Luxemburg-Stadt„Manchmal sind wir der Polizei schnurzegal“: Bisher zwei Strafverfahren wegen Bettelverbots eingeleitet

Luxemburg-Stadt / „Manchmal sind wir der Polizei schnurzegal“: Bisher zwei Strafverfahren wegen Bettelverbots eingeleitet
Während manche trotz neuer Regelung und verstärktem Polizeiaufgebot weiter in der Hauptstadt betteln, weichen andere auf alternative Orte aus Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Seit einem Monat wird das sogenannte Bettelverbot in Luxemburg-Stadt mit einem verstärkten Polizeiaufgebot kontrolliert. Zwei Strafverfahren wurden bisher in dem Zusammenhang laut Polizei eingeleitet. Obwohl die Behörden eher moderat vorgehen, beeinflusst die neue Regelung den Alltag der Menschen auf der Straße – wie Gespräche mit ihnen zeigen.

„Es ist schwerer für uns geworden, Geld zu bekommen. Die Leute ignorieren uns jetzt öfter“, erzählt der 34-jährige Quentin an einem grauen Wochentag im Februar. Bei einem Gespräch am Centre Hamilius in Luxemburg-Stadt erklärt der seit August 2023 auf der Straße lebende Mann, dass in letzter Zeit einiges anders geworden ist: „Seit dem Regierungswechsel ist das der Fall. Wenn die Leute früher gerne etwas gegeben haben, tun sie das nun nicht mehr“, stellt Quentin fest und führt das darauf zurück, dass Vorbeigehende Konsequenzen fürchten, wenn sie einem obdachlosen Menschen Kleingeld geben.

Überblick zu den Strafanzeigen

Zwei Strafverfahren wurden im Rahmen des sogenannten Bettelverbots bisher eingeleitet. Das teilte die Pressestelle der Polizei auf Nachfrage am Dienstag mit und erklärte: „Die weiteren Schritte wurden in beiden Fällen eingeleitet.“ Wie und wann es mit der Akte um Christian Kmiotek – der sich wegen Bettelns selbst angezeigt hat – weitergehen wird, beantwortet die Polizei nicht, mit dem Verweis, dass Details zu einzelnen Fällen nicht veröffentlicht werden. „Es werden noch Zeugen von der Polizei gehört, wahrscheinlich kommende Woche. Dann erst wird das wohl an die Staatsanwaltschaft weitergereicht“, erklärt aber Christian Kmiotek auf Nachfrage. Bei der Justiz sind bisher übrigens noch keine Strafanzeigen in Verbindung mit dem Bettelverbot eingegangen, wie die Pressestelle der Staatsanwaltschaft am Mittwoch mitteilt. In der Regel werden diese an die Justiz weitergegeben, sobald die Ermittlungen auf Polizeiebene abgeschlossen sind.

Denn seit genau einem Monat wird das sogenannte Bettelverbot in der Hauptstadt verstärkt kontrolliert. Aus Kommissariaten aus allen Regionen des Landes kommen Beamte und Beamtinnen in die Hauptstadt, um der Polizei dort in Schichten unter die Arme zu greifen. Wer nur kurze Zeit in der Oberstadt verbringt, bemerkt, dass die Polizeipräsenz zugenommen hat. „Ein- oder zweimal wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass das Betteln nun nicht mehr erlaubt ist“, erklärt Quentin.

Und bezieht sich dabei auf den viel diskutierten Artikel 42 der hauptstädtischen Polizeiverordnung, der alle Formen des Bettelns zu bestimmten Uhrzeiten und an bestimmten Orten in der Stadt verbietet. Zwei Strafverfahren wurden laut Polizei (Stand 13.2.24) in dem Zusammenhang bisher eingeleitet. Da die Prozeduren noch laufen, sind bei der Justiz aber (Stand 14.2.24) noch keine Strafanzeigen eingegangen – wie die Pressestelle der Staatsanwaltschaft mitteilt. 

Ausstehende Bilanz

Quentin spricht nach wie vor Vorbeigehende an und fragt, ob er ihnen behilflich sein oder eine kleine Aufgabe übernehmen kann. Als Dank hofft der Luxemburger auf Kleingeld. „Ich habe das immer schon so gemacht. Ich finde das respektvoller“, erklärt der Mann mit Masterabschluss, der laut eigener Aussage einst bei einer Bank gearbeitet hat. Dann aber verlor er seinen Job, bekam kein Arbeitslosengeld und konnte ohne Eltern nicht auf familiäre Unterstützung zählen. „Dann kann es schnell gehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich in dieser Situation lande“, so Quentin.

Wenn auch Hamza nicht bettelt, wurde er in letzter Zeit doch von der Polizei kontrolliert
Wenn auch Hamza nicht bettelt, wurde er in letzter Zeit doch von der Polizei kontrolliert Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Kurze Zeit später taucht am Centre Hamilius eine Polizeipatrouille auf, um offenbar auf Nachfrage eines Passanten einen Mann ohne feste Unterkunft zu kontrollieren, der im Stehen still ein Teilchen isst. Im letzten Moment – vielleicht wegen der anwesenden Presse – überlegen die drei Beamten es sich anders und gehen wieder. „Letztens kam die Polizei zu mir, weil ich mit meinen Bildern angeblich den Weg blockieren würde. Dabei kam man problemlos an mir vorbei“, erzählt der obdachlose Hamza auf Französisch. Er bettelt laut eigener Aussage nie, sondern verkauft Bilder.

