Russischer Konzern will Atom-U-Boote zu Transportschiffen umfunktionieren

Nach Danilov-Danilyan, dem entmachteten Vorsitzenden des abgeschafften Umweltkomitees, sind 15 Prozent des Landes für die Gesundheit der Bewohner gefährlich

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Russische Atom-U-Boote müssen nicht mehr versinken oder einfach irgendwo liegen bleiben, sondern könnten auch eine zivile Nutzung erfahren und so zugleich als Umweltbombe entschärft werden. Doch ist diese Umwandlung von "Schwertern in Pflugscharen" sehr beschränkt - und die Frage bleibt, wer nach all den Kalamitäten und Katastrophen sich noch gerne der im Kapitalismus verkommenden kommunistischen High-Tech anvertrauen will, selbst wenn er eine Reise zur Mir gewinnt.

Der Fernsehturm hat gebrannt und die Moskauer Bürger von der Nabelschnur der Medien abgetrennt. Die Kursk ist untergegangen und hat einmal wieder auf die fatale Situation auch der Technik in Russland hingewiesen. Gegen Aleksandr Nikitin wurde gerichtlich wegen Geheimnisverrats vorgegangen, weil er auf das Umweltproblem der verrottenden russischen Atom-U-Boote hingewiesen hat (Hochverrat eines Umweltschützers?). Vom Gericht in St. Petersburg 1999 freigesprochen wurde gegen das Urteil von der Generalstaatsanwaltschaft Einspruch erhoben.

Erst im Frühjahr dieses Jahres hatte Putin das staatliche Umweltkomitee abgeschafft, um für die Konzerne, die Rohstoffe wie Öl oder Gas weitgehend ohne Rücksicht auf Umweltbelange ausbeuten wollen, freie Bahn zu schaffen. Dafür soll jetzt vermehrt nuklearer Abfall nach Russland importiert werden können, um dort gelagert und wieder aufbereitet zu werden. Dagegen haben zwar an die 200 Umweltorganisationen, darunter Greenpeace, Protest eingelegt und fordern einen Volksentscheid, aber die Kritiker dürften in dem maroden Land, das dringend Kapital benötigt und sowieso schon von großen Umweltproblemen gezeichnet ist, auf wenig Resonanz stoßen.

Viktor Danilov-Danilyan, der einstige Vorsitzende des Umweltkomitees, über die Umweltsituation in Russland: "15 Prozent des russischen Territoriums gilt als ökologisch gefährlich für die Bewohner. Dazu gehört Industriegürtel im Ural und die Regionen von Saratov, Volgograd, Moskau, St. Petersburg oder Arkhangelsk. Für die 61 Millionen russischen Bürger, die in diesen Gebieten leben, sind die Toxine im Wasser und in der Luft für 25 bis 30 Prozent aller Krankheiten verantwortlich. Daher wird jeder dritte Krankheit durch die Umwelt verursacht." Und ganz allgemein ist natürlich, trotz mancher westlicher Hilfe, die Beseitigung und Lagerung des nuklearen Abfalls eines der größten Probleme: "Es wäre zwar nicht richtig zu behaupten, dass die Mehrheit der Bevölkerung nuklearem Abfall ausgesetzt ist. Aber es herrscht eine potentiell gefährliche Situation. Es gibt kein ordentliches System in unserem Land, um nuklearen Abfall zu lagern, und wir haben auch kein System, um verbrauchte Brennstäbe von unseren Atomkraftwerken wieder zu verarbeiten. Wir haben keine modernen Lagermöglichkeiten, die auch nur den grundlegendsten Sicherheitsanforderungen gerecht würden." Was die Hinterlassenschaften des Militärs angeht, ist die Situation noch viel schlimmer. Dabei spielen eben auch die verrottenden Atom-U-Boote der Nordseeflotte eine Rolle.

Ein verrücktes Projekt des sibirischen Konzerns Norilsk Nickel, dem weltgrößten Produzenten von Nickel, intendiert einen Umbau von Schwertern zu Pflugscharen im großen Maßstab: die weltweit größten nukleargetriebenen russischen U-Boote sollen zu zivilen Transportschiffen umgewandelt werden, um Nickel unter dem Eis zum nördlichsten eisfreien Hafen Murmansk zu bringen.

Die U-Boote, auf die der Konzern ein Auge geworfen hat, gehören der Klasse Akula (Haifisch) an, die man auch als Typhoon und die in den 80er Jahren gebaut wurden. Sie wurden in Konkurrenz zu den amerikanischen Tridents gebaut, beförderten 20 SS-N-20 Raketen mit jeweils 10 atomaren Sprengköpfen mit sich, waren aber größer und sogar auch komfortabler als die amerikanischen Konkurrenten mit einem Sportraum, einer Sauna, einem Swimmingpool und Einzelkabinen für die über 80 Seeleute. Mit einer Länge von 103 Metern können sie mit einer Höchstgeschwindigkeit von 37 km/h fahren. Besonders ausgerüstet sind sie auch, um Eis zu brechen.

Drei von diesen Produkten der einstigen russischen oder kommunistischen Technik sind noch einsatzfähig, drei weitere sollen auf der Grundlage eines von den USA mit 250 Millionen Dollar ausgestatteten Programms verschrottet werden. Auch wenn eines schon auseinander gelegt worden ist, hat der Konzernchef doch erreicht, dass man mit dem nächsten erst einmal warten soll, bis ein Bericht über die mögliche Konversion abgeschlossen ist. Admiral Vladimir Kuroyedov zeigte sich jedenfalls über die neuen Entwicklungen erfreut und meinte, das sei doch die beste Möglichkeit, die "überschüssigen U-Boote" zu nutzen, auch wenn die kommunistische Partei gerade die Bevölkerung aufruft, für den Bau einer neuen militärischen Kursk zu spenden. Schließlich sind die nukleargetriebenen U-Boote ebenso wie die Atomwaffen oder die Mir ein Symbol für die einstige technische und wissenschaftliche Größe.

Das Problem von Norilsk Nickel, das neben Palladium, Platin oder Kupfer 22 Prozent des Nickels auf dem Weltmarkt liefert, ist die ungünstige Lage in Sibirien. Die Rohstoffe werden auf Schiffe verladen, die zunächst über 500 Kilometer nördlich zum Kara-Meer und dann noch einmal 1700 Kilometer bis nach Murmansk fahren. Der Fluss und das Meer sind aber neun Monate lang mit Eis bedeckt. Bislang müssen die Transportschiffe nukleargetriebenen Eisbrechern nachfahren, die zwar dem Staat gehören, aber von LUKoil, einem Öl-Konzern, betrieben werden. Die Flotte von sechs Eisbrechern ist in schlechtem Zustand, demnächst muss ein Schiff ausgemustert werden, und bei Norilsk Nickel hegt man Sorge, dass dann eventuell der Transport des Öls Vorrang vor dem der Metalle haben könnte.

Während der Bau eines neuen Eisbrechers mindestens 150 Millionen Dollar kostet, würde der Umbau eines Akula-U-Bootes, das 12000 Tonnen Last transportiert, angeblich nur auf 80 Millionen Dollar kommen. Man denkt sich das so, dass es beladen erst einmal den Fluss mit seinen Eisbrechern hinunterfährt und dann am Meer unter das Eis taucht. Mit 25 Knoten wäre es dann dort auch um einiges schneller als ein Eisbrecher. Der Konzern würde auch gleich die jetzige Besatzung der U-Boote als zivile Seeleute anstellen und ihnen wahrscheinlich auch mehr zahlen, als die durchschnittlich 50 Dollar monatlich, die sie jetzt erhalten.