Historische Rückschau: die Eisenbahnfähre „Greifswald“ der DSR am 29. Oktober 1992 im Hafen Mukran/Rügen. Auf dem Hauptdeck sind Kesselwagen erkennbar, Foto: Arndt

Schweden checkt Bahnfähren-Comeback

Sie galten über viele Jahrzehnte hinweg als schiffbautechnische Innovation und zudem als systemrelevantes Transportmittel sowohl für kurze als auch für längere Strecken: die Eisenbahnfähren.

Vor allem das rasante Wachstum im Straßengüterverkehr, aber auch der Bau von festen Landverbindungen sowie wirtschaftliche Gründe führten dazu, dass dieses Transportsystem heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Jetzt könnte es aber zu einer Revitalisierung kommen, im Besonderen auf der Ostsee.

Doch zunächst ein kurzer historischer Rückblick. Die 1973 im schweizerischen St.Gallen gegründete Railship AG transportierte noch bis 2002 mit drei Spezialfähren Waggons zwischen dem deutschen Ostseehafen Travemünde und dem finnischen Hanko. Das Besondere an diesem Verkehr: Das finnische Schienennetz basiert auf der russischen Breitspur (1524 Millimeter/mm), während in Kontinentaleuropa die europäische „Normalspur“ (1435 mm) das Maß der Dinge ist.

Die deutsch-schwedische TT-Line hatte zwei Neubauten, die zwischen Travemünde und Trelleborg verkehrten, 1988 und 1989 mit Eisenbahngleisen ausstatten lassen, ohne dass sie allerdings auf diesen Schiffen jemals Waggons transportierten.

Die schwedische NordöLink setzte ab Sommer 1987 Eisenbahnfähren ebenfalls zwischen Travemünde und dem südschwedischen Malmö mit einer Jahreskapazität von 80.000 Waggons ein. 2002 wurde diese Eisenbahnfährverbindung eingestellt.

Die seit 1909 bestehende Eisenbahnfährverbindung zwischen Sassnitz und Trelleborg wurde 2020 eingestellt. Den Transport von Eisenbahngüterwaggons hatte die schwedische Stena Line bereits 2014 aufgegeben und auf die Verbindung Rostock–Trelleborg verlagert.

Eine besonders leistungsstarke Eisenbahnfährschiffverbindung bestand zu Zeiten des „Kalten Krieges“ zwischen der ehemaligen DDR und dem zur Sowjetunion gehörenden Litauen. Für die Verbindung , die im Oktober 1986 offiziell ihren Dienst aufnahm, wurden nicht nur Spezialschiffe neu konstruiert und bestellt, es entstanden auch leistungsstarke, maßgeschneiderte Abfertigungsanlagen im Hafen Klaipeda (ehemals Memel) in Litauen und in Mukran auf der Insel Rügen. Partner waren die Reedereien DSR der DDR und die Lisco (Litauische Seereederei). Teil des Gesamtpaketes waren auch leistungsstarke Umspur-Werke in den beiden Häfen, in denen binnen kürzester Zeit die Waggons für Normal- und/oder Breitspur umgerüstet werden konnten.

Ursprünglich waren für diese Route sechs baugleiche Schiffe geplant, doch nur fünf entstanden, und zwar auf der Werft MTW in Wismar. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 und den politischen Umwälzungen in Osteuropa wurde der Auftrag für das sechste Schiff storniert. Offiziell für den bilateralen Warenaustausch bestimmt, wären die Spezialfähren im Krisen- und Kriegsfall für Militärtransporte zwischen der Sowjetunion und der DDR genutzt worden. Doch so weit kam es glücklicherweise nie. Die Fährverbindung nahm nach der Wende einen wechselvollen Lauf – doch das ist eine gesonderte Geschichte.

In diesen Tagen wird lediglich noch die am 17. Juni 1994 eröffnete Fährlinie Rostock–Trelleborg mit Eisenbahnfährschiffen bedient. 2015 diente diese Fährverbindung als Bypass für die festen Querungen, als für diese umfangreiche Wartungs- und Reparaturarbeiten anstanden. Eingesetzt werden aktuell die sechsgleisige „Mecklenburg-Vorpommern“ (IMO 9131797, Baujahr 1996) mit 950 Gleismetern Gleis und die „Skane“ (IMO 9133915, Baujahr 1998) mit 1110 Gleismetern. Nach jahrelangem Rückgang der trajektierten Waggons wurden 2023 insgesamt noch 26.800 Waggons befördert.

Da die sogenannte „Trajektierung“ von Waggons kostenintensiver ist als die Fahrt über die festen Querungen, untersucht derzeit die schwedische Verkehrsbehörde Möglichkeiten einer finanziellen Unterstützung des Eisenbahnfährverkehrs, wurde jetzt am Rande des jüngsten Neujahrsempfangs des Hafens Rostock bekannt. Ein Ergebnis dieser Untersuchungen soll in den kommenden Monaten vorliegen. Vergleichbare Untersuchungen sind in Deutschland derzeit allerdings nicht geplant.

Die entscheidende Motivation für die Schweden, deren Regierung sich seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 intensiv um einen Beitritt zum westlichen Verteidigungsbündnis Nato bemüht, ist die neue Sicherheitslage in der Ostsee.

Russland verhält sich seit dem Überfall auf die Ukraine recht offensiv, ja auch aggressiv in der Ostsee und auch gegenüber den Anrainerstaaten. Schwedens Sorge besteht darin, in der Ver- und Entsorgung des Landes im Falle einer akuten Sicherheitskrise von Kontinentaleuropa abgekoppelt zu werden. Etwa, weil die festen Querungen zwischen Schweden und Dänemark aus welchen Gründen auch immer ausfallen könnten. Man strebt also nach einer in frastrukturellen und damit logistischen Mehrwege-Lösung.

Was die infrastrukturellen Voraussetzungen für eine Renaissance der Bahnverkehre betrifft, ist im Hafen Rostock wie auch in Trelleborg weiterhin eine solide Basis vorhanden, sodass theoretisch auch der Einsatz größerer (neuer) Fährschiffe möglich wäre. In beiden Häfen sind die landseitigen Fährbrücken so gebaut, dass sie für die Abfertigung von achtgleisigen Fährschiffen geeignet wären. HDF/EHA

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