Und beobachtet dabei das Geschehen um ihn herum. „Manchmal sind wir der Polizei schnurzegal. Es wurde mir schon gesagt, dass ihnen die Kontrollen selbst unangenehm sind“, sagt Hamza und spricht damit eine Tatsache an, die aus Polizeikreisen immer wieder zu hören ist: nämlich dass nicht alle hinter der Maßnahme vom Minister für innere Sicherheit, Léon Gloden (CSV), stehen. Die Bewertung des verstärkten Polizeieinsatzes steht laut Pressestelle der Polizei übrigens noch aus. Weder diese noch das Ministerium beantworten aktuell Fragen zu einer ersten Bilanz. Auch die Stadt Luxemburg hat sich bisher auf Tageblatt-Nachfrage nicht dazu geäußert.

Moderate Kontrollen

Laut Ronny sind die Beamten bei den aktuellen Kontrollen „nett und umgänglich“
Laut Ronny sind die Beamten bei den aktuellen Kontrollen „nett und umgänglich“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Eine klare Meinung dazu hat aber Hamza: „Die Polizei ist da, um Verbrechen zu stoppen. Menschen ohne feste Unterkunft sollte sie in Ruhe lassen“, fordert er. Eine Polizeipatrouille tut das nur wenige Minuten später auch, als sie in der Avenue de la Porte-Neuve ohne etwas zu sagen an einem auf dem Boden sitzenden Mann mit Pappbecher vorbeigeht. Der Mitarbeiter einer Bäckerei schickt den Bettler trotzdem weg, weil dessen Vorgesetzter keine Obdachlosen vor seinem Laden sehen will.

Dass die Polizeibeamten im Umgang mit Menschen, die trotz der neuen Regelung betteln, moderat umgehen, hat auch Ronny festgestellt. „Sie sind bei den Kontrollen sehr nett und umgänglich“, erzählt der Mann, der sich laut eigener Aussage freiwillig für das Leben auf der Straße entschieden hat, bei einem Gespräch im Sozialbistro des Roten Kreuzes in der Oberstadt. Und bestätigt damit, was auch andere Menschen auf der Straße sagen.

Anderweitiges Betteln

Kevin ist aufgefallen, dass mehr Fußpatrouillen in der Hauptstadt unterwegs sind
Kevin ist aufgefallen, dass mehr Fußpatrouillen in der Hauptstadt unterwegs sind Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Einer von ihnen, Kevin, wurde bisher noch nicht von der Polizei kontrolliert. Ihm ist aber aufgefallen, dass mehr Fußpatrouillen unterwegs sind – wie er bei einem Gespräch am Theaterplatz erzählt. „Vorher fuhr die Polizei immer mit dem Auto vorbei, jetzt sind sie zu dritt oder zu viert zu Fuß unterwegs.“ Mit dem Betteln aufgehört wird dadurch aber nicht: „Einige von uns waren immer in der Oberstadt unterwegs. Jetzt fahren sie morgens zum Betteln nach Düdelingen, kommen zum Mittagessen her und fahren dann wieder nach Düdelingen.“ Ein anderes Gruppenmitglied begibt sich laut Kevin jetzt öfter zum Senningerberg, wo der Besitzer eines Geschäftes es ihm erlaubt, andere um Kleingeld zu bitten.

Kevin gehört übrigens zu der Gruppe, die öfters am Theaterplatz schlief – bis die Stadt den öffentlichen Platz abriegeln ließ und dieser stattdessen einen Container zum Übernachten zur Verfügung stellte. Dafür ist der Mann ohne feste Unterkunft dankbar, allerdings weisen Kevin und die anderen Mitglieder der Gruppe beim Gespräch darauf hin, dass nicht ausreichend Platz für alle da ist. Zum Teil müssen sie für die Übernachtung auf andere Orte zurückgreifen. So, wie sie sich wegen der geltenden Regelung auch an andere Orte begeben, um zu betteln.

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multi700
19. Februar 2024 - 8.29

Antwort auf Langsam langt's aber: Wer sagt denn, das das Tageblatt nur für Esch ist? Da kann ich mein Abo in Luxemburg ja gleich abbestellen.

Pani
15. Februar 2024 - 15.14

Hei brauch keen dobaussen ze schlôfen oder Honger ze leiden ausser e wëllt esou liewen. All déi Gutmënschen an zoudéifst Schokéierter solle muerges fréi d'Haus, Geschäfts a Parkingsagäng vu Schéiss, Seech, Katz an âneren Dréck befreien. Avis aux amateurs!

jean-pierre.goelff
15. Februar 2024 - 15.08

....keng aaner Problemer am Marienländchen?Haalt dach endlich op mat déer toopicher Geschicht!

Staater
15. Februar 2024 - 14.57

Et geet jo duer, t'ass alles gesôt, gitt iech dach endlech mat deem blöde Wischiwaschi. Merde alors. (Dixit Asselborn)

Langsam langt‘s aber?
15. Februar 2024 - 13.25

Was hat das t überhaupt mit der Hauptstadt zu tun? Kümmert euch um Esch. Geht ihr euch nicht selber auf den Wecker mit diesem Thema. ??

Clemi
15. Februar 2024 - 12.04

neben der kmiotek-idee hier noch eine andere: wenn die verbots-verfechter recht haben, kann der ominöse artikel sei es in der VdL (polizeireglement) aber auch national (code pénal) ja "eingefordert" werden, d.h. theoretisch wenn man allerorts bei jedem pappbecher+mensch direkt 113 anruft, müsste die polizei auch kommen? übrigens: wenn die verbotsverfechter recht haben was den code pénal angeht, empfehle ich die lektüre des rezenten artikels "Eine Frage der Perspektive / Zwei Experten diskutieren die juristischen Hintergründe des Bettelverbots" hier im T. da zeigt L.Heuschling die absurdität des ganzen meiner bescheidenen meinung nach unwiderlegbar auf