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Millionen Tonnen CO₂Abfall klimaneutral entsorgen: Jetzt hat die Schweiz einen Masterplan  

Der Plan der KVA Linth in Niederurnen ist, zwischen 2028 und 2030 eine Anlage in Betrieb zu nehmen, die 100’000 Tonnen CO₂ abscheidet.

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Die Schweizer Abfallverwerter haben keine Alternativen, um klimasauber Abfall zu verbrennen. Sie müssen aus dem Abgas aufwendig das CO₂ herausfiltern und eine Methode finden, das Gas anschliessend dauerhaft aus der Atmosphäre fernzuhalten. Das haben sie nun ernsthaft vor.

Der Verband der Betreiber Schweizer KVA (VBSA) will bis 2050 den Abfall klimaneutral entsorgen. Er will unverzüglich mit der Umsetzung beginnen und hat einen Plan. Der Branchenverband verpflichtet sich in einer Vereinbarung mit dem Bund, dass bis spätestens 2030 eine erste Kehrichtverbrennungsanlage über ein System verfügt, das 100’000 Tonnen CO₂ aus den Abgasen auswaschen kann. Zudem soll parallel dazu eine Infrastruktur aufgebaut werden, damit das abgeschiedene CO₂ abtransportiert und für immer gespeichert werden kann.

Aufgabe für Generationen

Dafür investieren die Abfallverwerter nun jährlich eine Million Franken. Im Gegenzug entbindet der Bund die Branche von der Verpflichtung, inzwischen teure Emissionszertifikate zu kaufen, um ihre CO₂-Emissionen zu kompensieren. «Der vereinbarte Fahrplan des VBSA sieht als Meilenstein die Sicherung der Finanzierung bis 2025 vor», sagt Bastien Girod, Nationalrat der Grünen und Präsident des VBSA. Er sei zuversichtlich, dass das gelingen kann, weil es einen breiten Konsens im Verband und der Politik gäbe, dass es möglichst rasch Demonstrationsanlagen braucht. «Der Aufbau dieser neuartigen Klimaschutz-Infrastruktur ist eine Generationsaufgabe, vergleichbar mit dem Aufbau der Abwasserreinigung im vergangenen Jahrhundert», sagt Robin Quartier, Direktor der VBSA. 

Die zugesicherte Investition des Verbandes erscheint deshalb wie ein Tropfern auf den heissen Stein. «Es geht hier vor allem darum, Know how zu schaffen. Damit werden keine Anlagen gebaut», sagt VBSA-Direktor Robin Quartier. Das Geld soll vor allem in Entwicklungs- und Forschungsprojekte investiert werden. «Dazu kommen Investitionen der KVA`s selbst», sagt VBSA-Präsident Bastien Girod. Der Aufbau der Infrastruktur wird dann Milliarden kosten. 

Bereits in diese Zukunft investiert hat die KVA Linth. Sie hat in einer Studie aufgezeigt,  dass eine Auswaschung von CO₂ aus der Abluft machbar ist. Die Anlage im glarnerischen Niederurnen stösst jährlich im Durchschnitt 115’000 Tonnen CO₂ aus. «Die KVA Linth plant, zwischen 2028 und 2030 eine CO₂-Abscheideanlage für mindestens 100’000 Tonnen CO₂ pro Jahr in Betrieb zu nehmen», sagt Walter Furgler, Geschäftsführer der KVA Linth. Bereits Ende dieses März will die KVA kommunizieren, wie sie konkret die Umsetzung planen. Nun werden 28 weitere KVA`s ihre Anlage einer ähnlichen Prüfung unterziehen. So ist das in der Vereinbarung mit dem Bund festgelegt.

Das Ziel des VBSA ist, die Abscheidungskapazität bis 2035 auf jährlich 400’000 Tonnen zu steigern. Bis Ende 2050 soll diese Technik auch etwa in der Zement- und Stahlindustrie angewendet werden. Der Bundesrat geht von einer Abscheidung von 7 Millionen Tonnen aus. Die KVA sind für rund 5 Prozent der gesamten CO₂-Emissionen der Schweiz verantwortlich.

Mit der Auswaschung und Speicherung des CO₂ verfolgen die Abfallverwerter aber noch ein anderes Ziel: Etwa die Hälfte der CO₂-Emissionen stammt von biogenen Abfällen. Dazu gehören vor allem Altholz oder Gartengut. In diesen organischen Stoffen ist CO₂ in Form von Kohlenstoff gespeichert, der für das Wachstum aus der Atmosphäre gefiltert wurde. Bei der Verbrennung in der KVA wird der Kohlenstoff wieder als CO₂ freigesetzt. In diesem Fall ist der Prozess klimaneutral. Wird das CO₂ jedoch im Untergrund oder als Rohstoff etwa in Beton permanent eingelagert, spricht man von negativen Emissionen.

Mit diesen Emissionen rechnet der Bundesrat fest in seinen Energieperspektiven 2050+: Die Energie- und die Landwirtschaft werden in rund dreissig Jahren nicht vollständig klimaneutral sein. Es wird also noch CO₂ ausgestossen, das kompensiert werden muss – durch sogenannte negative Emissionen. Verschiedene Schätzungen zeigen, dass es jährlich weit mehr als 10 Millionen Tonnen CO₂ sein werden, gut ein Viertel der heutigen Emissionen.

