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Kantonsräte wollen Zürich bevormunden

Der Kanton will die Kompetenzen der Stadt Zürich beim Verkehr einschränken – eine Neuauflage eines Anliegens, das 2011 scheiterte: Tempo-30-Schild bei der Haltestelle Seilbahn Rigiblick. Foto: Samuel Schalch

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Tempo 30 am Rigiplatz, testweise nächtliches Tempo 30 auf diversen Strassen, Spurreduktion am Utoquai, ein Ampelregime auf den Einfallachsen, das den Verkehr nur tröpfchenweise in die Stadt lässt: Die Bemühungen der Stadt Zürich, die Bevölkerung vor Lärm zu schützen, sind den Bürgerlichen ein Graus. Sie bezichtigen die Stadt, Autofahrer zu vergraulen und an der Stadtgrenze stoppen zu wollen. Die Crux: Die Stadt darf Tempo-30-Schilder auf Hauptstrassen stellen, solange sie keine baulichen Massnahmen ergreift. Auch darf sie Lichtsignale selber einstellen.

Gegen diese Ausnahmeregelung in der kantonalen Signalisationsverordnung hat der frühere FDP-Gemeinderat und heutige Kantonsrat Marc Bourgeois zusammen mit Alliierten aus SVP und BDP einen Vorstoss im Kantonsrat eingereicht, der ihn 2016 prompt mit 98 gegen 71 Stimmen an den Regierungsrat überwiesen hat. Dieser war erfreut und kündigte an, «Anpassungen» an der Verordnung zu prüfen. Der Regierungsrat, der die Verordnung in Eigenregie ändern darf, delegierte die Aufgabe an Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (FDP). In der Antwort auf Bourgeois' Vorstoss bezog sich die Regierung auf den Spurabbau am Utoquai. Diesen hatte die Stadt gerichtlich durchgesetzt, und der Kanton musste einsehen, dass seine Macht auf den Stadtzürcher Verkehrsachsen beschränkt ist.

Links gegen rechts

Nun soll der Einfluss der Städte Zürich und Winterthur, die in Strassenfragen seit 1981 einen Sonderstatus haben, beschnitten werden. Die Verkehrskommission des Kantonsrats (Kevu) hat mehrere parlamentarische Initiativen behandelt, die das kantonale Strassengesetz ändern wollen. Mit 9 zu 6 Stimmen wurden die beiden zentralen Vorstösse angenommen, wie gestern öffentlich wurde. Dafür haben sich SVP, FDP, CVP, BDP und EDU ausgesprochen, dagegen SP, GLP, Grüne und EVP.

Der schärfste Vorstoss stammte aus der Feder von Jürg Trachsel (SVP, Richterswil), der heute kantonaler Ombudsmann ist. Er wollte zusammen mit Rico Brazerol (BDP, Horgen) und Heinz Kyburz (EDU, Männedorf) den beiden Grossstädten alle Kompetenzen auf den Hauptstrassen entziehen. Die Kevu hat das Vorhaben übernommen, aber abgemildert. Der zweite Hauptvorstoss kam von Alex Gantner (FDP, Maur), Marcel Lenggenhager (BDP, Gossau) und Thomas Vogel (FDP, Illnau-Effretikon). Deren Stossrichtung war dieselbe: Die Kompetenzen zwischen den Städten und dem Kanton sollen neu geregelt werden. Konkret sollte der Kanton neu bei Strassenbauvorhaben von über 6 Millionen Franken den Lead haben. Dasselbe gilt für Strassenprojektierungen, welche 300'000 Franken übersteigen.

Neuauflage von 2010

Manche mögen nun ein Déja-vu haben. Tatsächlich entspricht Gantners Vorstoss weitgehend einer Vorlage aus dem Jahr 2010. Und diese hatte es in sich. Die damalige Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer (SVP) hatte nach jahrelangen Querelen mit der Stadt Zürich genug und schlug die Entmachtung der Städte in Strassenfragen vor. Zürich und Winterthur wehrten sich, fanden aber nur bei den Linken Gehör.

