Dienstag 21. Mai 2024
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LINZ. Das Brucknerfest Linz 2022 ist offiziell eröffnet. Noch bis 11. Oktober warten unter dem Motto „Visionen – Bruckner und die Moderne“ hochkarätige Veranstaltungen. Zahlreiche prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur folgten der Einladung zum Festakt. Das Motto nahmen die Redner als Anlass, die aktuellen Krisen zu thematisieren und auf ein neues Miteinander einzuschwören. Festredner Jean Ziegler stellte mit mahnenden Worten den Hunger auf der Welt in den Mittelpunkt.

 (Foto: LIVA/Oliver Erenyi)
photo_library (Foto: LIVA/Oliver Erenyi)

Das Internationale Brucknerfest Linz 2022 lädt das Publikum noch bis 11. Oktober dazu ein, sich auf Spurensuche zu begeben: Eines der bedeutendsten Klassikfestivals Österreichs schließt in der fünften Ausgabe unter der Intendanz von Dietmar Kerschbaum auf seiner Entdeckungsreise durch den Kosmos von Leben und Werk Anton Bruckners thematisch den Kreis.

Vision einer Welt ohne Hunger

„Meine Vision ist eine Welt ohne Hunger. Das tägliche Massaker, das der Hunger an vielen tausenden von Menschen auf dem Planeten verübt, der vor Reichtum überquillt, ist der absolute Skandal unserer Zeit“, eröffnete Jean Ziegler seien Festrede unter dem Titel „Das tägliche Massaker des Hungers – Wo ist die Hoffnung?“. „Von allen Menschenrechten ist das Recht auf Nahrung dasjenige, welches auf unserem Planeten sicherlich am häufigsten, am zynischsten und am brutalsten verletzt wird. Der Hunger ist ein organisiertes Verbrechen.“ Was uns von den Opfern trenne, sei nur der zufällige Ort der Geburt, so der international bekannte Soziologe, Politiker, Sachbuch- und Romanautor – einer der bedeutendsten Kapitalismus- und Globalisierungskritiker. „Wo ist Hoffnung? Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie. Die Verfassung gibt uns alle Waffen in die Hand, um die mörderischen Strukturen, die den Hunger verursachen, radikal zu zerstören.“

Eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der das Brucknerfest nach seiner Festansprache eröffnete: „Feiern ist in diesen Tagen besonders notwendig, das bedeutet, Kraft und Energie für die Herausforderungen der Zeit zu tanken. Mut und Zuversicht können wir gut gebrauchen.“ Und weiter: „Wir haben Krieg mitten in Europa und massive Teuerung als Folge. Wie konnte es dazu kommen? Durch ein politisches Regime, dass es nicht ertragen kann, dass wir in Unabhängigkeit und Freiheit leben wollen. Der Krieg geht uns alle etwas an, er ist ein Angriff auf unsere Identität und Zukunft.“ Wir müssten uns fragen: „Was ist es uns wert, heute aufzugeben, damit unsere Kinder, Enkelkinder eine unabhängige, freie Zukunft haben, auf wie viel Bequemlichkeit können wir verzichten. Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir diese Herausforderungen.“

„Wie kann eine Zukunft aussehen, für die es sich zu kämpfen lohnt“, fragt die Zweite Präsidentin des Nationalrates Doris Bures: „Weniger Ich und mehr vom Wir, weniger Egoismus und mehr Empathie“, antwortet sie und zitierte auch den kürzlich verstorbenen Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow: „An den Frieden denken heißt, an die Kinder denken.“

Kultur hält Spiegel vor

Vor einem Jahr sei bei der Brucknerfest-Eröffnung das Thema Corona größtes Thema gewesen, „jetzt sind wir in einer Welt, in der uns viel mehr fordert“, so Landeshauptmann Thomas Stelzer. „Kunst und Kultur hilft, neue Wirklichkeiten zu anzudenken, gibt auch in schwierigen Zeiten die Möglichkeit, zu gestalten, Kunst und Kultur weist den Weg. Wie kann Kunst helfen, Antworten zu finde? Indem sie den Spiegel vorhält.“ Der Krieg bedrohe die europäische Friedensordnung, sei ein Angriff auf die Idee der liberalen Demokratie und Werte. Die Antwort sei ein gemeinsames Europa mit dem Ziel, die Waffen zu schweigen zu bringen. „Dazu gehört, miteinander zu reden“, so Stelzer.  

Fünf Visionen

Bürgermeister Klaus Luger lies mit fünf Gedankengängen aufhorchen: „Wie wäre es, wenn wir fünf Visionen umsetzen?“, fragt er. Er thematisierte den Arbeitskräftemangel: „Wie wäre es, offensiv Zuwanderung für den Arbeitsmarkt zu fördern“ – und schlägt für Einwanderer ein Paket vor mit 20 Stunden Arbeit, 20 Stunden Sprache und 20 Stunden Integration – mit der Möglichkeit, die Familie nachzuholen.

Beim Thema Digitalisierung fragt Luger, ob es denn wirklich nicht möglich sei, ein nationales Digitalisierungsprogramm aufzusetzen, unabhängig von Wahlergebnissen – man brauche das Rad nicht neu erfinden, „es reicht ein Blick nach Israel, Estland oder Lettland.“ Er regt zudem an, Linz zum Wasserstoff-Zentrum machen. Beim Schulsystem gebe es viele „heilige Kühe“. „Warum nicht Außenstehenden erlauben, radikal zu denken und ein mögliches Reformpaket vorzulegen?“ Und er appelliert, „sich ein bisschen mehr zu bemühen, um neue Wege im Umgang miteinander – auch politisch – zu beschreiten“. Er appelliert an alle, wieder eine ordentliche Streitkultur einzuführen.

Visionär Bruckner

„Mit dem Motto ‚Visionen‘ widmet sich das Brucknerfest der spannenden, aber wenig erschlossenen Bruckner-Rezepetion. Als Visionär gehört Bruckner zu den großen musikalischen Innovatoren und passt bestens zu Linz, als moderner Industrie- und Kulturstadt. Für das Brucknerjahr 2024 wünsche ich mir, dass der Impuls des heurigen Festes aufgegriffen wird“, so Kultur-Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer in ihrer Begrüßung.

Musikalischer Hochgenuss

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom Oberösterreichischen Jugendsinfonieorchester unter der Leitung des vielfach ausgezeichneten Dirigenten und Komponisten Oscar Jockel. Ebenfalls auf der Bühne: V.I.P. – Voices in Progress und der Oberösterreichische Landesjugendchor. Es erklang unter anderem mit Klaus Langs stürmischem Werk „aperi oculos tuos (Öffne deine Augen) eine Uraufführung. Erstmals im Brucknerhaus zu hören war György Kurtágs „Stele“ für großes Orchester, op. 33. Mit Auszügen aus dem fragmentarischen Finalsatz von Bruckners Sinfonie Nr. 9 d-moll fand der Festakt seinen würdigen Abschluss.


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