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Die 29 KVA in der Schweiz hätten das Potenzial, pro Jahr mindestens 2 Millionen Tonnen negative Emissionen beizusteuern. Noch ist es allerdings noch nicht so weit. Die grosse Herausforderung ist die dauerhafte Speicherung des CO₂. Eine Studie des Sustainability in Business Lab (Sus.Lab) der ETH Zürich zeigt, dass die endgültige Lagerung im Untergrund zum heutigen Zeitpunkt die einzige realistische Lösung für CO₂-Mengen von über einer Million Tonnen ist.

Die Vorstellung der ETH-Forschenden wäre, das abgeschiedene CO₂ über eine inländische Pipeline zu sammeln. Die Rede ist von einem neuen Leitungsnetz über rund 1300 Kilometer. Das inländische Netz müsste aber dann in Zusammenarbeit mit dem Ausland zu entsprechenden Lagerstätten unter der Nordsee oder Adria verbunden werden. In der Schweiz ist die Geologie nicht sonderlich geschaffen für eine Lagerung, es könnte gemäss einer ETH-Studie nur ein kleiner Teil des CO₂ gelagert werden. Die bestehende Gasinfrastruktur kommt gemäss der ETH-Forschenden eher nicht infrage, weil sie teuer umgerüstet werden müsste und weil sie vorderhand noch gebraucht wird. Allenfalls liessen sich die bestehenden Trassees dafür verwenden. 

Umstrittene CO₂-Lagerung

In Europa gibt es inzwischen verschiedene Länder wie Norwegen, die Niederlande, Grossbritannien oder Italien, die in grossem Stil in die CO₂-Speicherung einsteigen. Das norwegische Vorhaben «Northernlights», dem die Energieunternehmen Equinor, Shell und Total angehören, scheinen am weitesten fortgeschritten zu sein. Wird der Zeitplan eingehalten, so will Norwegen die Anlage bereits 2024 für europäische CO₂-Emittenten öffnen.

Die CO₂-Speicherung ist allerdings nicht unumstritten. Umweltorganisationen warnen, dass es noch keine weltweiten Standards zum Bau solcher Anlagen gibt. Andererseits geht der Weltklimarat IPCC davon aus, dass es ohne diese Technik nicht möglich sein wird, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Die Illustration zeigt den geplanten Terminal in Øygarden, im Westen von Norwegen, wo das CO₂ per Schiff zu Lagerung gebracht wird. 

Doch «Northernlights» ist inzwischen nicht mehr die einzige Option, die der VBSG verfolgt. «Wir untersuchen im Rahmen des Projektes DemoUpCarma auch Alternativen», sagt VBSG-Präsident Bastien Girod. Das Projekt unter der Federführung der ETH Zürich wurde im letzten Dezember gestartet und prüft zwei verschiedene Lieferketten von CO₂, ob sie auch für grössere Mengen infrage kommen. «Es gibt eine inländische Lösung, indem CO₂ in Beton verwendet und gespeichert wird», sagt Marco Mazzotti von der ETH Zürich. Dabei wird mit der Schweizer Firma Neustark zusammengearbeitet. Der ETH-Spinoff lagert seit 2020 CO₂, das zum Beispiel aus der Atmosphäre gefiltert wird, in rezykliertem Beton. Dabei wird gemäss den Angaben des Unternehmens die Klimabilanz des Frischbetons um 10 Prozent verbessert.

«Es gibt nicht genug Beton in der Schweiz, um in Zukunft das gesamte abgeschiedene CO₂ zu speichern, deshalb verfolgen wir noch eine andere Option», sagt Marco Mazzotti. CO₂ soll in Basaltgestein in Island gelagert werden. Im Gegensatz zum norwegischen Projekt Northernligts speichert das Unternehmen Carbfix bereits heute CO₂ im isländischen Untergrund, indem das Gas in Meerwasser gelöst und in den Basalt injiziert wird. Der Kohlenstoff wird dann innert weniger Jahre natürlich zu Karbonat umgewandelt.

Erste CO₂-Lieferungen nach Island

Die Forschenden des Projekts DemoUpCarma werden bereits in diesem Jahr die Lieferketten mit verflüssigtem CO₂ aus der Biogasproduktion einer ARA in Bern testen. In den nächsten Jahren wird dann die Menge sukzessive erhöht. Der Lieferweg nach Island ist dabei etwas komplizierter als in der Schweiz. Heute sieht der Weg so aus: Mit einem Lastwagen geht es nach Basel, von dort mit dem Zug nach Rotterdam und dann weiter per Schiff nach Island.  Das ETH-Projekt wird durch die Bundesämter für Energie und Umwelt finanziert und unterstützt. Auch der Verband der Betreiber Schweizer KVA finanziert das Projekt im Rahmen der Vereinbarung mit.

Aber noch ist alles offen, wie in Zukunft die Kehrichtverbrennungsanlagen das CO₂ aus der Abfallverbrennung loswerden wollen. Dennoch müssen die Akteure des Megaprojekts, der VBSA, aber auch Bund, die KVA`s und die Industrie in den den nächsten Jahren eng zusammenarbeiten. Bereits heute, so VBSA-Präsident Girod, müssten mit Unternehmen wie «Northernlights» oder Carbfix über künftige Lagervolumen verhandelt werden. Über die künftigen Kosten der Infrastruktur gibt es bisher nur grobe Abschätzungen: Die Betriebskosten einer Anlage, die 100 000 Tonnen CO₂ abscheidet, belaufen sich schätzungsweise auf 3 Millionen Franken pro Jahr, inklusive Transport und Speicherung. Die Investitionskosten betragen gemäss VBSA etwa 60 Millionen Franken. «Die Herausforderung ist gigantisch», sagt der Direktor der VBSA Robin Quartier.