KULTURREIHE
«Es wird heute oft zu eindimensional diskutiert», sagt der St.Galler Komponist Alfons K. Zwicker und probiert mit einer neuen Reihe gegenzusteuern

Der St.Galler Komponist Alfons K. Zwicker lanciert mit dem Projekt «Integral» eine neue kulturelle Veranstaltungsreihe, die Gedankenimpulse zu drängenden Fragen der Zeit geben will. Sie kombiniert Musik mit Vorträgen. Die ersten beiden Abende erlauben auch eine Wiederbegegnung mit Zwickers Kammermusik.

Martin Preisser
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Der St.Galler Komponist Alfons K. Zwicker wohnt mit weitem Blick auf die St.Galler Innenstadt.

Der St.Galler Komponist Alfons K. Zwicker wohnt mit weitem Blick auf die St.Galler Innenstadt.

Bild: Arthur Gamsa

Geschickt schlägt Alfons K. Zwicker zwei Fliegen mit einer Klappe: Er lädt zu Vorträgen über spannende kulturelle Themen und garniert die Veranstaltungen mit eigener, früher entstandener Kammermusik zu den Inhalten der Reihe. «Projekt Integral» nennt er die Abende, die er zusammen mit seiner Partnerin Marie Elmer konzipiert hat. Über die drängenden aktuellen Zeitprobleme, findet Zwicker, werde heute oft zu eindimensional und mit einer spürbaren Ausschliesslichkeit diskutiert. «Ich vermisse, dass sich die meisten Kulturschaffenden nicht wirklich den Themen der Zeit, die ich als herausfordernde Zeit grossen Wandels empfinde, stellen», sagt der St.Galler Komponist, der im Augenblick an einer neuen Oper schreibt, die das berühmte Buch «Ein Grabmal für Boris Dawidowitsch» des jugoslawischen Schriftstellers Danilo Kiš vertont.

Integrales Denken tut not

Die Reihe «Integral» fusst auf den Überlegungen des Schweizer Philosophen Jean Gebser, der das integrale und nach ganz verschiedenen Seiten offene Denken in seinem geistes- und kulturkritischen Hauptwerk «Ursprung und Gegenwart» herauskristallisiert hat. Symbol für das Durchlässige, das Durchschimmernde und Zeitfreie ist bei Gebsers Integralstruktur die Kugel.

Elena Neff Zhunke (Violine) und Antonii Baryshevskyi (Klavier) spielen Alfons K. Zwickers «Postludien» in der Tonhalle St.Gallen (im Rahmen der Konzertreihe« Cosmokultur»).

Quelle: Youtube

Zu den aktuell unruhigen Zeiten des Wandels passt der erste Abend am 18. September im Open Art Museum. Zwicker hat den Sinologen Rainald Simon eingeladen, der eine neue Übersetzung des Yijing (auch I Ging) vorgelegt hat, die auf ältere Aufzeichnungen dieses klassisch konfuzianischen Buches der Wandlungen zurückgreift. Simon wird über die Geschichte, die Deutung und die Idee der Stufen der Wandlungsprozesse dieses alten chinesischen Orakelbuches sprechen. Passend dazu erklingen drei Stücke aus Alfons K. Zwickers Komposition «Secretum» aus dem Jahr 2007, in der er die acht Urzeichen des Yijing in Klänge umgesetzt hat. Marine Rodallec (Violoncello) und Charlotte Testu (Kontrabass) interpretieren die Stücke.

Kultur, die Haltung vertritt

Der zweite Abend am 25. September ist dem Thema Architektur gewidmet. Der französische Philosoph Jean Baudrillard hat elf radikale, oft auch verstörende Thesen zur Architektur vorgelegt. Alfons K. Zwicker hat drei dieser Thesen (Monstrosität, Zufall und Zerbrechlichkeit) in seiner Komposition «Vom Klang der radikalen Architektur» vertont.

So fordert Baudrillard, dem Zufall in der Architektur Raum zu geben. Und mit Zerbrechlichkeit postuliert er, bei Bauten nicht nur mit starken Zeichen zu protzen, sondern mit sensiblen Momenten zu punkten. Der St.Galler Architekt Thomas Hasler wird ein Referat zu Jean Baudrillards Architekturthesen halten. Die anschliessende Podiumsdiskussion leitet Anna Jessen, eine Fachfrau mit Schwerpunkt Städtebau und Leiterin der Architekturwerkstatt St.Gallen. Das Klavierduo Philipp Meier und Christian Zaugg interpretiert Zwickers Komposition.

Mit der neuen Reihe «Integral» wollen Alfons K. Zwicker und Marie Elmer bewusst Kulturdialoge anregen, die «jenseits vom blossen Eventcharakter und vom Mainstream-Kulturkonsum Haltung vertreten und zu neuen Gedankenfeldern einladen wollen». Zwicker kann sich vorstellen, die Kombination von zeitgenössischer Musik und Themen aus verschiedenen Kunst- und Kultursparten nach den ersten zwei Abenden in weiteren Anlässen fortzuführen.

Zwei Abende: Montag, 18., und Montag, 25. September, je 19.30 Uhr (Open Art Museum St.Gallen, Davidstr. 44).