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Nachfolgerin für Mark RutteSelber eingewandert, propagiert sie nun eine harte Asylpolitik

Hat sich als Hardlinerin beim Kampf gegen die Kriminalität profiliert: Justizministerin Dilan Yesilgöz. 

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Dilan Yesilgöz hat manches gemein mit Mark Rutte, dem sie nun an der Spitze der rechtsliberalen VVD nachfolgen soll. Auch sie ist bekannt dafür, sehr intensiv um ihr Image besorgt zu sein. Das Pokerface, das der nur noch geschäftsführende Ministerpräsident immer so perfekt beherrscht, gelingt ihr aber noch nicht. Als Yesilgöz diese Woche von einem TV-Sender gefragt wurde, ob sie antreten wolle, verrieten ihre Augen und ihre Körpersprache auf den ersten Blick, dass die Sache zu diesem Zeitpunkt längst entschieden war. Sie sei bereit, sagte sie.

Und tatsächlich erklärten bald darauf Edith Schippers und Klaas Dijkhoff, beide bis jetzt hoch gehandelte ehemalige Minister, nicht zur Verfügung zu stehen. Als auch Fraktionschefin Sophie Hermans abwinkte, Ruttes ehemalige Assistentin, war die offizielle Unterstützung der Parteiführung für Yesilgöz am Donnerstag nur noch Formsache. Der Weg ist frei für die 46-Jährige, die damit gute Aussichten hat, nächste Ministerpräsidentin der Niederlande zu werden.

Kämpferin gegen die «Woke-Kultur»

Yesilgöz kam im Alter von sieben Jahren mit Mutter und Schwester in die Niederlande, sie folgten dem Vater nach, einem kurdischen Menschenrechtsaktivisten. Sie wuchs in Amersfoort auf, studierte Kulturwissenschaften, stieg auf in der Stadtverwaltung von Amsterdam. Politisch zog es sie zunächst zu linken und grünen Parteien, bevor sie bei der VVD einstieg und das Thema Freiheit für sich entdeckte. Seit 2017 ist sie Parlamentsabgeordnete, seit Januar 2022 ist Yesilgöz Justizministerin, die erste Nicht-Juristin an der Spitze des Hauses.

Dilan Yesilgöz hat gute Chancen, ihm auch als Premier nachzufolgen: Mark Rutte diese Woche beim Nato-Gipfel in Vilnius. 

Getreu der VVD-Tradition, die auf Recht und Ordnung pocht, hat sie sich als Hardlinerin beim Kampf gegen die Kriminalität profiliert. Was sie am meisten bewegt, gab sie im vergangenen Jahr in einem Vortrag kund: die «Woke-Kultur». Diese «übersteigerte Form von politischer Korrektheit» bedrohe den Rechtsstaat, sagte sie, weil sich Menschen da anmassten, über wahr und falsch, gut und schlecht zu befinden.

Auch eine härtere Asylpolitik liegt Yesilgöz am Herzen. Die koalitionsinternen Gespräche darüber fanden in den vergangenen Wochen unter ihrer Leitung statt. Dass sich Linksliberale und die kleine Christen-Union einer Verschärfung der Regeln zum Familiennachzug verweigerten, hatte Rutte zum Grund genommen, das Bündnis platzen zu lassen.

«Die Möglichkeiten, die mir in den Niederlanden geboten wurden, möchte ich gerne anderen Flüchtlingen bieten.»

Dilan Yesilgöz im Jahr 2004

Am Wochenende verteidigte Yesilgöz im Fernsehen die Haltung der VVD, die zurückwill zur in der EU üblichen Zweiteilung der Asylbewerber in politische Flüchtlinge und Kriegsflüchtlinge, die absehbar in ihre Heimat zurückkehren. Bei Letzteren sollen nur noch wenige Angehörige nachziehen dürfen. Yesilgöz deutete an, dass der Mehrfachnachzug ein grösseres Problem darstelle: Fälle also, in denen Nachgezogene weitere Familienmitglieder in die Niederlande holen, etwa durch eine neue Ehe. In der Realität kommt das nach Aussagen von Experten allerdings nur sehr selten vor.

In den vergangenen Tagen kamen frühere Aussagen von Yesilgöz ans Licht, die einen bemerkenswerten Wandel ihrer Einstellung zur Asylpolitik dokumentieren. 2004 schrieb sie in einer Kolumne für die Sozialistische Partei, sie sei dankbar für das grosse Glück, das sie als nachreisendes Kind gehabt habe, und für die damalige Grosszügigkeit des Aufnahmelands, von der wenig übrig sei. «Die Möglichkeiten, die mir in den Niederlanden geboten wurden, möchte ich gerne anderen Flüchtlingen bieten», schrieb sie. Yesilgöz war aus der Türkei mit dem Boot auf der griechischen Insel Kos gelandet und von dort per Flugzeug weitergereist. Sie sei sich im Klaren darüber, dass sie heute in einem Erstankunftszentrum gelandet wäre, «wo das Leben jahrelang stillsteht».

Bedrohungen und Belästigungen

Bis zum möglichen nächsten Karrieresprung von Yesilgöz wird nun einige Zeit vergehen. Gewählt wird im November, dann muss sich eine Parteiengruppe zusammenfinden, was in den Niederlanden erfahrungsgemäss lange dauert. Bis dahin kann vieles passieren. Derzeit liegen VVD und die Bürger-Bauern-Bewegung in Umfragen vorn. Vom politischen Profil her wäre eine Koalition der beiden Parteien sowie der Christdemokraten unter Yesilgöz’ Führung die naheliegende Variante.

Während ihr Stern aufgeht, verlässt nach Rutte nun auch Finanzministerin Sigrid Kaag von der linksliberalen D66 die politische Bühne. Als Grund für ihre Politikmüdigkeit nannte sie zum wiederholten Male die Bedrohungen und Belästigungen, denen sie ausgesetzt sei, was sie ihrer Familie nicht länger zumuten wolle. Allerdings ist Kaag, lange Zeit grosse Hoffnung ihrer Partei, auch politisch gescheitert. Bei der letzten Wahl hatte sie ein hervorragendes Ergebnis für D66 erzielt. Danach schaffte sie es nicht, sich so eindeutig von dem in Skandale verwickelten Rutte abzusetzen, wie es viele Parteifreunde von ihr erwartet hätten.