnitt trainieren, je nach Ambition.“ Im Augenblick haben die Spitzbergläufer der Hirschauer den Heilbronn-Marathon im Visier.

Training in der Pandemie

In Corona-Zeiten, als man offiziell sogar nur als Duo laufen durfte, bildete sich eine sogenannte „Lockdown-Truppe“, die sich über eine WhatsApp-Gruppe trifft und darüber kommuniziert. Manche von ihnen laufen ebenfalls bei Laube mit, ansonsten treffen sie sich untereinander. Da ist sogar ein waschechter Deutscher Meister im Marathon dabei.

Thorsten Haasis gewann in der Altersklasse M50 erst vergangenen Herbst den Teamtitel beim Marathon in München zusammen mit Matthias Koch und Jürgen Ehret – alle bei der LAV Stadtwerke Tübingen. Immerhin gelang ihm dabei eine Zeit unter drei Stunden. „Das geht noch besser“, sagt er lachend, „jetzt wollen wir mal sehen, was beim nächsten 42er läuft.“

Da werden dann die langen Kanten in der Gruppe verabredet. Diese langen Läufe führen quer durch die Umgebung Tübingens und auch mal in Gefilde in der Reutlinger Gegend. Bei Haasis und seiner Gruppe werden die Läufe inzwischen um die 32 bis 34 Kilometer lang. Auch da werden unterschiedliche Tempi gewählt. Haasis selbst kommt momentan auf etwa 100 Kilometer in der Woche, das steigert sich noch. Immerhin – es sind noch sechs Wochen bis Hannover und der DM. „Die LAV schickt schon wieder ein großes und starkes Team nach Hannover“, berichtet Haasis.

Klar, dass da auch Kaderläufer wie Lorenz Baum dabei sind. Doch die haben ihre eigenen Trainingsgruppen mit einem Tempo, das in den Profibereich geht. Eher Genussläufer wie Stefan Fahrion oder auch Oliver Ruckaberle machen die langen Strecken in angepasstem Tempo mit. Aber wenn es, wie am Sonntag, bei Winne auf eine 25-Kilometer-Tour geht, dann laufen sie sich vorher noch auf sieben Kilometern ein – damit sie ihre Kilometer für den Long-Jog zusammen bekommen.

Die Strecken der Lockdown-Gruppe verschicken die Organisatoren, die Läufer/innen laden sie auf die Laufuhr und los geht’s. Beim Bahntraining im Institut für Sport (IfS) in Lustnau werden Intervalle und Tempoläufe absolviert. Da gibt es dann 3 x 3000 Meter oder 4 x 2000 Meter oder eine Treppe: 400, 600, 800, 1000 Meter – und zurück. „Das haut rein“, sind die Sportler sich einig.

Auch Gerold Knisel, Cheforganisator des Nikolauslaufs, bereitet sich auf Hannover vor. Er ist auch der Leiter beim Dienstagstraining und macht Vorschläge, welcher Läufer oder Läuferin welches Programm machen könnte. Er selbst ist natürlich auch im Vorbereitungsstress. Erst vergangenen Freitag machte er einen Lauf mit fast 34 Kilometer zwischen Tübingen, Lustnau und Bebenhausen.

Man stelle sich so eine Piste vor: Start in der Sindelfinger Straße, dann über die Uhlandstraße und die Schaffhausenstraße zum Bahnhof Lustnau, von da zur Lustnauer Adlerkreuzung nach Bebenhausen, hoch zum Soldatengrab, zurück nach Bebenhausen und über das IFS und die Brunnenstraße wieder in die Sindelfingerstraße. Das Ganze in einem Kilometer-Schnitt von knapp über fünf Minuten.

Ein Standard für Läufer/innen ist natürlich noch immer der Lauftreff des Post SV. Die machen ebenfalls sonntags, wie auch die Hirschauer, ihren langen Lauf. Start ist da immer um neun Uhr am Sand. Dann geht es hinein in den Schönbuch, hinab auf die Verbindung zwischen Bebenhausen und Hohenentringen, dann Richtung Herrenberg nach dem Soldatengrab und über Hohenentringen und das Heuberger Tor zurück. In normalen Trainingszeiten spart man sich den Schlenker Richtung Herrenberg und gibt sich mit 19 bis 23 Kilometern zufrieden.

Wettkampf steht an

In drei Wochen ist erst mal ein Testwettkampf angesagt, zu dem sich mehr als ein Dutzend der Läufer von hier gemeldet haben. Sie fahren ins pfälzische Kandel und laufen dort den topfebenen Halbmarathon zur Formüberprüfung und für die Tempohärte. Dazu tragen natürlich auch Programme bei wie ein Crescendo. Hier werden zum Beispiel 30 Kilometer absolviert, wobei die ersten 10 in einem 5:00-Minuten Schnitt pro Kilometer, die zweiten 10 in einem 4:30 Schnitt und die dritten 10 in einem Schnitt von 4:20 Minuten je Kilometer gelaufen werden können.

Und was ist mit Bestzeiten im nächsten Marathon? Nach der langen Vorbereitung? „Oh je“, winken da die meisten ab, „wollen schon – aber der Marathon ist nun mal unberechenbar, da wartet man halt, was am Ende herauskommt.“

Bei den Deutschen Meisterschaften steht ohnehin der Teamgedanke im Mittelpunkt. Dabei werden drei der Teilnehmer ins Team gerechnet, also die ersten drei, die für den Verein ins Ziel kommen. „So ein Team motiviert noch mal mehr“, sind sich Haasis und Knisel einig. Vor allem der Nikolausmacher heimste bereits zahlreiche DM-Teamtitel ein.Werner Bauknecht

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23.02.2022, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 23.02.2022, 01:00 Uhr

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