Pflicht oder Tugend – Muss ich den Chef grüßen?

Pflicht oder Tugend - Muss ich den Chef grüßen?

Pflicht oder Tugend – Muss ich den Chef grüßen?

Immer dort, wo Menschen miteinander umgehen, da kann es auch zu Konflikten kommen. Welches Ausmaß diese annehmen, das hat auch und vor allem mit der Art und Weise des Umgangs zu tun. Umgangssprachlich macht der Ton die Musik. Doch wie ist das im Job? Wonach bestimmen sich hier die Verhaltensregeln? Denn abhängige Arbeit hat immer auch mit Pflicht zu tun.

Demnach verstößt ein Arbeitnehmer gegen die ihm nach § 241 Absatz 2 BGB auferlegte Pflicht zur Rücksichtnahme, wenn er Mitarbeiter oder Vorgesetzte beleidigt, herabwürdigt oder sich ihnen gegenüber unangemessen verhält. Die gesetzlich normierte Pflicht verlangt ein Mindestmaß an Respekt im Umgang miteinander. (Bundesarbeitsgericht, AZ: 3 Sa 150/11). Respektloses Verhalten oder ebensolche  Äußerungen müssen demnach nicht geduldet werden. Verstöße gegen diese Pflicht können durchaus mit einer Abmahnung geahndet werden. Bekanntlich folgt hier auch recht schnell eine Kündigung, wenn das abgemahnte Verhalten beharrlich fortgesetzt wird.

Doch wie ist das mit dem Grüßen. Ist das eine Pflicht oder bleibt es eher eine Tugend? Dazu hatte vor einiger Zeit das Landesarbeitsgericht Köln einen prägnanten Fall verhandelt und entschieden (LAG Köln, AZ: 9 (7) Sa 657/05). Es ging darum, ob es einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund darstellt, wenn ein Arbeitnehmer seinen Chef nicht grüßt.

Gericht zur Pflicht des Grußes

Ein Unternehmen, das mit Bäckereimaschinen handelt, hatte einem Außendienstmitarbeiter nach mehr als zehnjähriger Beschäftigungszeit gekündigt. Begründet wurde das in erster Linie mit einer betrieblichen Umorganisation. Zudem warf man dem Arbeitnehmer vor, kurz vor der Kündigung bei zwei Begegnungen außerhalb des Betriebes den Geschäftsführer in Anwesenheit weiterer Personen nicht gegrüßt zu haben.

Der Arbeitnehmer verteidigte sich damit, es könne ihm nicht vorgeworfen werden, bei privaten Treffen in einem Wald nicht gegrüßt zu haben. Dieses Verhalten sei entschuldbar. Überdies treffe ihn diesbezüglich keine Pflicht. Der Geschäftsführer habe ihm zuvor zu verstehen gegeben, dass er ihn wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten entlassen wolle.

Das Landesarbeitsgericht hat die Verweigerung des Grußes nicht als Kündigungsgrund anerkannt und auch den Antrag des Arbeitgebers abgewiesen, das Arbeitsverhältnis aus diesem Grunde gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Dazu führte das Gericht aus, dass die mehrfache Verweigerung des Grußes gegenüber dem Geschäftsführer nach dessen vorherigem Gruß keine grobe Beleidigung darstellt, die zum Ausspruch einer Kündigung berechtigen könnte.

Kein genereller Freibrief 

Durch das Verweigern des Grußes nach einem Personalgespräch können Arbeitnehmer ihre Verärgerung oder Verstimmung anzeigen, ohne damit eine Ehrverletzung zu bezwecken.

Der Arbeitgeber, den dies stört und der nicht abwarten will, ob der Arbeitnehmer bald wieder zu dem im Betrieb und außerhalb des Betriebes üblichen Grüßen zurückkehrt, kann Anlass haben, den Arbeitnehmer zu einem weiteren Personalgespräch zu bitten und ihn daran zu erinnern, dass bei allem Verständnis für die aktuellen Gefühle des Arbeitnehmers doch die üblichen Umgangsformen gewahrt werden sollten.

Das ist noch kein Freibrief und schon gar nicht eine Abkehr von der Pflicht, sich im Job generell angemessen und höflich zu verhalten. Bekanntlich bestimmt der Chef die Regeln, auch die des gedeihlichen Umgangs. Ob also die dauerhafte Verweigerung des Grußes nach einer vorherigen Abmahnung einen Kündigungsgrund darstellen kann, das hat das Landesarbeitsgericht in diesem Fall offen gelassen. Es war hier noch nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen geschah das Ganze außerhalb des Betriebes.

Keine Regeln für Privatsphäre

Im deutschen Arbeitsrecht kann das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers in der Regel aber keine Kündigung rechtfertigen. Das folgt aus der strikten Trennung zwischen der Privatsphäre und dem dienstlichen Bereich. Aus dem Arbeitsvertrag ergeben sich grundsätzlich nur Rechte und Pflichten, die das Arbeitsverhältnis selbst betreffen. Was der Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit macht, das ist seine Sache.

Deshalb kann selbst ein verwerfliches oder anstößiges Verhalten des Arbeitnehmers keine Kündigung rechtfertigen, solange dieses Verhalten ausschließlich seiner Privatsphäre zuzuordnen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Schwelle zur Straftat überschritten wird und das beanstandete Verhalten geeignet ist, sich nachhaltig auf das Arbeitsverhältnis auszuwirken. Es bedarf also einer konkreten Störung des Arbeitsverhältnisses wegen des außerdienstlichen Verhaltens.

Ob damit eine Pflicht zum Grüßen des Chefs auch außerhalb des Betriebes begründet werden kann, das erscheint fraglich. Es bleibt wohl eher ein Ausdruck von Höflichkeit. Denn sie ist seit jeher eine Tugend. Sie äußert sich in einer vor allem rücksichtsvollen Verhaltensweise, die gerade den Respekt vor dem anderen zum Ausdruck bringen will. Doch derlei lässt sich bekanntlich nicht erzwingen.

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Bild von Arvi Pandey auf Pixabay