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Bombenleger, Sündenbock, Zocker – was aus den Immo-Crashern wurde

Man nannte ihn den «Gorilla von Wallstreet»: Ex-Lehman-Chef Richard Fuld. Foto: Reuters

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Im Sommer 2006 erreichte der US-Immobilienboom den Zenit. Die Häuserpreise erreichten schwindelerregende Höhen. Was kaum jemand erkannte: Der Traum vom Eigenheim war nicht real. Das spätere Platzen der Spekulationsblase riss das globale Finanzsystem in den Abgrund. Die Katastrophe wurde später auch mit Namen verbunden. Denjenigen von Joe Cassano, Dick Fuld, Angelo Mozilo und weiteren Finanzjongleuren.

Dick Fuld – Primat des Bankrotts

Das Undenkbare geschieht am Montag, dem 15. September 2008: Lehman Brothers geht Konkurs. Das einst stolze Finanzhaus, gegründet 1850, stolperte über die Subprime-Krise. An der Spitze der damals viertgrössten Investmentbank Amerikas steht Richard «Dick» Fuld, auch bekannt als der «Gorilla von Wallstreet». Unter seiner 14-jährigen Führung wurde das Verbriefungsgeschäft mit minderwertigen Hypotheken massiv ausgebaut. Lehman vergab die Darlehen zum Schluss gleich selbst. Finanziert wurde das Engagement auf Pump. Mit Bilanztricks verschleierte die Investmentbank die wachsende Verschuldung.

Tenue leicht, statt Anzug und Krawatte: Fuld wird 2009 am New Yorker Flughafen John F. Kennedy von einem Passanten gegrüsst.

Fuld kassierte kräftig ab: Rund 550 Millionen US-Dollar soll er von 2000 bis 2007 eingestrichen haben. Die Börsenaufsicht SEC eröffnet nach dem Kollaps eine Untersuchung wegen Betrug. Fuld wird vorgeladen, streitet jegliche Vorwürfe ab und schiebt die Schuld für den grössten Bankrott in der US-Unternehmensgeschichte der Notenbank und der Regierung zu. Es kommt nie zu einer Anklage gegen ihn oder andere Verantwortliche von Lehman. Dann taucht Fuld ab. 2015 tritt er erstmals wieder öffentlich auf – und bleibt uneinsichtig. «Lehman war im September 2008 nicht bankrott», insistiert er. (THA)

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Foto: Reuters

Angelo Mozilo – Der Subprime-Baron

Angelo Mozilo ist das braungebrannte Gesicht der Subprime-Krise. Auf dem Zenit des Booms vergibt sein Hypothekarinstitut Countrywide Financial 20 Prozent aller Immobilienkredite in den USA. Der Metzgersohn aus der Bronx häuft von 2001 bis 2006 rund 470 Millionen Dollar an. Als die Häuserpreise sinken, stösst er seine Countrywide-Aktien heimlich ab, während er sie in der Öffentlichkeit zum Kauf anpreist und Countrywide ein grosses Rückkaufprogramm lanciert. Wegen Insiderhandels und Wertschriftenbetrugs eröffnet die Börsenaufsicht SEC später ein Verfahren, das Mozilo 2010 mit einer Zahlung von knapp 70 Millionen Dollar beilegt.

Obschon er kein Schuldeingeständnis macht, ist es die grösste Busse einer Privatperson im Nachgang des Crashs. Mit Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe freikaufen muss sich auch Bank of America, die Countrywide im Sommer 2008 übernommen hat. Mozilo, dem es lebenslänglich verboten ist, eine kotierte Gesellschaft zu führen, ist heute als Privatinvestor tätig und lebt in Los Angeles. Der 77-Jährige ist sich keiner Schuld bewusst. «Wir haben nichts falsch gemacht», sagt er im Herbst 2014 einem Reporter von Bloomberg News, als Gerüchte über eine neue Anklage aufkommen. (CG)

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Foto: Reuters

Joe Cassano – der Bombenleger

Dass der Crash am US-Häusermarkt das globale Finanzsystem fast zum Kollabieren brachte, ist zu einem wesentlichen Teil Joseph «Joe» Cassano zuzuschreiben. Der Polizistensohn aus Brooklyn macht aus dem Assekuranzriesen AIG eine Zeitbombe, die im Herbst 2008 hochgeht. Als Chef der in London domizilierten Tochter AIG Financial Products verkauft er massenweise Credit Default Swaps (CDS), mit denen sich Investoren gegen den Ausfall der faulen Hypothekenpapiere absichern. Cassano, der seine Karriere beim Junk-Bond-Haus Drexel begann und für seine Wutausbrüche gefürchtet ist, behauptet noch im Spätsommer 2007, dass AIG mit diesen Transaktionen unmöglich «auch nur einen Dollar» verlieren könne.