Doch der Kantonsrat verbiss sich in die Vorlage, drehte einige Pirouetten, bis die Revision im November 2011 mit 125 zu 39 Stimmen verworfen wurde. Danach fragten sich die Bürgerlichen verwundert, wie eine Vorlage hochkant scheitern konnte, die im Parlament mehrheitsfähig war. Verantwortlich war letztlich die SVP, die keine Tempo-20-Zonen und keine Priorisierung des öffentlichen Verkehrs wollte – Nebenaspekte des Strassengesetzes. Fuhrers Nachfolger Ernst Stocker (SVP) hatte bis zuletzt für die Vorlage gekämpft. In einem letzten Aufruf beschwor er den Kantonsrat: «Wenn links und rechts nicht zufrieden sind, liegen wir mit unserem Vorschlag gar nicht so schlecht», sagte er. Doch danach konnte sich die Linke ins Fäustchen lachen. Und die Städte waren froh, dass es beim Status quo blieb.

Regierungen wollen keine Stellung beziehen

Nun also die Neuauflage, welche voraussichtlich nach den Wahlen im Frühling 2019 ins Ratsplenum kommt. Die Bürgerlichen sind gewillt, es dieses Mal besser zu machen. Mit dem Entscheid der Kommission sei man auf gutem Weg, sagt der Stadtzürcher FDP-Kantonsrat Marc Bourgeois, der die Entmachtung der Stadt mitangestossen hat. Wer eine Strasse zahle, solle auch die Regeln darauf bestimmen. Noch wichtiger sei die erwähnte Signalisationsverordnung, findet er. Darin wird geregelt, ob der Kanton oder die Städte auf den Kantonsstrassen das Tempo festlegen dürfen. Auch Verkehrspolitiker Christian Lucek von der SVP betont die Bedeutung der Signalisationsverordnung. «Ich hoffe sehr, dass der Regierungsrat sie in unserem Sinn anpasst.» Der Kanton müsse die Tempolimiten auf den eigenen Strassen selber festlegen können. Ein Triumph über Zürich sei das aber nicht.

Die Regierungen der betroffenen Städte Zürich und Winterthur wollten beim jetzigen Stand des Geschäfts keine Stellung beziehen. Ihre Vertreter haben aber bei der Kevu vorgesprochen.

Neue Harmonie gefährdet

Ganz anders die SP. Gemäss Kantonsrat Felix Hoesch, dem einzigen Stadtzürcher in der Kevu, steht das gute Verhältnis zwischen dem Kanton und der Stadt auf dem Spiel. Tatsächlich hatte sich seit dem Abgang Fuhrers der Dialog versachlicht. Die «Machtdemonstration» des Kantons ergebe keinen Sinn, findet Hoesch. Das kantonale Tiefbauamt müsste Leute anstellen, und bis dieses gut aufgestellt sei, herrsche auf den Zürcher Strassen Stillstand. Ausserdem müsste der Kanton weiterhin eng mit der Stadt arbeiten, weil diese bei Strassenbauten die Gelegenheit nutze, Werkleitungen zu ersetzen. Hoesch ist auch der Meinung, dass der Kanton riskiere, den Goodwill des Zürcher Stadtrats beim Thema Rosengartentunnel zu verlieren – was ihm persönlich einerlei ist: «Ich würde mich freuen, wenn der Stadtrat sein Ja zum Tunnel überdenkt», sagt Hoesch. SP, Grüne und AL sind gegen das Milliardenprojekt.

Die SP-Sektionen von Zürich und Winterthur können sich vorstellen, die Städte dabei zu unterstützen, das Gemeindereferendum gegen das neue Strassengesetz zu ergreifen. Das Problem dabei: «Ich glaube nicht, dass ein solches im Kanton eine Chance hätte», sagt die Zürcher SP-Gemeinderätin Simone Brander.