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Nachbildung eines Klebers auf Bitumenbasis: Das Steinwerkzeug wurde in einen Griff aus Flüssigbitumen mit 55 Prozent Ockerzusatz geklebt.

© P. Schmidt, Uni Tübingen

Technisch versierte Frühmenschen: Neandertaler nutzten Komponentenkleber

Schon Neandertaler klebten Klingen aus Stein an Griffe und machten sie besser handhabbar. Forschende aus Berlin und Tübingen melden nun den bisher frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers.

Schon vor mehr als 40.000 Jahren haben frühe Menschen neuen Forschungen zufolge eine Art Klebstoff genutzt. Mit seiner Hilfe versahen sie Steinwerkzeuge mit Griffen. Neandertaler aus dem heutigen Südfrankreich hätten eine ausgeklügelte Mischung aus Ocker und Bitumen hergestellt, teilte die Universität Tübingen am Mittwoch mit.

Es handele sich um den „bisher frühesten Fund eines Mehrkomponentenklebers in Europa“. Das habe die Aufarbeitung von Objekten aus der Neandertaler-Fundstelle Le Moustier in der Dordogne ergeben.

Die beiden Rohstoffe Ocker und Bitumen hätten die Frühmenschen aus weit voneinander entfernten Orten zusammentragen müssen, so die Forschenden. Das habe Planung und eine gezielte Vorgehensweise erfordert. Die Entwicklung von Klebstoffen für die Herstellung von Werkzeugen gelte als einer der „besten materiellen Belege für die kulturelle Evolution und die kognitiven Fähigkeiten früher Menschen“.

Versuch zur Nachbildung eines Klebers auf Bitumenbasis: Flüssigbitumen und 55 Prozent des Erdpigmentes Ocker vor dem Mischen. Die Masse ist nicht mehr klebrig und lässt sich gut handhaben.

© P. Schmidt, Uni Tübingen

Geleitet wurden die Forschungen von Patrick Schmidt aus der Abteilung für Ältere Urgeschichte der Universität Tübingen und von Ewa Dutkiewicz vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin. Ihre Studie erschien in der Fachzeitschrift „Science Advances“.

Fast 60 Jahre unberührte Sammlung

In der Berliner Sammlung werden die Steinwerkzeuge aus Le Moustier aufbewahrt. Nur waren sie bisher nicht näher untersucht worden. Der Schweizer Archäologe Otto Hauser hatte sie 1907 aus dem oberen Felsüberhang von Le Moustier geborgen, der während der mittelpaläolithischen Epoche vor 120.000 bis 40.000 Jahren von Neandertalern genutzt wurde.

„Die Sammlungsstücke waren einzeln verpackt und seit den 1960er Jahren unberührt“, erläuterte Dutkiewicz. „Dadurch waren die anhaftenden Reste organischer Stoffe sehr gut erhalten.“ Die Forscher entdeckten nun an mehreren Steinwerkzeugen Reste einer Mischung aus Ocker und Bitumen. Ocker ist ein natürlich vorkommendes farbiges Erdpigment. Das Kohlenwasserstoffgemisch Bitumen kann aus Erdöl hergestellt werden, kommt jedoch auch natürlicherweise im Boden vor.

Die Nutzung von Klebern mit mehreren Komponenten, darunter Baumharze und auch Ocker, sei bisher vom frühen Homo sapiens in Afrika bekannt gewesen, hieß es. „Unsere Studie zeigt, dass sich beim frühen Homo sapiens in Afrika und den Neandertalern in Europa ähnliche Denkmuster widerspiegeln“, so Schmidt. Ihre Klebstofftechnologien hätten eine wichtige Bedeutung für das Verständnis von der Menschwerdung. (KNA)

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