Als die Subprime-Krise aber eskaliert und immer fraglicher wird, ob AIG die CDS-Vereinbarungen erfüllen kann, stehen selbst die cleversten Wallstreet-Häuser vor dem Abgrund. Nur einen Tag nach dem Fall von Lehman Brothers muss die US-Regierung AIG verstaatlichen und mit mehr als 180 Mrd. $ aufpäppeln. Dennoch kommt Cassano ungeschoren davon. Eine zweijährige Strafuntersuchung endet im Mai 2010 ohne Anklage. Seither ist er aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden. (CG)

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Foto: Keystone

Fabrice Tourre – Wallstreets Sündenbock

Es war einer der bizarrsten Momente in der Aufarbeitung der Immobilienkrise. Am 27. April 2010 klebt ganz Wallstreet am TV-Schirm und verfolgt live, wie Fabrice Tourre vor dem US-Kongress einvernommen wird. Der junge Starhändler von Goldman Sachs, der unter dem Übernamen «Fabulous Fab» unfreiwillig Berühmtheit erlangte, muss mit Konzernchef Lloyd Blankfein und anderen Topmanagern der Bank Rede und Antwort stehen, weil er einige der spektakulärsten Transaktionen mit faulen Hypothekenpapieren ausgeführt hatte. «Das gesamte Konstrukt kann jetzt jederzeit kollabieren. Der einzige potenzielle Überlebende: der fabelhafte Fab. Er steht inmitten all dieser komplexen, schuldenüberladenen, exotischen Deals, die er geschaffen hat, ohne dabei zwingend alle Auswirkungen dieser Monstrositäten zu kennen», schrieb er dazu in einer E-Mail Anfang 2007. Einige der toxischen Produkte habe er sogar an «Witwen und Waisen» verkauft, spöttelte er.

Obwohl der Junior-Trader seine Deals in vollem Einverständnis seiner Vorgesetzten ausführte, wird er später als einziger Vertreter Wallstreets wegen einer Straftat verurteilt. Heute studiert der 37-Jährige an der Universität von Chicago Ökonomie. (CG)

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Foto: Keystone

John Paulson – der Milliardenzocker

John Paulson setzte alles auf eine Karte. «Wo ist die Blase, die wir shorten können?», fragt der Hedge-Fund-Manager 2005. Er findet sie im US-Häusermarkt. Mit Leerverkäufen auf Kreditverbriefungen wettet er auf den Einbruch der Immobilienpreise. Gleichzeitig kauft er Versicherungen auf Kreditausfälle. Obwohl das zunächst ein Verlustgeschäft ist, erhöht der Harvard-Absolvent seine Wette. 2006 lanciert er einen zweiten Fonds unter dem Namen «Credit Opportunities». Er kontaktiert Investmentbanken und sucht nach Wegen, seine Strategie umzusetzen. Fündig wird er beim Goldman-Sachs-Händler Fabrice Tourre.

Paulson, der 1994 seinen ersten Hedge Fund lanciert, wird damals an Wallstreet noch belächelt. Doch dann dreht der Markt und die ersten Hypothekenfinanzierer melden Verluste. 2007 gewinnt Paulsons Firma durch den Immobiliencrash 15 Milliarden Dollar – es ist einer der lukrativsten Trades aller Zeiten. Er selbst sackt 4 Milliarden ein. Den Skandal um faule Deals von Goldman übersteht er unbeschadet. Paulson, der kaum öffentlich auftritt, gilt heute als Investment-Guru und hat derzeit eine grössere Wette auf das Comeback der Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac am Laufen. (THA)

* Der Artikel ist so schon in der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» erschienen.