Böse Zungen geben den Ton an

WÄNGI. In den Beizen Wängis macht sich eine Schnitzelbankgruppe jedes Jahr lustig über das Geschehen im Dorf und der Welt. In der Gemeinde im Murgtal sind die Reime längst Kult. Seit 25 Jahren schmiedet Christian Bossuge die Verse.

Silvan Meile
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Die Wängemer Schnitzelbänkler mit Christian Bossuge (rechts) traten 2008 als eine Mischung aus Christoph Blocher und den Schlümpfen auf. (Archivbild: Rudolf Steiner)

Die Wängemer Schnitzelbänkler mit Christian Bossuge (rechts) traten 2008 als eine Mischung aus Christoph Blocher und den Schlümpfen auf. (Archivbild: Rudolf Steiner)

Auch wenn die Seitenhiebe schmerzen, die Wängemer Prominenz aus Kirche, Staat und Dorfverein kommt jedes Jahr wieder, um sie einzustecken. Jeweils am Schmutzigen Donnerstag bringt die Wängemer Hexenzunft mit ihren Schnitzelbänken in den Beizen der Gemeinde ans Licht, was das Leben im Dorf und der Welt als Steilvorlagen für Belustigung über das Jahr hinweg geboten hat.

Seit 25 Jahren ist Christian Bossuge der Mann hinter der bitterbösen Politsatire zur Fasnachtszeit. Der einstige Gitarrist der Thurgauer Mundartband Galgevögel reimt die Texte und unterlegt sie mit Melodien. In den Restaurants trägt er seine eigens verfassten Schnitzelbänke vor, unterstützt vom Gesang seiner Zunftkollegen und den Klängen seiner Gitarre.

Themenbezogene Kleidung

In Wängi sind die gesungenen Reime längst Kult. Wenn die Hexenzunft einmarschiert, sind die Beizen voll. In den Versen auf die Schippe genommen zu werden, ist für die Wängemer eine Ehre, auch wenn es eben ein bisschen weh tut. Davon kann wohl auch Nationalrat Hansjörg Walter ein eigenes Lied singen. Die bösen Zungen der Hexenzunft wissen von ihm jedes Jahr etwas zu berichten. Mit einstimmen kann auch Wängis Gemeindeammann Benno Storchenegger, dem es genauso geht.

«Es wird niemand an den Pranger gestellt», erklärt Christian Bossuge. Bei aller Schadenfreude schwingt in seinen Versen immer ein wohlwollender Unterton mit. Aus mindestens einem Funken Wahrheit entfacht er das Feuer für die Liedtexte. Die Grundidee ist an die Schnitzelbänke der Basler Fasnacht angelehnt. Musikalisch hat sie Bossuge aber weiterentwickelt. Denn auch seine Melodien der Wängemer Schnitzelbänke sind themenbezogen.

«Gewisse Themen schreien regelrecht nach einer speziellen Melodie», erklärt der einstige Lehrer und Schulleiter aus Wängi. So wurden etwa die Reime über das Grounding der Swissair mit der Melodie von Reinhard Meys «Über den Wolken» unterlegt. Als eine Politikerin eine Wahl verlor, thematisierte es die Hexenzunft mit den Klängen von «Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt».

«Es muss jeder dran glauben»

Seit einigen Jahren kleiden sich die Männer der Wängemer Schnitzelbänke auch nach einem speziellen Thema. Im Mozartjahr erschienen sie im barocken Gewand, im Jahr der Olympischen Spiele in Peking marschierten sie als chinesische Arbeiter in die Beizen. Auch beim 50-Jahre-Jubiläum der Beatles im vergangenen Jahr passten sie ihr Äusseres den Musikern aus Liverpool an. Bei der Nichtwiederwahl Christoph Blochers in den Bundesrat verkleideten sich Bossuge und seine Kollegen als SVP-Überväter mit Schlumpf-Gesichtern. «Es muss jeder dran glauben», sagt Christian Bossuge. Die Gruppe sei politisch neutral.

Gesammelt für Kinderumzug

1988 nahmen die Wängemer Schnitzelbänke ihren Anfang. Spieler des Fussballclubs generierten mit einigen Zeilen Gesang über Lokalgeschichten Geld für einen fasnächtlichen Kinderumzug. Später engagierten sie Christian Bossuge, um die Verse zu schreiben. «Ich bin eigentlich kein Fasnächtler», sagt Bossuge. «Weil damals niemand ein Instrument spielen konnte, bin ich mit der Gitarre halt mitgegangen», sagt er. Seither ist er nicht nur dabei, sondern auch die treibende Kraft.

Rund um die in den Restaurants vorgetragenen Schnitzelbänke entstand in Wängi über all die Jahre eine richtige Dorffasnacht mit Guggenmusik, Maskenball, Umzug und Böög-Verbrennung. «Wir haben Kultur geschaffen», freut sich Christian Bossuge.

Christian Bossuge Pädagoge und Verseschmied (Bild: Silvan Meile)

Christian Bossuge Pädagoge und Verseschmied (Bild: Silvan Meile)